Jose Dalisay: „Killing Time in a Warm Place“

Jose Dalisay: „Killing Time in a Warm Place“

Holger Heimann   10.02.2025 | 18:00 Uhr

Kommendes Jahr sind die Philippinen Ehrengast der Frankfurter Buchmesse. Der wohl profilierteste Schriftsteller seines Landes Jose Dalisay lässt sich schon jetzt in deutscher Übersetzung entdecken. Sein Debütroman „Killing Time in a Warm Place“ führt zurück in die Zeit der Marcos-Diktatur. Holger Heimann hat Jose Dalisay getroffen und mit ihm über das Buch gesprochen.

Wie die Dinge laufen auf den Philippinen, das ist im Roman von Jose Dalisay offensichtlich. Unter dem Diktator Ferdinand Marcos blühen in den 1960er Jahren Vetternwirtschaft und Korruption. Als Studenten gegen das Regime aufbegehren, verhängt Marcos 1972 das Kriegsrecht und lässt die Aufrührer verfolgen. Es ist „Killing Time“.   

Die Hölle ist ein sehr warmer Ort. Und das Kriegsrecht war die Hölle für viele von uns. Wir haben versucht zu überleben. Das Regime hat die Opposition im wahrsten Sinne des Wortes beseitigt. Viele Menschen sind gestorben.

Jose Dalisay war auf der Seite der Aufständischen, der Opposition. Es sind seine Erfahrungen und die seiner Freunde, die in den Roman einfließen. Erzählt wird rückblickend aus der Ich-Perspektive von Noel. Der Sohn eines privilegierten Beamten lässt sich von den Studentenprotesten mitreißen, die in den bewaffneten Widerstand gegen Marcos münden. Wie viele seiner Mitstreiter wird er verhaftet und arrangiert sich schließlich mit den Mächtigen. Am Ende reist er in die Vereinigten Staaten aus. Es ist eine Geschichte von großen Plänen und enttäuschten Hoffnungen, von Schuld und Scham. „Noel, das bin ich“, sagt Dalisay – in seinem Debütroman blickt er nicht ohne Selbstironie und Sarkasmus auf die Träume seiner Generation zurück.

Natürlich glaubten wir an Marx, aber genauso selbstverständlich glaubten wir an Gott. Wir waren Filipinos und hatten beinahe unerschöpfliche Kapazitäten in Glaubensdingen.

Die krude Mischung aus marxistischen und maoistischen Parolen, mit der die radikalisierten Studenten gegen das Regime ankämpfen, hat mit der Lebenswirklichkeit und der Stimmung im Land nichts zu tun. Die einfachen Menschen schütteln über Losungen, die an Wände gesprüht werden und zum Widerstand aufrufen, nur den Kopf. Wenn sie überhaupt lesen können. Der Herrschaftsapparat aber schlägt brutal zurück, auch durch Folter werden die Aufrührer gefügig gemacht. 

Als sie mich aus dem Gefängnis entließen, wusste ich, dass ich nicht sterben wollte. Es war einfacher, mir einzureden, dass ich falsch gelegen hatte, aus jugendlichem Leichtsinn, als dass ich auf der richtigen Seite gekämpft hätte und durchhalten müsste, ein Held sein müsste.

Einige von Noels Freunden entschließen sich, weiter zu kämpfen – und bezahlen dafür einen hohen Preis. Aber die meisten kooperieren mit dem System. Sie werden Banker oder Unternehmer und tun die eigene Vergangenheit als jugendliche Verirrung ab. Noel kommt in einem Ministerium unter, wird jedoch von Schuldgefühlen geplagt. Es sind vor allem die Sprösslinge aus reichen Familien, die sanft landen. Dafür sorgen die einflussreichen Eltern und ein eng geknüpftes Netz aus Korruption und Patronage. Jose Dalisay zeichnet mit wenigen kraftvollen Strichen ein so eindrucksvolles wie entlarvendes Porträt einer zynischen Gesellschaft, die von tradierten Hierarchien und Abhängigkeiten bestimmt wird.

" Wir Filipinos sind gut darin, uns anzupassen, um zu überleben und irgendwann wieder zu kämpfen. Das hat gute und schlechte Seiten. Schlimmstenfalls gibt es nicht nur Opportunismus, sondern auch den Verrat alter Prinzipien. Ich habe das erlebt während des Kriegsrechts und auch danach. Viele meiner Mitstreiter wurden zu Faschisten. Sie wurden korrupt und Teil des Systems. Sie haben dieses System verteidigt und vergessen, von wo sie gekommen sind."

Jose Dalisay hat den Roman 1986 in den USA zu schreiben begonnen, kurz nach dem Sturz des Marcos-Regimes. Es sei eine Zeit der Hoffnung gewesen auf einen echten Wandel im Land. „Knapp vierzig Jahre später ist das eigentlich Undenkbare geschehen, die Rechte ist zurück“, schreibt ein enttäuschter Autor in einem aktuellen Nachwort seines Romans.

Wer das Buch liest, wird weniger überrascht davon sein, dass heute der Sohn von Ferdinand Marcos Präsident des Landes ist. „Killing Time in a Warm Place“ macht überzeugend deutlich, dass der Aufstand einer Gruppe junger Idealisten nicht genügte, um festgefügte Strukturen und machtvolle Traditionen aufzulösen. Die Geschicke des Landes werden gegenwärtig – wie vor 50 Jahren – von Familiendynastien bestimmt.


Jose Dalisay
"Killing Time in a Warm Place"
Aus dem Englischen von Niko Fröba
Transit Verlag
200 Seiten, 22 Euro
ISBN: 978-3-88747-414-0


Ein Thema in der Sendung "Der Nachmittag" am 10.02.2025 auf SR kultur.

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