Jan Wagner: "Gedenke der Lücke"

Der preisgekrönte Lyriker Jan Wagner war am 29. Juni in Saarbrücken zu Gast, um auf Einladung der Union-Stiftung, des Kultusministeriums und des SR seine "Rede an die Abiturientinnen und Abiturienten" des Jahrgangs 2016 zu halten. Es wurde ein Plädoyer für den Traum, die Narrheit und die Nutzlosigkeit. Hier finden Sie Bilder und das Video zur Rede.

Die Abiturrede 2016:

"Gedenke der Lücke. Ein Plädoyer für Traum, Narrheit und Nutzlosigkeit"

Jan Wagners Rede an die Abiturienten des Jahrgangs 2016

Programmhinweis
SR 2 KulturRadio sendet den Mitschnitt der Veranstaltung am 5. Juli 2016 in "Literatur im Gespräch".

Seine Rede "Gedenke der Lücke - Ein Plädoyer für Traum, Narrheit und Nutzlosigkeit" beginnt mit einem Alptraum und wir dann zu einem Plädoyer für das Innehalten, die windstillen Winkel im Abseits und die (vermeintlich) vergeudete Zeit.

"In einem wiederkehrenden Traum – ich sollte besser sagen: Alptraum, weist er doch alle Merkmale eines solchen auf, dazu die physischen Phänomene wie Herzrasen, Gliederzucken und kalte Schweißausbrüche –, in einem wiederkehrenden Traum also finde ich mich unvermittelt in meinem ehemaligen Gymnasium in einer Kleinstadt nördlich von Hamburg wieder. Die Räume sind erschreckend vertraut, die gebohnerten Gänge, die Tafeln, der Pausenhof, die Fahrradständer, sogar, scheint mir, der Geruch, auch wenn, denke ich kurz, Träume doch für gewöhnlich geruchlos sind, alles ist ganz so, wie es damals war – nur ich bin so alt wie ich mittlerweile eben bin und damit den Schülern, mit denen zusammen ich zu meiner Verblüffung in einem der Klassenzimmer Platz nehme, um ein Vierteljahrhundert voraus.

Ein Rückblick auf die Abiturrede von Jan Wagner


Keines der Jahre, die seit meiner Schulzeit vergangen sind, ist gelöscht, ich habe auch im Traum in Hamburg, Dublin und Berlin studiert, einen Abschluß gemacht, habe eine Reihe von Büchern publiziert und bin als freier Lyriker tätig, verdiene mein Brot – nur entbehre all das, so teilt man mir im Traum bedauernd mit, jeder Grundlage, sei doch mein Abitur und damit alles, was darauf folgte, ungültig; ein Versehen, eine bürokratische Laune, ein Aktenfehler, für den niemand etwas könne, weder ich noch die Verwaltung, an dem aber nicht zu rütteln sei, kurz: ich müsse die Oberstufe wiederholen und, fünfundvierzig Lebensjahre hin oder her, mein Abitur noch einmal bestehen.“

Mit diesem Alptraum beginnt die Rede des Lyrikers Jan Wagner an die saarländischen Abiturienten des Jahrgangs 2016, in der er ein Plädoyer hält für das Innehalten, die windstillen Winkel im Abseits, die (vermeintlich) vergeudete Zeit.

Zur Person: Jan Wagner


Der Autor und Übersetzer Jan Wagner  wurde 1971 geboren. 1992 legte er sein Abitur in Ahrensburg ab. Er lebt seit 1995 in Berlin. Seit 2009 ist er Mitglied der Bayerischen Akademie der schönen Künste, seit 2010 der Akademie der Wissenschaften und Literatur in Mainz, der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt und des deutschen PEN-Zentrums. Sein Lyrikband „Regentonnenvariationen“ wurde als erster Lyriktitel mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet.

Ein gemeinsames Projekt der Union-Stiftung, des saarländischen Kultusministeriums und des SR.

Die Jahre 1999 bis 2015

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