Erzmine bei Longwy war Produktionsstätte für die Geheimwaffe "V 1". (Foto: Jörg Welsch)

Hitlers geheime Raketenfabrik

Die vergessene Mine von Thil

Stefan Hauch   08.06.2019 | 15:12 Uhr

Mitten im Zentrum der kleinen französischen Gemeinde Thil in der Nähe von Longwy befindet sich der Eingang zu einer ehemaligen Erzmine. Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde die Mine geschlossen. Es lohnte sich nicht mehr, das lothringische Erz abzubauen.



1944 kamen Ingenieure und Waffenspezialisten aus Nazi-Deutschland nach Thil und öffneten die Mine. Sie wurde zur heimlichen Produktionsstätte für die sogenannte Vergeltungswaffe V 1. Mit diesen ersten Raketenwaffen der Kriegsgeschichte sollte die drohende Niederlage Deutschlands im Zweiten Weltkrieg abgewendet werden.

Erzmine bei Longwy war Produktionsstätte für die Geheimwaffe "V 1". (Foto: Jörg Welsch)
Ein lothringisches Kreuz zum Gedenken an die Toten der Mine.

Die ursprüngliche Produktionsstätte der V 1 befand sich in Peenemünde an der Ostsee. Nach der Bombardierung der Anlagen dort suchten die Nazis nach Alternativen. In Thil wurden sie fündig, errichteten am Ortsrand eine Außenstelle des KZ Struthof und begannen mit Hunderten von Zwangsarbeitern die Produktion 1944.

Unmenschliche Bedingungen in der Mine

Vor allem Frauen aus Osteuropa mussten unter grausamen Bedingungen in dem riesigen unterirdischen Stollensystem arbeiten. Hunderte starben während weniger Monate. Hunger war allgegenwärtig.

Überliefert und dokumentiert ist die Geschichte einer jungen Polin, die eine Mutter-Gottes-Figur als Erinnerung an ihre Familie ins KZ gerettet hatte. Aber der Hunger war unerträglich – die Figur tauschte die junge Frau dann mit einem Einwohner von Thil gegen zwei Brote.

Erzmine bei Longwy war alternative Produktionsstätte für die Geheimwaffe "V 1". (Foto: Jörg Welsch)
Einer der Trostspender für die Zwangsarbeiter aus dem KZ.

Noch erschütternder ist die Geschichte, die sich hinter einer Betonwand im hinteren Teil der Mine verbirgt. Hier wurden 27 Frauen, die die Stollendecke erweitern sollten, beim Einsturz der Decke verschüttet. Sie liegen immer noch unter dem Schuttberg vergraben. Ihre Angehörigen wollten es so.

Alliierte verhinderten Fertigstellung

In der unterirdischen Fabrik sollten pro Tag zweihundert Raketenbomben gebaut werden. Es kam nie dazu. Die Alliierten standen im Herbst 1944 vor Thil. Die Deutschen flüchteten. Nach dem Krieg wurde die Mine verschlossen. Niemand wollte etwas mit diesem Kapitel der Ortsgeschichte zu tun haben.

Erzmine bei Longwy war Produktionsstätte für die Geheimwaffe "V 1". (Foto: Jörg Welsch)
Eine Führung gibt es nur für den vorderen Bereich der Mine.

Die freiwilligen Helfer versuchen, die Geschichte zu dokumentieren. Aber es fehlt an Geld und staatlicher Unterstützung. Im Rathaus von Thil können Besichtigungstermine vereinbart werden.

Führung nur im vorderen Teil der Mine

In kleinen Gruppen erhält man eine Führung in den vorderen Bereich der Mine, auch wird gezeigt, unter welchen Bedingungen damals die Vergeltungswaffe V 1 hergestellt wurde. Ansonsten ist der gut erreichbare Mineneingang mit Gittern verschlossen.

Audio

Tour de Kultur 2019: "Hitlers geheime Raketenfabrik"
Audio [SR 3, Stefan Hauch, 19.07.2019, Länge: 03:01 Min.]
Tour de Kultur 2019: "Hitlers geheime Raketenfabrik"


Auf einen Blick


Kontakt

Ansprechpartner:
Emmanuel Mittaut
Mairie de Thil
6, Place du 8 mai 1945
F-54880 Thil
Tel.: (0033 3) 82 89 45 92
E-Mail: ville.de.thil@riv54.fr

Öffnungszeiten
Rathaus:
Mo. - Fr.: 8.30 - 12.00 Uhr
und 13.30 - 17.00 Uhr
Führungen nach vorheriger Absprache mit Herrn Mittaut oder Anmeldung über das Rathaus. Führungen werden derzeit nur in französischer Sprache angeboten.

Eintritt
Spenden zur Erhaltung der Mine werden gerne entgegen genommen. Ansonsten ist der Eintritt zur Mine und der V 1 Galerie frei.

Anfahrt
Von Saarbrücken auf die A 4 in Richtung Metz/Paris, dort auf die A 31/A 30/N 52 in Richtung Thionville/Longwy bis Ausfahrt 8. Nach Villerupt, von dort weiter auf die D 26 C/D 26 und der Beschilderung nach Thil folgen. Von Saarbrücken 118 Kilometer.

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