Die Orgelstubb  (Foto: Rémy und Evelyn Mahler)

Unterröcke als Vorhänge

Die Orgelstubb in Pfaffenhofen - ein verrücktes, liebeswertes Restaurant

  27.07.2015 | 12:10 Uhr

Die Orgelstubb in Pfaffenhofen lässt sich nicht einfach in eine Kategorie stecken und das wollen die Besitzer auch nicht. Restaurant, Werkstatt und ein Zentrum für Kultur. Alles etwas verrückt, aber sehr liebevoll.

Orgelpfeifen an der Giebelwand und an einer Haustüre machen klar: Hier ist die Orgelstubb. Die Orgelstubb, das ist, ja, was eigentlich? Orgelwerkstatt, Fundgrube für Antiquitäten, Biorestaurant, Kulturzentrum, kurz: Die Orgelstubb ist einer der eigenartigsten Orte im nördlichen Elsass. So verrückt wie der Ort sind seine Besitzer.

Eine Lebensgeschichte wie aus dem Kino

Schon die Geschichte, wie sie sich kennengelernt haben, wäre einen Film wert. Remy Mahler baut und repariert Orgeln. „Nein, nicht im Stil von Silbermann“, wehrt er ab, „der hat ja die deutsche Orgeltradition im Elsass zerstört.“ Remy hingegen pflegt gerade den Stilorgelbau, den er in Hohenlohe kennengelernt hat, einen Orgelbau, der im 18. Jahrhundert eigentlich schon untergegangen ist. Orgeln mit hölzernen Pfeifen und anderen Besonderheiten. Als er irgendwann im Badischen eine Orgel reparierte, lernte er Evelyn kennen. Aber beide gehen getrennte Wege, heiraten andere Partner, verlieren sich aus den Augen, lassen sich scheiden. Dann, 28 Jahre später, sieht Evelyn Remy im Fernsehen. In der Sendung Fahr mal hin des Saarländischen Rundfunks, die  regelmäßig  Reisereportagen aus der Region bringt, schimpft Remy Mahler über die französische Regierung. Sie schreibt ihm … Heute sind sie glücklich verheiratet und haben sechs Kinder.

Hörfunkbeitrag: Unterröcke als Vorhänge

Ein Restaurant voller Kunst und Trödel

Ihr „siebtes Baby“ ist die Orgelstubb. Die Orgelstubb ist zuerst mal ein Restaurant, aber was für eines! An den Fenstern hängen Leinenunterröcke aus Großmutters Zeiten als Vorhänge, da steht ein altes hölzernes Schaukelpferd, dort liegen wertvolle Bibeln. Manches sieht aus wie vom Flohmarkt übrig geblieben, dann findet der Gast plötzlich wertvolle Sammlerstücke, etwa ein paar Glaskunstwerke von Lalique, dem in der Nähe ein eigenes Museum gewidmet ist oder wertvolle Jugendstilvasen von Emile Gallé. Der Tresen ist hinter einer Art Lattenzaun untergebracht, mitten im Gastraum glänzt ein altes Klavier mit dekorativem Furnier. Immer wieder wandert der Blick des Gastes überrascht und fasziniert weiter. Das sieht aus wie eine Kunstkammer und ein Speicher zugleich, ist mit viel Charme in Szene gesetzt und lädt ein zum Verweilen.

Die Gästen kommen sogar über den großen Teich

An Samstagen finden in der Orgelstubb häufig Konzerte statt – von Jazz bis Klassik – wenn der Raum nicht gerade für eine Familienfeier gebucht ist. Mittlerweile ist der Ruf der Orgelstubb aber sogar über den Atlantik geschallt. Immer häufiger kommen Gäste aus den USA, um eine Eventhochzeit zu feiern, im mittelalterlichen Stil beispielsweise oder eine Cowboyhochzeit mit Spießbraten und allem. Aber sonst kocht Evelyn Mahler ihre schmackhaften Menüs eher deutsch-französisch, zu 90 Prozent mit Bioprodukten, auf Wunsch auch vegetarisch oder vegan, wie es beliebt.

Und hinter dem Restaurant: die Orgelwerkstatt

Und was hat das alles mit Orgeln zu tun? Hinter dem Restaurant ist in einem weiteren alten Gemäuer die Orgelwerkstatt von Remy untergebracht. Einst arbeiteten hier bis zu 16 Handwerker, heute sind es nur noch zwei. Der Schmelzofen erinnert daran, wo früher das Metall für die Pfeifen geschmolzen wurde, eine Schmiede mit einem großen Handblasebalg, lässt Bilder von alten Zeiten entstehen. In einen gemauerten Ofen hat Remy eine Takenplatte eingebaut, auch so ein Fundstück dieses unermüdlichen Sammlers.

Und die Ideen sprudeln weiter

Nach vorheriger Vereinbarung macht Remy Mahler hier Führungen durch sein Reich und erklärt die Geschichte und das Handwerk des Orgelbaus. Und er steckt voller Pläne. Vielleicht könnte man oben ja noch ein paar Gästezimmer ausbauen, damit die Gäste nach dem Essen vor Ort übernachten können – natürlich keine gewöhnlichen Gästezimmer. Remy wäre nicht Remy, wenn er da nicht schon wieder was gefunden hätte, einen mehr als 400 Jahre alten Toilettenstuhl. „Vielleicht könnte man die Zimmer ja statt mit Bad mit solchen alten Toilettenstühlen ausstatten.“ Evelyn erklärt ihn für verrückt und plant lieber einen modernen Wellnessbereich. Ja, und in der ehemaligen Scheune möchte Remy gerne noch eine Orgel einbauen, um dann dort Orgelkonzerte zu veranstalten und die Gäste in dem Instrument spazieren gehen zu lassen.

Ob die Orgelstubb beim nächsten Besuch noch so aussieht wie heute? Mit Überraschungen ist hier immer zu rechnen. Alle diese Überraschungen machen die Faszination dieses Ortes aus. Diese Orgelstubb wirkt wie aus der Welt gefallen. Ein Ort, der sich der Rastlosigkeit des Zeitgeistes entzieht, ideal zum Entspannen. Und während ich zwischen den alten Unterröcken an der Vorhangstange aus dem Fenster schaue, kommt mir meine Alltagswelt plötzlich irgendwie poetisch, ja, fast märchenhaft vor.

Stefan Miller


Kontakt:

L’ Orgelstubb
Remy und Evelyn Mahler
5 Place du Marché,
F-67350 Pfaffenhoffen Tel.: (00333) 88 07 75 91

Öffnungszeiten:

Außer Mo. 8.00  – 22.00 Uhr. Am Wochenende finden aber oft Veranstaltungen statt, so dass es sich empfiehlt vorher anzurufen. Führungen durch die Orgelwerkstatt nach Vereinbarung.

Eintritt:

Der Eintritt ist frei.

Anfahrt:

Über die A 4 Richtung Straßburg bis Ausfahrt 46 (Hochfelden) dann auf der D 25 Richtung Schwindratzheim, D 419 Pfaffenhofen zur Place du Marché.

Obwohl sich der Platz Marktplatz nennt, ist er klein, leicht zu übersehen und liegt etwas abseits.



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