Kommentar: "Der Yeboah-Prozess war ein Erfolg für die Opfer"

"Der Yeboah-Prozess war ein Erfolg für die Opfer"

Ein Kommentar von Thomas Gerber   27.09.2023 | 08:12 Uhr

Der Koblenzer Prozess zu dem Mord an dem ghanaischen Flüchtling Samuel Yeboah geht auf die Zielgerade. Der angeklagte Saarlouiser Neonazi Peter S. muss mit einer mehrjährigen Jugendstrafe rechnen. Egal, wie das Urteil des Staatsschutzsenats lautet, der Prozess hat sich gelohnt, war ein Erfolg insbesondere für die Opfer, kommentiert Thomas Gerber.

Wir drehen hier jeden Stein um, notfalls auch zwei Mal, sagte der Vorsitzende Richter zu einem Zeugen, als der zum zweiten Mal in Koblenz erscheinen musste. Und tatsächlich: die Beweisaufnahme war umfangreich, war akribisch.

Überlebende kamen zu Wort

Rund 90 Zeugen wurden in den vergangenen knapp elf Monaten vernommen - Sachverständige, Polizisten von damals und heute, Feuerwehrleute und: das war das Wertvolle an dem Mammutverfahren - die Opfer, die Überlebenden der verheerenden Brandnacht kamen zu Wort.

Ihr Leiden in dieser Nacht, die Erlebnisse, die schrecklichen Schreie von Samuel Kofi Yeboah sie waren präsent. Der Vorsitzende Richter zeigte ein Bild des Opfers im Gerichtssaal, erinnerte am Jahrestag des Anschlags an Samuel Kofi Yeboah.

Das war wohltuend - vor allem für die Opfer, die in einem Prozess endlich ein Mal nicht vergessen wurden. Denn sie leiden bis heute - viele stellen sich die Frage: Warum? Was habe ich falsch gemacht? Nichts! Denn auch das wurde in Koblenz deutlich.

Strukturen der Neonaziszene aufgedeckt

Die Tat war die Tat von Rassisten, von Menschenverachtern, die zwischen lebenswertem und lebensunwertem Leben unterscheiden. Auch wenn es die Verteidigung von Peter S. verneint - ihr Mandant, ob er nun bloße Beihilfe geleistet hat, oder doch der wahre Brandstifter war, auch Peter S. wähnte sich als Angehöriger dieser Herrenrasse, die glaubte, über Leben und Tod entscheiden zu dürfen.

Der Prozess deckte zudem die Strukturen der damaligen Neonaziszene auf. Eine hierarchisch organisierte, äußerst gewaltbereite Kameradschaft, die nicht nur "Ausländer Raus" gröhlte sondern auch so handelte, tötete. All das unter den Augen der Polizei und der Politik.

Politische Aufarbeitung nötig

Fast schon verzweifelt wirkte das Gericht angesichts der Naivität, mit der Ermittler von damals vorgingen und an manch einer Stelle, einfach weg schauten. Ob da System dahinter steckte, auch innerhalb der Polizei zumindest Sympathie für das Ausländer-Raus-Geschreie vorhanden war, das konnte der Prozess in Koblenz nicht klären.

Auch die Rolle des Verfassungschutzes blieb unklar. Das muss nun politisch aufgearbeitet werden, im anstehenden Untersuchungsausschuss des Landtags.

Noch ist das Urteil nicht gesprochen und sicher: der Yeboahprozess in Koblenz kam 30 Jahre zu spät. Aber er war wichtig auch für die politische Kultur, gerade in Zeiten wie diesen!

Über dieses Thema hat auch die Sendung "SR 2- Der Morgen" am 27.09.2023 berichtet.

Die Podcast-Serie zum Mordprozess
Der Fall Yeboah – Rassismus vor Gericht
1991 stirbt Samuel Yeboah durch einen Brandanschlag auf die Asylunterkunft in Saarlouis. Erst über 30 Jahre später wird der Mord als rassistisch motivierte Tat verfolgt und steht möglicherweise vor der Aufklärung. Warum erst jetzt? Dieser Frage gehen die SR-Journalistin Lisa Krauser und ihre beiden Kollegen Thomas Gerber und Jochen Marmit in einem mehrteiligen Podcast nach.


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