Luftbild der Justizvollzugsanstalt in Saarbrücken (Foto: imago/Hans Blossey)

Hauptverdächtiger tot in Zelle gefunden

Niklas Resch / Caroline Uhl / Jan Lukas Strozyk / Christian Deker   08.07.2020 | 11:10 Uhr

Im wohl größten Onlinebetrugs-Verfahren europaweit ist der Hauptverdächtige tot in seiner Zelle in der JVA Saarbrücken aufgefunden worden. Das hat die Staatsanwaltschaft dem SR bestätigt. Der Mann soll der Kopf einer international agierenden Betrüger-Gruppe gewesen sein.

Der 56-Jährige war am Montag tot in seiner Zelle entdeckt worden. Zuerst hatte das „Handelsblatt“ darüber berichtet. Bei der Obduktion wurden nach SR-Informationen bislang keine Hinweise auf einen unnatürlichen Tod entdeckt. Das Ergebnis der toxikologischen Untersuchung steht allerdings noch aus..

Der Mann hatte seit Oktober vergangenen Jahres in Saarbrücken in Untersuchungshaft gesessen. Er war damals von den österreichischen Behörden nach Deutschland ausgeliefert worden, nachdem er bereits im Januar 2019 in Tirol verhaftet worden war. Nach SR-Informationen war für Ende Juli eine nächste Haftprüfung vorgesehen, im ersten Quartal 2021 hätte vermutlich Anklage erhoben werden können.

Razzia in 35 Ländern

Bei den Ermittlungen gegen den gebürtigen Sauerländer ging es um den Verdacht des gewerbsmäßigen Bandenbetrugs. Konkret soll er der Kopf einer Gruppe gewesen sein, die mit fingierten Geldanlage-Plattformen im Internet bis zu 200.000 Deutsche betrogen haben soll. Nach Recherchen von SR und NDR könnte der Schaden allein in Deutschland in die Hunderte Millionen Euro gehen. Anfragen des SR an den Anwalt des Hauptverdächtigen waren in der Vergangenheit unbeantwortet geblieben.

Im vergangenen Jahr hatte es insgesamt 35 Razzien in fünf verschiedenen Ländern gegeben. Die Ermittler hatten mehrere Terabyte an Daten sichergestellt und sind seitdem mit deren Auswertung beschäftigt.

Ermittlungen gehen trotzdem weiter

Mit dem Tod des Hauptverdächtigen ist nach Angaben der Staatsanwaltschaft das umfangreiche Ermittlungsverfahren jedoch nicht abgeschlossen. Es werde weiterhin gegen 13 andere Beschuldigte ermittelt. Ein Beschuldigter beispielsweise sitzt seit dem vergangenen Sommer in Albanien in Untersuchungshaft und soll in Kürze nach Deutschland ausgeliefert werden.

Bei den Saarbrücker Ermittlungen geht es insgesamt um fünf Onlinetrading-Plattformen. Sie heißen „Option888“, „ZoomTrader“, „TradeInvest90“, „TradoVest“ und „XMarkets“. Die Portale versprechen Anlegern gute Gewinne mit Online-Finanzwetten.

Konkret geht es beispielsweise darum, auf das Steigen oder Fallen von Aktienkursen zu wetten. Die Ermittler vermuten jedoch, dass die Plattformen gezinkt sind – dass die Hintermänner das Geld der Anleger sofort nach Einzahlung einstreichen und die Anleger nie eine Chance auf einen Gewinn haben. Polizei und Staatsanwaltschaft gehen davon aus, dass es insgesamt Hunderte Plattformen gibt, die mit dieser oder einer ähnlichen Masche arbeiten.

Tausende Geschädigte in anderem Verfahren

Unter Leitung der Generalstaatsanwaltschaft Bamberg läuft derzeit ein weiteres großes Ermittlungsverfahren gegen die Betreiber anderer derartiger Webportale. In diesem Zusammenhang hatte es zuletzt Anfang April Razzien in mehreren europäischen Ländern gegeben. Auch hier gehen die Ermittler davon aus, dass es Tausende Geschädigte gibt, die mehr als 100 Millionen Euro verloren haben.

Über dieses Thema haben auch die SR-Hörfunknachrichten vom 07.07.2020 berichtet.

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