Zellengang in einer Justizvollzugsanstalt (Foto: dpa/Patrick Seeger)

Kein Fremdverschulden bei totem JVA-Häftling

Niklas Resch / Caroline Uhl   08.07.2020 | 14:40 Uhr

Im Fall des tot aufgefundenen Untersuchungshäftlings in der JVA Saarbrücken ist auch nach dem Ergebnis der Obduktion keine eindeutige Todesursache feststellbar. Der verstorbene 56-Jährige war der Hauptverdächtige in einem großen Onlinebetrugsverfahren.

Nach wie vor ist unklar, woran der Mann in der JVA Saarbrücken gestorben ist - auch die Obduktion brachte am Mittwoch kein eindeutiges Ergebnis. Die Staatsanwaltschaft teilte mit, dass keine Hinweise auf Fremdverschulden vorlägen. Bis die Ergebnisse der toxikologischen Untersuchung vorliegen, kann es noch einige Tage dauern.

Hauptverdächtiger in großem Betrugsverfahren

Der 56-Jährige aus dem Sauerland war am Montagmorgen tot in seiner Zelle aufgefunden worden. Er war der Hauptverdächtige in einem der europaweit wohl größten Onlinebetrugsverfahren – der Vorwurf lautete gewerbsmäßiger Bandenbetrug. Nach Auffassung der Ermittler war er der Kopf einer Gruppe, die bis zu 200.000 Deutsche im Internet mit gezinkten Finanzwetten betrogen haben soll. Das Ganze soll über fünf Online-Plattformen abgelaufen sein. Einige Opfer haben bis zu 250.000 Euro verloren. Nach Recherchen von SR und NDR könnte der Schaden allein in Deutschland in die hunderte Millionen Euro gehen.

Zu den ihm zur Last gelegten Vorwürfen hatte sich der 56-Jährige nach Angaben der Staatsanwaltschaft gegenüber den Ermittlungsbehörden nie geäußert. Sein Verteidiger teilte am Mittwoch auf SR-Anfrage mit, zu den aktuellen Vorgängen zurzeit keine Angaben zu machen.

Eineinhalb Jahre hinter Gittern

Fast eineinhalb Jahre hatte der Mann vor seinem Tod ohne Anklage im Gefängnis gesessen. Die österreichische Polizei hatte ihn Ende Januar 2019 in Tirol verhaftet, im Oktober war er nach Deutschland ausgeliefert worden. Seitdem saß er im Saarbrücker Gefängnis. Sein letzter Haftprüfungstermin war laut Staatsanwaltschaft Ende März. Das Oberlandesgericht hatte demnach aber entschieden, dass er wegen des dringenden Tatverdachts und wegen Flucht- und Verdunkelungsgefahr weiter hinter Gittern bleiben musste. Ein nächster Haftprüfungstermin hätte Ende Juli angestanden.

Der 56-Jährige Hauptverdächtige war im Online-Glücksspiel kein unbeschriebenes Blatt. Er eröffnete schon Mitte der 90er-Jahre eines der ersten Online-Casinos, in dem Nutzer mit echtem Geld zocken konnten. Zudem soll er am Aufbau bekannter Online-Poker-Plattformen beteiligt gewesen sein. Nach SR-Informationen lebte er bis zu seiner Festnahme vor allem in einem Tiroler Fünf-Sterne-Hotel und in Saint-Tropez an der Côte d'Azur.

13 weitere Beschuldigte

Die Ermittlungen laufen trotz des Todes des Hauptverdächtigen weiter. Insgesamt ermitteln die Saarbrücker Behörden gegen 13 weitere Beschuldigte. Einer von ihnen sitzt derzeit in Tirana, Albanien, in Auslieferungshaft. Auch er soll nach Saarbrücken in Untersuchungshaft kommen. Dieser Mann soll im Kosovo ein Callcenter betrieben haben, von dem aus Anleger kontaktiert und um ihr Geld gebracht worden sein sollen.

Über dieses Thema berichteten die SR-Hörfunknachrichten am 08.07.2020.

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