Kohlhof: Zwei Dörfer wiedervereint - aber wider Willen

Kohlhof: Zwei Dörfer wiedervereint - aber wider Willen

50 Jahre Gebietsreform im Saarland

Reporter: Florian Decker/Onlinefassung: Corinna Kern   04.01.2024 | 12:15 Uhr

Da wollte die Landesregierung Anfang der 70er Jahre den Menschen etwas Gutes tun und zwei Orte zusammenschließen, die wie Ost- und Westberlin den gleichen Namen tragen. Die Rede ist von Kohlhof – doch was man vergessen hat: Die Menschen dort zu fragen, ob sie das überhaupt wollen.

Zwei Dörfer wiedervereint - aber wider Willen. Seit Napoleons Zeiten gibt es zwischen Neunkirchen und Kirkel zwei Orte namens Kohlhof - direkt nebeneinander. Preußisch Kohlhof gehört zu Neunkirchen, Bayerisch Kohlhof gehört zu Limbach, heute Kirkel-Limbach.

Zusammenschluss 1974

Die Gebietsreform 1974 schließt die beiden Dörfer zusammen. Neunkirchen ist hoch erfreut, denn die Stadt braucht dringend Platz – für Wohnen, für Naherholung und für moderne, saubere Industrie. Doch die, die das alles betrifft – die Menschen in Bayerisch Kohlhof – sind alles andere als begeistert.

So auch Gertrud Holzer. Sie wohnt auf dem „Höfchen“, so nennen sie den Bayerischen Kohlhof hier. Sie ist eine flinke ältere Dame mit leuchtend roten Haaren – und wenn sie von Demokratie und Mitbestimmung spricht, dann blitzt es in ihren Augen. In diesen Tagen tut sie das wieder oft, 50 Jahre nach der Gebietsreform. Sie spricht über die Machtlosigkeit, die Enttäuschung 1974.

Gründung einer Bürgerinitiative

"Für mich war wichtig: Dort, wo ich lebe, und das war hier auf dem Höfchen, und ich bin nach Limbach zum Kaufen, ich bin zu den Ärzten, ich bin in die Kirche, ich bin in Vereine, alles war in Limbach. Und wieso soll ich jetzt nach Neunkirchen und dort auch politisch mitbestimmen?", schildert Holzer heute ihre damaligen Empfindungen.

Eine Bürgerinitiative gründet sich und das mit Erfolg, erzählt Christian Reuther vom Stadtarchiv Neunkirchen. Fünf Jahre nach der Reform kam es zu den Regierungserklärungen von Ministerpräsident Zeyer im Jahr 1979 und 1980. Darin kündigte er an, dass man sich durchaus vorstellen könnte, die Reform zu überprüfen, um Unzulänglichkeiten auszuräumen.

92 Prozent für Rückgliederung

Die Menschen in Bayerisch Kohlhof wittern Morgenluft. Während die Gemeinde Kirkel auf dem offiziellen Weg daran arbeitet, das „Höfchen“ zurückzubekommen, demonstriert die Bürgerinitiative immer wieder – und macht eine Bürgerbefragung. 92 Prozent stimmen für die Rückgliederung.

Das Thema kommt in den Landtag – und der stimmt letztendlich zu. 1985 wird Bayerisch Kohlhof wieder Teil von Kirkel-Limbach. „Die Menschen haben nicht locker gelassen", erinnert sich Holzer.

Erfolgreiche Gesetzesänderung

Die Ereignisse von damals seien für die Aktivistin ein Zeichen, dass auch Menschen von unten etwas bewirken können. "Ich, als ganz einfache Bürgerin dieses Ortes, mit anderen zusammen, habe es mit den Anderen geschafft, einfach eine Gesetzesänderung herbeizuführen. Und das tut gut.“


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