Lokalhistoriker forschen über Zwangsarbeit in Beckingen während NS-Zeit

Lokalhistoriker forschen über Zwangsarbeit während NS-Zeit

Reporter: Patrick Wiermer/Onlinefassung: Corinna Kern   11.10.2023 | 11:38 Uhr

Kleinere Firmen setzten während der Zeit des Nationalsozialismus auf Zwangs- und Fremdarbeiter. Die Geschichte der meisten Unternehmen ist noch längst nicht erforscht. Ein kleines Puzzlestück liefern jetzt die Lokalhistoriker Volker Munkes und Michael Landau. Sie erforschen die Geschichte der Zwangsarbeit beim heutigen Schraubenhersteller Nedschroef in Beckingen.

Sie heißen Bahlsen, Daimler oder Bayer. Sie gehören zu den bekanntesten deutschen Unternehmern, die in der Nazi-Zeit von der Ausbeutung von Menschen profitiert haben. Doch auch kleinere saarländische Firmen beuteten Zwangs- und Fremdarbeiter aus.

Ihre Geschichte ist bisher meist unerforscht. Ein kleines Puzzlestück ergänzen nun die Lokalhistoriker Volker Munkes und Michael Landau. Sie befassen sich seit Jahrzehnten mit den Verbrechen der Nazi-Zeit im Saarland und stießen auf das damalige Karcher-Schraubenwerk, heute Nedschroef, und dem Schicksal der Zwangsarbeit.

Karcher-Schraubenwerk in Beckingen

1942 produzierte die Firma Karcher Eisenwaren in Beckingen. Weil viele Arbeiter an der Front waren, setzte die Firma verstärkt auf Zwangs- und Fremdarbeiter. 162 Arbeiter habe man recherchieren können, über die auch Dokumente vorliegen, sagt Volker Munkes.

Mehrere Lager mit Zwangs- und Fremdarbeitern

Insgesamt dürften es jedoch deutlich mehr Zwangs- und Fremdarbeiter gewesen sein. Zwischen 1942 und 1945 unterhielt Karcher mehrere Lager. Zwei für die sogenannten Ostarbeiter, eines für italienische und ein weiteres für französische Kriegsgefangene. In der Regel handelte es sich dabei um Zwangsarbeiter, so die Historiker.

Hinzu kommen die sogenannten Fremdarbeiter, die im Ausland angeworben wurden und mehr oder weniger freiwillig kamen – und oft auch in Privathäusern wohnten. Diese unterlagen einer Gesetzgebung, die ihnen Sozialleistungen und eine Krankenversicherung zusicherte, sagt Landau.

Rechtlose Kriegsgefangene

Vollkommen rechtlos seien die Kriegsgefangenen gewesen, sagt der Lokalhistoriker. Ganz unten standen vor allem die sogenannten Ostarbeiter, viele von ihnen stammten aus der während der NS-Diktatur von Deutschland besetzten Ukraine. Ihre Ankunft wird im Bericht des damaligen Betriebsleiters der Firma dokumentiert. Darin heißt es unter anderem: "Mit verschwindend geringen Ausnahmen ist der Russe gewillt, uns als Herrenvolk anzuerkennen und sich widerspruchslos unterzuordnen."

Tote zu Kriegsende in Beckingen

Gegen Kriegsende hatten die Ostarbeiter außerdem keinen Zugang zu den Schutzeinrichtungen. In der Endphase des Krieges sei es dann zu einer Bombardierung des Werkes gekommen, die acht Zwangsarbeitern das Leben kostete, so Landau.

Viele Unternehmen verschließen sich ihrer Vergangenheit

Die Firma Nedschroef habe die Lokalhistoriker bei ihren Recherchen unterstützt, so Munkes. Doch dass sich eine Firma ihrer Vergangenheit stellt, sei keine Selbstverständlichkeit. Immer noch blockierten viele Unternehmen den Zugang zu den Firmenarchiven. Doch nur dadurch lassen sich die Verbrechen der Nazi-Zeit in den Firmen möglichst vollständig dokumentieren und einordnen.

Munkes und Landau hoffen nun, dass ihre Forschung nur der Startschuss für weitere Untersuchungen ist.

Volker Munkes und Michael Landau
Fremdarbeit / Zwangsarbeit
Nedschroef Beckingen (Hg.)
Geistkirch-Verlag
ISBN: 978-3-949983-22-1
Preis: 19,80 Euro
158 Seiten

Ein Thema in der Sendung "Region am Mittag" am 11.10.2023 auf SR 3 Saarlandwelle

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