Ein Mann stellt die Temperatur einer modernen Gasheizung herunter (Foto: picture alliance / dpa | Sven Hoppe)

Heizen im Winter: Gute Ausgangslage, aber keine Entwarnung

  12.10.2023 | 18:33 Uhr

Vor einem Jahr galt der nun kommende Winter als große Herausforderung bei der Gasversorgung. Die Befürchtungen, dass Heizungen kalt bleiben könnten, scheinen sich nicht zu bestätigen. Die Gasspeicher sind fast vollständig gefüllt, die Versorgung stabil. Ein Restrisiko bleibt dennoch.

"Die Versorgungssicherheit ist gewährleistet", heißt es auf der Internetseite der Bundesnetzagentur. Die Ausgangslage für den kommenden Winter sei deutlich besser als vor einem Jahr. Die Gasspeicher sind zu mehr als 97 Prozent gefüllt, die Gasflüsse nach Deutschland seien stabil und ausgeglichen.

"Die Ausgangssituation zu Beginn der kommenden Heizperiode ist im Hinblick auf die Speicherfüllstände und die Bezugsquellen für Erdgas deutlich besser als im vergangenen Herbst", sagte der Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, vor wenigen Tagen der Stuttgarter Zeitung.

Deutliche Rückgänge beim Verbrauch

Ähnlich bewertet der Saarbrücker Energieexperte Professor Uwe Leprich von der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Saar die Situation: "Wir können uns deutlich entspannter zurücklehnen als im vergangenen Jahr." Das liege nicht nur an den gut gefüllten Gasspeichern, sondern "auch daran, dass wir signifikante Verbrauchsrückgänge haben, sowohl im privaten Bereich als auch bei Industrie und Gewerbe".

Nach Angaben der Bundesnetzagentur lag der Gasverbrauch zum Beispiel in der letzten Septemberwoche mehr als 30 Prozent unter dem Durchschnittsverbrauch der Jahre 2018 bis 2021. Da spielen zwar auch die extrem milden Temperaturen mit rein - Energieexperte Leprich sieht aber noch einen weiteren Grund:

"Der Preisschock im vergangenen Jahr hat bei vielen zu einem Umdenken geführt", sagt Leprich. Einsparbemühungen seien deutlich forciert worden.

Gasversorgung breiter aufgestellt

Und letztlich sei auch die Versorgung breiter aufgestellt. "Wir haben die Importstrukturen diversifiziert", erklärt Leprich. Damit sei ein Teil der Lücke gefüllt worden. "Norwegen, die Niederlande und Flüssiggas aus den USA - das waren unsere Joker, um den Ausfall der russischen Gaslieferungen zu kompensieren."

Welche Restrisiken verbleiben

Komplette Entwarnung will der Saarbrücker Energieexperte - genauso wie die Bundesnetzagentur - aber nicht geben. Ein sehr kalter und strenger Winter könnte die Gasvorräte schnell schwinden lassen.

Sparsamer Verbrauch bleibe daher weiter wichtig, betont auch Bundesnetzagentur-Chef Müller. Er warnte in diesem Zusammenhang auch vor teilweisen oder vollständigen Ausfällen etwa durch Schäden an Pipelines.

Stabile Preisentwicklung - aber einige Unwägbarkeiten

Solche Schäden könnten sich auch auf die Preisentwicklung auswirken. Zwar hat sich die Lage seit mehreren Monaten stabilisiert - die Großhandelspreise bewegten sich laut Bundesnetzagentur meist unterhalb von 40 Euro pro Megawattstunde und waren damit weit von den Spitzenwerten im vergangenen Sommer entfernt. Damals kostete eine Megawattstunde mehr als 300 Euro.

Heizen im Herbst
Audio [SR 3, Steffani Balle und Frank Hofmann, 27.09.2023, Länge: 02:35 Min.]
Heizen im Herbst

Neben möglichen Pipeline-Schäden gibt es aber weitere Unwägbarkeiten. "Ein unsicherer Faktor ist zum Beispiel die Gasnachfrage in Asien", sagt Leprich. "Diesen Faktor können wir nicht kontrollieren." Auch die asiatischen Länder wollten weg von der Kohle und benötigten Gas als Brückentechnologie. Und wenn die Nachfrage dort anziehe, würden auch die Preise weiter steigen.

Verbraucherzentrale fordert, Preisbremsen beizubehalten

Grundsätzlich startet die Heizperiode in diesem Herbst auf einem deutlich niedrigeren Preisniveau als noch vor einem Jahr. Die Kosten für Erdgas liegen laut dem Vergleichsportal Verivox derzeit um durchschnittlich 43 Prozent niedriger als vor einem Jahr, Heizöl ist rund ein Viertel günstiger. Vor diesem Hintergrund rät die saarländische Verbraucherzentrale auch dazu, die Verträge mit seinem Verbraucher zu überprüfen und ggf. über einen Anbieterwechsel nachzudenken.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband und der Bundesverband der Energie und Wasserwirtschaft riefen derweil die Bundesregierung dazu auf, Klarheit beim Auslaufen der Energiepreisbremse und der Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Gas und Fernwärme zu schaffen.

"Viele Verbraucherinnen und Verbraucher zahlen aktuell noch immer höhere Energiepreise als 2021 vor der Energiepreiskrise. Eine vorgezogene Erhöhung der Mehrwertsteuer und ein Auslaufen der Energiepreisbremsen zum Jahreswechsel kämen zur Unzeit", erklärten die Verbände.

 


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