Tour de Kultur 2003: Stahlbeton und Kalter Krieg

Stahlbeton und Kalter Krieg

Ein Besuch im Museumsbunker Güdingen

Alexander M. Gross   24.07.2023 | 06:00 Uhr

So gut wie jeder Saarländer und jede Saarländerin dürfte schon mal drübergefahren sein – allerdings die meisten, ohne es zu wissen. Unter der Autobahn bei Güdingen liegt – gut versteckt – eine riesige Bunkeranlage, aus der ein Verein in jahrelanger Arbeit ein Museum gemacht hat.

Es hört sich an wie ein Soundeffekt aus einem Gruselfilm, wenn Florian Brunner die schwere Eisentür zum Bunkereingang öffnet. Erst ein dumpfer Schlag, dann ein langes Knarzen, beides wird noch lange in den stollenartigen Gängen nachhallen.

Schutzraum unter der Autobahn

Florian Brunner im Museumsbunker Güdingen (Foto: SR/Alexander M. Gross)
Florian Brunner im Museumsbunker Güdingen

Florian Brunner ist Unterwelt-Fan und hat mit anderen den Verein unterirdisches Saarland gegründet. „Das Bauwerk ist so interessant und so kurios, dass man es der Öffentlichkeit zeigen muss. Es ist wichtig zu sehen, was in den Jahren des Kalten Krieges gebaut wurde.

Es zeigt, dass Krieg keine Lösung ist und dass auch ein solches Bauwerk nicht unbedingt zum Erhalt des Friedens dient, sondern auch nur eine Placebowirkung haben kann”, sagt Florian Brunner bei einer Führung durch die Röhren aus Stahlbeton.

Gebaut unter strengster Geheimhaltung

Toilettenanlage im Museumsbunker Güdingen (Foto: SR/Alexander M. Gross)
Toilettenanlage im Museumsbunker Güdingen

Erbaut wurde der Bunker zwischen 1964 und 1972 – als Modellversuch mitten im Kalten Krieg. Mit einer perfekter Tarnung. Was da entstand, war kaum jemandem bekannt – nur die unmittelbaren Anwohner wussten Bescheid. Unter anderem deswegen ist Florian Brunner so fasziniert. „Das Bauwerk entstand unter dem Deckmäntelchen der Geheimhaltung.

Zunächst wurden auf freiem Feld über Tage die Bunkerröhren aus Stahlbeton gebaut. Als diese fertig waren, wurden die Anlage mit Formsanden der Halberger Hütte zugedeckt und dann die Autobahn A 6 drübergebaut. Nur zwei relativ unscheinbare Eingänge und ein Notausstieg sind von außen zu erkennen”, erklärt er.

28 Tage Überleben

Im Museumsbunker Güdingen (Foto: SR/Alexander M. Gross)
Im Museumsbunker Güdingen

Die Zivilschutzanlage besteht aus mehreren Gängen mit davon abzweigenden Kammern, so genannten Kavernen. Gesamtlänge rund 500 Meter. Um möglichst viele Menschen unterbringen zu können, gibt es an allen Gängen rechts und links Klappsessel, in den Kavernen zusätzlich auch ein paar Betten. In denen hätte die Saarbrücker Bevölkerung dann abwechselnd für ein paar Stunden schlafen können.

Außerdem gibt es zwei Brunnen, Toiletten, Duschen und Technik zur Stromerzeugung und Belüftung – alles ist noch da und in gutem Zustand. 1800 Menschen hätten hier rund einen Monat überleben sollen. Ob das wirklich funktioniert hätte? Florian Brunner bezweifelt das heute. Und selbst wenn: Was hätte die Menschen danach draußen erwartet?

Medikamente, Klopapier, Leichensäcke

Im Museumsbunker Güdingen (Foto: SR/Alexander M. Gross)
Weitere Sanitäranlagen

Auf die Zeit im Bunker hatte man sich anscheinend gut vorbereitet. Mit Vorräten an Trockennahrung, Toilettenpapier, Leichensäcken und noch mehr, erläutert Florian Brunner bei einer Führung durch die Lager-Kaverne. „Da sind Medikamente drin. Diabetesmedikamente, Verbandszeug, es sind aber auch Wöchnerinnenpakete drin, also wenn tatsächlich ein Kind hier unten drin auf die Welt kommen sollte.”

Seit Anfang 2023 öffentlich zugänglich

Bis 2015 wurde die Anlage noch regelmäßig gewartet, 2018 begann der Verein, unterstützt von Sponsoren, mit den Vorbereitungen zu einer musealen Nutzung. Das hieß vor allem: die gesamte Anlage grundreinigen. Anfang 2023, nachdem viele Auflagen – zum Beispiel Brandschutz – erfüllt waren, durften die ersten Besucher kommen. Der Charme des Bunkers blieb zum Glück durch die Umbauten erhalten, so dass der Aufenthalt in der spartanisch eingerichteten Bunkerröhre die Besucher bewegt. Egal ob jung oder alt.

Im Museumsbunker Güdingen (Foto: SR/Alexander M. Gross)
Gang im Bunker

„Ich glaube, dass es ein beklemmendes Gefühl gewesen wäre, mit so vielen unterschiedlichen Leuten eine gemeinsame Zeit zu verbringen. Angst hätte auch mit Sicherheit eine große Rolle gespielt”, sagt ein Güdinger, der in der Nachbarschaft wohnt und nach Jahrzehnten des Wartens endlich einen Blick in den Bunker werfen darf. Eine Besucherin ergänzt: „Ich begrüße das sehr, dass man die Anlage nicht in Vergessenheit geraten lässt. Ich verspreche mir schon eine erzieherische Wirkung und dass man sich vielleicht Gedanken macht und nicht so schnell wieder schreit ‚zu den Waffen!’ ”


Auf einen Blick


Kontakt
Unterirdisches Saarland e. V.
Hochstraße
66130 Saarbrücken
Florian Brunner
Tel.: (0681) 95 08 467
E-Mail: info@unterirdisches-saarland.de
www.unterirdisches-saarland.de

Öffnungszeiten
Führungen durch den Bunker in Güdingen gibt es für Gruppen nach Voranmeldung.

Eintritt
12,- €

Tipp
Der Museumbunker ist nicht barrierefrei und es gibt keine Toiletten. In der Anlage herrschen ganzjährig 13 Grad. Denken Sie bitte an eine Jacke.

Der Eingang liegt in der Hochstraße in Brebach-Fechingen. (Vorsicht bei Navigationsgeräten: Es gibt mehrere Hochstraßen in Saarbrücken, eventuell 66130 Güdingen eingeben!) Der Eingang liegt im Hang der Autobahntrasse. Dort sind in Fahrtrichtung ausreichend Parkplätze vorhanden.


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Ein Thema in der "Region am Mittag" am 03.08.2023 auf SR 3 Saarlandwelle.

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