"Ein rechtsstaatliches Urteil, aber es gibt einen Kritikpunkt"
Sechs Jahre und zehn Monate Haft – so lautet das Urteil im Yeboah-Prozess. 32 Jahre nach dem rassistischen Brandanschlag auf die Flüchtlingsunterkunft in Saarlouis-Fraulautern wurde der ehemalige Saarlouiser Neonazi Peter S. wegen Mordes und versuchten Mordes verurteilt. Genau die Mitte zwischen dem, was Verteidigung und Staatsanwaltschaft gefordert haben. Ein angemessenes Urteil? Dazu ein Kommentar von Thomas Gerber.
In der fast zweistündigen Urteilsbegründung blieb der Vorsitzende Richter Konrad Leitges seiner Prozessführung treu. Die Opfer vergaß er nicht. Mit einer eindrucksvollen Schilderung ließ Leitges die schrecklichen Geschehnisse der Brandnacht präsent werden. Das minutenlange, qualvolle Sterben von Samuel Yeboah, dessen Haut zu 90 Prozent verbrannt ist und dessen Finger abbricht, als ihm ein Hausbewohner Beistand leisten will.
Dass die acht Bewohner, die im Erdgeschoss zur Tatzeit Geburtstag feiern, laut Urteil nicht mehr zu den Opfern des versuchten Mordes zählen, mag schmerzen. Ist aber juristisch nachvollziehbar und dürfte vor dem Bundesgerichtshof landen. Und auch das Strafmaß ist nachvollziehbar. Sechs Jahre zehn Monate, fast exakt die rechnerische Mitte zwischen dem, was die Anklage gefordert und dem, was die Verteidigung beantragt hatte.
Keinerlei Zweifel am Tatmotiv
Wobei das Gericht beim Tatmotiv keinerlei Zweifel aufkommen ließ. S. wollte nicht bloß Randale machen, er wollte vielmehr Ausländer töten, handelte aus einer besonders verwerflichen Gesinnung heraus - ein menschenverachtender Rassist, der sich danach über seine Opfer lustig machte, sich mit seiner Tat brüstete und Zeitungsartikel wie eine Trophäe bei sich trug. Was ihm letztlich zum Verhängnis wurde.
Manch einem Beobachter steckte in der Urteilsbegründung dennoch zu viel Verständnis für den Täter. S. habe damals mit 20 in den Tag hinein gelebt. Emotional unterversorgt habe er bei den Skins seine Ersatzfamilie gefunden, sagte Richter Leitges. Und begründete unter anderem so, dass das Jugendstrafrecht anzuwenden sei. Bei aller Verwerflichkeit der Tat!
Ein rechtsstaatliches Urteil
Gerade das Abwägen zwischen dem, was gegen, und dem, was für den Angeklagten spricht, macht die unabhängige Justiz aus. Also kein Empörungsurteil sondern eines, wie es sich für einen Rechtsstaat gehört, der sich nicht zuletzt daran misst, wie er mit seinen Feinden umgeht.
Der Kritikpunkt
In einem Punkt schossen die Koblenzer Richter allerdings übers Ziel hinaus. Obwohl auch sie über die Oberflächlichkeit der Ermittlungen im rechten Milieu schier verzweifelt schienen, sprachen sie Staatsanwälte und Kripobeamte von damals quasi frei. Es habe zwar Pannen gegeben, aber die seien für die rasche Einstellung der Ermittlungen nicht entscheidend gewesen, sondern die Mauer des Schweigens unter den Neonazis.
Die Koblenzer Richter nahmen damit quasi das Ergebnis des Untersuchungsausschusses vorweg. Das aber gehört sich nicht für eine unabhängige Justiz.
Mehr zum Yeboah-Prozess
Ein Thema in der "Region am Mittag" am 10.10.2023 auf SR 3 Saarlandwelle