Tour de Kultur 2018: Auf den Spuren von Willi Graf in Saarbrücken (Foto: Oliver Buchholz/SR)

"Jeder Einzelne trägt die ganze Verantwortung"

Auf den Spuren von Willi Graf in Saarbrücken

Oliver Buchholz   12.07.2018 | 12:50 Uhr

Das soll der NS-Widerständler Willi Graf gesagt haben. Er ist in Saarbrücken aufgewachsen. Darum feiert die Landeshauptstadt in diesem Jahr seinen 100. Geburtstag. SR 3-Reporter Oliver Buchholz hat sich auf den Weg gemacht und in der Saarbrückern Innenstadt nach Spuren von Willi Graf gesucht.



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Tour de Kultur: Auf den Spuren von Willi Graf in Saarbrücken
Audio [SR 3, Oliver Buchholz, 12.07.2018, Länge: 02:55 Min.]
Tour de Kultur: Auf den Spuren von Willi Graf in Saarbrücken

Wo heute ein Kletterzentrum zu finden ist, hat vor knapp einhundert Jahren die Familie Graf in Saarbrücken gelebt. Auch heute noch trägt das Haus in der Mainzer Straße den Namen Johannishof. Es ist Startpunkt der Tour. Das Gebäude war der Lebensmittelpunkt von Willi Graf in seiner Zeit in Saarbrücken. Die Familie Graf ist 1922 mit dem damals vierjährigen Willi dort eingezogen. Gerhard Graf, der Vater von Willi, hat die Geschäftsleitung des Johannishofes, einer Weinhandlung mit Saalvermietung, übernommen.

Willi Graf war ein sehr familienbezogener Mensch, auch wenn er mit seinem Vater zunehmend Differenzen hatte. Dieser war zwar kein überzeugter Nationalsozialist, ist aber der NSDAP beigetreten, um seine Geschäfte nicht zu gefährden.

Ein Jugendlicher wie viele in Saarbrücken

Tour de Kultur: Jeder Einzelne trägt die ganze Verantwortung (Foto: Oliver Buchholz)
Gedenken an Willi Graf

Der weitere Weg führt an der Mainzer Straße 11 vorbei. Dort wurde 1906 Wolfgang Staudte geboren, der sich als Filmregisseur im Nachkriegsdeutschland einen Namen gemacht hatte. Er setzte sich gegen Krieg und Diktatur ein und forderte jeden Einzelnen dazu auf, sich für Frieden und Demokratie stark zu machen.

Von Staudts Geburtshaus aus ist es durch die Obertor- und Türkenstraße nur noch ein Katzensprung bis zur Basilika St. Johann. Willi Graf ist dort Messdiener gewesen. Eine Tafel und eine weiße Rose erinnern unter der Empore an den NS-Gegner. Bis hierher könnte man den Eindruck gewinnen, Willi sei ein Jugendlicher wie viele andere in Saarbrücken gewesen.

Glaube führte zum Widerstand

Tour de Kultur 2018: Auf den Spuren von Willi Graf in Saarbrücken (Foto: Oliver Buchholz/SR)
Wohnung und Weinhandlung der Grafs im Johannishof in Saarbrücken

Nach seiner Zeit als Messdiener engagierte sich Willi Graf in der katholischen Jugendorganisation Neudeutschland. Als diese 1935 verboten wurde, schloss er sich dem Grauen Orden, einer kleinen Gruppe an, die die Traditionen der katholischen Jugend im Untergrund weiterpflegten. Spätestens als  Willi auf das Abitur zusteuerte, zeigte sich seine Abneigung gegenüber dem NS-Regime: Zwar legte er 1937 am Ludwigsgymnasium in Alt-Saarbrücken die allgemeine Hochschulreife ab. Das war aber mit einigen Schwierigkeiten verbunden. Seine Lehrer wollten ihn nämlich zunächst nicht zur Prüfung zulassen, weil er sich weigerte, der Hitler-Jugend beizutreten.

Durch die Kappenstraße geht es über den Sankt-Johanner-Markt zum Gasthaus Stiefel. Dort haben sich politisch und religiös Verfolgte und Nazi-Gegner getroffen. Auch Willi Graf und der Graue Orden waren im Gasthaus mehrfach zu Beratungen zusammengekommen.

Tour de Kultur: Jeder Einzelne trägt die ganze Verantwortung (Foto: Oliver Buchholz)
Büste von Willi Graf

Im Herbst 1937 nahm Willi Graf in Bonn ein Medizinstudium auf. Nach Kriegsausbruch wurde er zur Wehrmacht einberufen und zum Sanitätssoldaten ausgebildet. Sein Studium setzte er in München fort. Dort lernte er 1942 Sophie und Hans Scholl kennen. Allmählich führten ihn die beiden in die Widerstandstätigkeiten der Weißen Rose ein. Im Dezember 1942 wirkte Willi Graf erstmals an der Erstellung eines Flugblattes der Gruppe mit. Nach der Verbreitung des sechsten Flugblattes am 18. Februar 1943 wurden die Geschwister Scholl verhaftet. Noch am selben Abend wurde auch Willi und seine Schwester Anneliese von der Gestapo festgenommen.

Eine Erinnerung - in der Saar versenkt

Das nächste Ziel des Rundgangs ist das Rathaus St. Johann. Am 12. Oktober 2003 wurde Willi Graf posthum zum Saarbrücker Ehrenbürger ernannt. Ein halbes Jahr später wurde im Treppenhaus eine Bronze-Büste von Willi Graf eingeweiht. Sie wurde vom Saarbrücker Künstler Hans Schröder angefertigt.

Seit März 2018 gibt es im Rathaus in der Galerie der Ehrenbürger auch ein Porträt von Willi Graf. Juliana Hümpfner hat es im Auftrag der Stadt gemalt. Es zeigt Willi in privater Kleidung und mit einer Pfeife im Mund. Ob er tatsächlich eine Pfeife besessen hatte, ist ungewiss. Die anderen männlichen Mitglieder der Weißen Rose waren aber als Pfeifenraucher bekannt. Die Pfeife auf dem Gemälde wird so zum Zeichen von Willi Grafs Mitarbeit in der Weißen Rose. Besucher können das Bild im Gang gegenüber dem Festsaal betrachten.

Porträt von Willi Graf, der damaligen Zeit nachempfunden.  (Foto: Oliver Buchholz)
Porträt von Willi Graf, der damaligen Zeit nachempfunden. Künstlerin: Juliana Hümpfner

Das Saarbrücker Schloss ist die nächste Station der Tour. Der Weg dorthin führt über die alte Fußgängerbrücke über die Saar. Übrigens liegt irgendwo auf dem Grund des Flusses noch eine Druckmaschine von Willi Graf. Er hatte sie zerlegt zu seinen Freunden in Saarbrücken transportiert. Mit der Maschine wurden Flugblätter hergestellt. Als Willi Graf verhaftet wurde, haben die Freunde das Gerät in die Saar geworfen, um Spuren zu beseitigen.

Seit 1946 ist sein Grab in Saarbrücken

Tour de Kultur 2018: Auf den Spuren von Willi Graf in Saarbrücken (Foto: Oliver Buchholz/SR)
Ehrengrab auf dem Friedhof St. Johann in Saarbrücken

Im Nordflügel des Schlosses befand sich die Gestapo-Zentrale in Saarbrücken. Dort fanden Verhöre und Folter statt. Auch wenn Willi Graf dort nie verhört wurde, wird an diesem Ort die Grausamkeit, gegen die er sich einsetzte, greifbar. Im Keller der Anlage können Besucher eine der ehemals vier Gestapo-Zellen besichtigen. Die Zelle ist heute Teil der NS-Ausstellung des Historischen Museums Saar. Dort gibt es auch weitere Informationen zu Willi Graf und den NS-Widerständlern in Saarbrücken.

Willi Graf wurde am 12. Oktober 1943 in München hingerichtet und zwei Jahre später auf dem Alten Friedhof St. Johann (Am Bruchhübel) beerdigt. Ursprünglich wurde er in München beigesetzt. Im Jahr 1946 wurden seine sterblichen Überreste auf Wunsch der Familie exhumiert und am vierten  November in Saarbrücken in einem Ehrengrab beigesetzt. Der Friedhof ist zweieinhalb Kilometer vom Schloss entfernt. Ein Besuch dort lohnt sich aber auf alle Fälle. Neben dem Familiengrab der Grafs gibt es dort eine Gedenkstätte mit Fotos und der Geschichte von Willi Graf. Sitzgelegenheiten in der Gedenkstätte und auf dem Friedhof laden zum Verweilen und Gedenken an den Saarbrücker Widerständler ein.

Das wahrscheinlich größte Verdienst Willi Grafs ist an keiner Sehenswürdigkeit, an keinem Gebäude oder Ort festzumachen: Er war dem Widerstand immer treu, hat in keinem Verhör und unter keiner Folterandrohung seine Freunde und Mitwiderständler verraten. In der Landeshauptstadt tragen außerdem zwei Schulen, eine Straße und ein Seniorenheim den Namen des NS-Gegners.

Kontakt

Geographie ohne Grenzen e. V.
Haus der Umwelt
Evangelisch-Kirch-Straße 8
66111 Saarbrücken
Tel.: (0681) 30 14 02 89
E-Mail: info@geographie-ohne-grenzen.de
www.geographie-ohne-grenzen.de

Öffnungszeiten

Weg ist ganzjährig durchgehend begehbar.
Das Saarbrücker Rathaus ist an Werktagen von 8.30 - 18.00 Uhr geöffnet.
Das Historische Museum Saar hat außer montags von 10.00 - 18.00 Uhr geöffnet.
Der Friedhof St. Johann ist im Sommer von 7.00 - 20.00 Uhr geöffnet.

Eintritt

Der Eintritt zu den Sehenswürdigkeiten ist frei.
Der Besuch des Historischen Museums Saar kostet 6,- € für Erwachsene, ermäßigt 3,- €,
für Jugendliche bis 18 Jahre ist er frei.

Führungen:
Werden durch Bernhard Fox angeboten. Am 4. August um 14.30 Uhr startet eine Tour. Weitere Termine sind auf Anfrage möglich.

Anfahrt

A 620 Ausfahrt 18, über Bismarck­brücke, links in Großherzog-Friedrich-Straße einbiegen. Parken auf Landwehrplatz. Von dort aus ist der Startpunkt der Tour (Mainzer Straße 30) fußläufig zu erreichen.

Tipp:

Ein weiterer Ort im Leben von Willi Graf ist das Ludwigsgymnasium (Stengelstraße 31), an dem er 1937 das Abitur ablegte.



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