Tour de Kultur 2018: Straße Ligier Richier - Auf den Spuren des lothringischen Renaissance-Bildhauers (Foto: Stephanie Prochnow)

Straße Ligier Richier

Auf den Spuren des lothringischen Renaissance-Bildhauers

Stephanie Prochnow   25.07.2018 | 11:21 Uhr

Lebendig und zutiefst menschlich – so wirken die Skulpturen des Renaissance-Bildhauers Ligier Richier, der in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts in Lothringen lebte. Dort stehen auch heute noch die meisten der rund 13 ihm zugeschriebenen Werke. Ligier Richier hatte vor allem für den Herzog von Lothringen und Kirchen gearbeitet. Und das so qualitätsvoll, dass die Legende ihn sogar zum Schüler Michelangelos stilisierte. Eine vom Tourismusbüro geschaffene „Route Ligier Richier“ verbindet sechs Orte im Departement Meuse, in denen seine Werke stehen.



Vieles über Ligier Richier liegt verborgen im Dunkel der Geschichte. 451 Jahre ist es nun her, dass der begnadete lothringische Bildhauer starb. Soviel steht fest, aber sonst ist wenig gesichert. Schriftliche Dokumente gibt es kaum. Bei keiner der Skulpturen, die ihm zugeschrieben werden, existiert ein eindeutiger Beweis für seine Urheberschaft. Aber es gibt Indizien – im Stil seiner Werke: Die Figuren wirken lebendig. Die Gesichtszüge sind äußerst genau gemeißelt, die Faltenwürfe und Details der Kleidung sind fein und grazil.

Am besten begibt man sich selbst auf Indizien-Suche und folgt den Spuren des Meisters – bei einer Fahrt durch das Département Meuse. Die meisten der dreizehn Ligier Richier zugeschriebenen Werke finden sich hier – in Saint-Mihiel, Bar-le-Duc und einigen kleineren Ortschaften. Zwei 145 beziehungsweise 117 Kilometer lange, ausgeschilderte Routen verbinden die Orte miteinander. Diese Route Ligier Richier wurde vor einigen Jahren vom Tourismusverband eingerichtet und 2017 anlässlich des 450. Todesjahres sozusagen wiederbelebt:

Emotionen beim Frühwerk von Richier

Tour de Kultur 2018: Straße Ligier Richier - Auf den Spuren des lothringischen Renaissance-Bildhauers (Foto: Stephanie Prochnow)
Grablegung Christi

Ausgangspunkt könnte beispielsweise das pittoresk auf einem Felsvorsprung gelegene Hattonchâtel sein. Hier in der Stiftskirche Saint-Maur steht eine Passionsszene mit Kreuztragung, Kreuzigung und Beweinung, datiert durch eine Inschrift auf das Jahr 1523. Experten sehen darin das Frühwerk Ligier Richiers, der damals erst 23 Jahre alt war. Jede Figur hat einen anderen Ausdruck. Obwohl keine größer als 40 Zentimeter ist, kann man genau die Gefühle erkennen – die Trauer ist allgegenwärtig.

Weiter geht es nach Bar-le-Duc. Hier finden sich am Hauptplatz der Altstadt – in der Kirche Saint-Etienne – gleich zwei seiner Werke: Im Chor eine Kreuzigungsgruppe aus bemaltem Holz. Ligier Richier arbeitete mit vielen Materialien. Beeindruckend auch hier: Das Leiden wird spürbar – in der Verkrümmung der Körper, im Ausdruck der Gesichter.

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Direkt daneben sein wohl bekanntestes Werk Das Skelett. as Grabmal wurde für das Herz von René von Châlons, Prinz von Oranien und Ehemann Anna von Lothringens, erschaffen. Er starb 1544 mit 25 Jahren im Kampf. Das Werk ist einzigartig. Verwesende Körper wurden sonst liegend dargestellt. Hier steht der Verstorbene, das Herz in der Hand zum Himmel gestreckt, als wolle er es hingeben. Wahrscheinlich ist die Statue eine Allegorie der Auferstehung.

Das Spätwerk: kolossal

Krönender Abschluss der Rundfahrt könnte das an der Maas gelegene Saint-Mihiel sein. Hier wurde Ligier Richier 1500 geboren, hier hat er die meiste Zeit seines Lebens verbracht. In zwei Kirchen sind noch seine Werke zu bewundern: die Ohnmacht Mariens in der Kirche Saint-Michel und die Grablegung Christi in der Kirche Saint-Etienne – sein kolossales Spätwerk. Entstanden zwischen 1554 und 1564. Zwölf überlebensgroße Figuren staffeln sich um den toten Heiland. Alles ist in Bewegung. Belebt bis ins Detail.               

Tour de Kultur 2018: Straße Ligier Richier - Auf den Spuren des lothringischen Renaissance-Bildhauers (Foto: Stephanie Prochnow)
Erst seit kurzem zu sehen: Eine Statue der Heiligen Elisabeth

Seit vergangenem Jahr gibt es in Saint-Mihiel noch eine „neue“ Statue zu entdecken, die sich Jahrzehnte in Privatbesitz befand und durch ein Vermächtnis in das Museum für Sakrale Kunst gelangte: eine Heilige Elisabeth. Ein Expertenrat konnte sie anhand stilistischer Indizien Ligier Richier zuordnen. Vor allem die Verzierung der Kleidung fällt ins Auge: eine Spange, die das Gewand hält, eine Schleife und die fein auf den „Stoff“ gemeißelten Ornamente – das alles findet sich auch bei Figuren der Grablegungs-Szene einige Straßen weiter. Hier lohnt der genaue Vergleich und die kunsthistorische Detektivarbeit.

Terracotta-Decke als Hinweis

Tour de Kultur 2018: Straße Ligier Richier - Auf den Spuren des lothringischen Renaissance-Bildhauers (Foto: Stephanie Prochnow)
Eine Cassettendecke aus Terracotta könnte auf den Künstler hinweisen


Wer möchte, kann seit kurzem auch Ligier Richiers Wohnhaus in Saint-Mihiel besichtigen. Der derzeitige Besitzer Francis Rembert wohnt in der ersten Etage und empfängt gerne und sogar kostenlos Besucher – nach Terminabsprache. Ob es sich bei dem Gebäude allerdings wirklich um Haus und Atelier des Bildhauers handelt, ist – wie könnte es anders sein – nicht gesichert. Zwar ist ein Kaufakt von 1535 auf Ligier Richier und seine Frau Marguerite Rouyer überliefert.

Doch die Straßennamen haben sich geändert. Eine genaue Identifizierung ist nicht möglich. Sicher ist jedoch, dass die Terracotta-Kassettendecke im Erdgeschoss aus der Renaissance stammt – und in Frankreich in ihrer Art einzigartig ist. Die Ornamente ähneln denen auf der Kleidung von Ligier Richiers Skulpturen. Vielleicht entstand die Decke also in seiner Werkstatt? Wer weiß das schon. Auf jeden Fall lohnt sich die Spurensuche.

Kontakt

Tourisme Meuse
33, rue des Grangettes
F-55000 Bar-le-Duc
Tel.: (00333) 29 45 78 40
Fax:(00333) 29 45 78 45
E-Mail: contact@tourisme-meuse.com
www.tourisme-meuse.com
Broschüre im Internet unter: https://de.calameo.com/read/0000454397305846516a2

Haus Ligier Richiers
7, rue haute des Fosses
F-55300 Saint-Mihiel
Besitzer Francis Rembert
E-Mail: francis.rembert56@outlook.fr
Tel.: (00336) 83 40 44 99

Öffnungszeiten/Termine

Die Kirchen sollten zwischen dem 1. Mai und 30. Sept. mindestens an Wochenenden und an Feiertagen – in Saint Mihiel auch unter der Woche – geöffnet sein. In den kleineren Orten ist das nicht immer der Fall. Um sicher zu gehen, am Besten vorher beim Tourismusbüro nachfragen.
In der Kirche von Bar-le-Duc kann über das Tourismusbüro eine Führung auf Deutsch organisiert werden. An den anderen Orten gibt es Führungen nur auf Französisch.

Eintritt/Preise

Der Eintritt in den Kirchen und in das Haus von Ligier Richier ist frei.

Anfahrt

Von Saarbrücken fast zwei Stunden. Über die A 4 Richtung Metz. Dann weiter auf der N 431, D 12 und D 901 nach Saint-Mihiel.



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