„Kleine Brötchen“
Brunners Welt - die politische Glosse der Woche zum Nachlesen und Nachhören
Sendung: Freitag 19.05.2023 16:45 Uhr
Nr. 936
Nicht dass Sie denken, ich hätte was gegen Brötchen. Aber so was von im Gegenteil! Ein Frühstück ohne die knusprige Backware ist zwar möglich, aber sinnlos – um einen berühmten Ausspruch des ebenfalls berühmten Loriot abzuwandeln. Insofern würde auch nur der Versuch, diese Krone der Backkunst zu verbieten, mich postwendend, noch vor dem Frühstück, auf die Straße, den Platz und notfalls die Barrikade treiben. Der deutsche Michel hat ebenso wie die deutsche Micheline ein Recht auf Mohn- , Sesam- oder Körnerbrötchen, Doppel- oder Milchweck ebenso wie Elsässer, Krusti und wie sie alle heißen.
Gut, auf die komischen Grahambrötchen könnte ich problemlos verzichten. Aber bitte: „Ich verachte Ihr Brötchen, aber ich gäbe mein Leben dafür, dass Sie es kaufen dürfen.“ Soll ja schon Voltaire gesagt haben. Hat er aber nicht. Egal, glücklicherweise ist bislang in unseren Landen noch nichts von einem drohenden Brötchenverbot zu hören gewesen. Nicht einmal die Grünen, die ja bekanntlich alles verbieten wollen außer veganen Heizungen und Lastenfahrrädern, haben Hand an die krosse Kruste gelegt. Allerdings hört man im Zuge der Wahl-Nachwehen aus Bremen, dass die dortige Mobilitätssenatorin Maike Schaefer, selbstverständlich von den Grünen, zumindest schon mal die Brötchentaste an den bremischen Parkautomaten abmontiert hat. Skandal! Wehret den Anfängen! Erst stirbt die Taste, dann der Weck!
Klar, dass diese Schandtat sofort die FDP, das kleinste zur Wahl stehende Brötchen der Hansestadt, sowohl Zeter als auch Mordio schrie. Und zielsicher das hinter der Tastenaktion stehende oder liegende existentielle Großproblem erkannte: Das Auto in der Innenstadt! Aus ideologischen Gründen geschmäht, gedisst, gemobbt und überhaupt. Da ist liberaler Einsatz geboten! Verständlich – wie sollten denn die immerhin noch fünf verbleibenden Bürgerschaftsmitglieder der gelben Kleinpartei sonst ins Rathaus kommen? Bräuchten sie gar nicht, fanden zwar fast 95 % der Wähler:innen, aber das hieße ja nun wirklich das Brötchen mit dem Buttermesser aufschneiden. Gerade an diesen Zahlen zeigt sich die Wichtigkeit der Partei! Christian Lindner: „Es gab keine direkte Machtperspektive für die FDP, sie ist also um ihrer selbst willen bestätigt worden.“ Und davon träumt doch jede und jeder.
Aber zurück zum Bäcker. Und zwar mit dem Auto in die Innenstadt. Gegen die allgemeine Fahrtrichtung. Auch wenn tatsächlich die Brötchentasten nur an wenigen Automaten überhaupt verfügbar waren und auch nur von durchschnittlich fünf Personen am Tag genutzt wurden: Der Kampf geht weiter! Es ist kein Ärgernis zu klein, dass nicht ein Wahlkampfthema könnte sein. Inzwischen fordert die FDP nicht nur die sofortige Wiedereinführung der Taste sondern auch das Halten im eingeschränkten Halteverbot von drei auf fünf Minuten auszuweiten. Und zwar bundesweit. Weil sonst der Tod des Einzelhandels droht. In Wahrheit, sagen aktuelle Untersuchungen, bringen Radfahrer und Fußgänger den größten Teil des Umsatzes in den Innenstädten. Und: Der kaufwillige Kunde will schlendern und bummeln und zwar nicht zwischen parkenden Autos auf engen Gehsteigen. Wer hätte das gedacht?
Meine Nachbarin Barscheck hat noch eine Rechenaufgabe für die marode Bremer Grundschule: Mama isst morgens zwei Brötchen, Julia eins, Emil drei und Papa auch zwei. Wieviel Brötchen bringt er also vom Bäcker mit? Ist aber sogar für Bremen zu einfach: Natürlich keins, weil Papa mit dem SUV ja keinen Parkplatz vor dem Geschäft findet. Gibts halt mal wieder Knäckebrot vom Aldi.
Ein Thema in der Sendung "Der Nachmittag" am 19.05.2023 und in "Der Morgen" am 20.05.2023 auf SR 2 KulturRadio.
Brunners Welt
Jeden Freitagnachmittag in "SR 2 - Der Nachmittag" und als Wiederholung jeden Samstagmorgen gegen 8.40 Uhr in "SR 2 - Der Morgen"!
Brunner hält für SR 2 die Augen offen. Und wenn er was nicht mitkriegen sollte, dann wird ihn Frau Barscheck, seine Nachbarin, schon mit der Nase drauf stoßen. Dann kann er sich nämlich seine Gedanken darüber machen, was wichtig ist und wo die Trends der Zeit zu spüren sind.