Die Universität des Saarlandes in Saarbrücken (Foto: Luftbildcentrum)

1998 – Eine Universitätsreform sorgt für Ärger im Saarland

Jonathan Janoschka   21.12.2020 | 14:08 Uhr

Prinzipiell leistungsfähig sei die Universität des Saarlandes (UdS), stellenweise sogar gut, insgesamt aber zu schlecht ausgestattet und an der „Grenze zur Verwahrlosung“. So fasste der Berliner Juraprofessor Dieter Simon den Zustand der wichtigsten Hochschule des Saarlandes Ende März 1998 zusammen.

Simon hatte ein Jahr lang eine Sachverständigenkommission geleitet, die untersuchen sollte, wie die UdS modernisiert werden kann. Den Auftrag dazu hatte er vom saarländischen Wissenschaftsminister Henner Wittling und seinem rheinland-pfälzischen Amtskollegen Jürgen Zöllner (beide SPD) bekommen. Dabei sollten die Sachverständigen auch ausloten, in welchen Bereichen die Universität in Saarbrücken mit der TU Kaiserslautern und der Universität in Trier zusammenarbeiten könnte.

Bündelung und Wegfall vieler Fachbereiche

Nicht nur die Bestandsaufnahme fiel für die UdS hart aus, auch die vorgeschlagenen Einschnitte stießen auf viel Kritik aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft. Aus Sicht der Sachverständigen war die Lehrerausbildung in Saarbrücken „verzichtbar“, könne also abgeschafft werden. Ebenso die Fachbereiche Biologie, Pharmazie und Theologie. Die Biogeografie solle nach Trier verlagert werden, Saarbrücken den Schwerpunkt „Umweltwissenschaften“ aufgeben.

Stattdessen sollten die verbliebenen Fächer neu geordnet werden, die Stärken der Universität, etwa im Bereich der Material- und Werkstoffwissenschaften, ausgebaut werden. Die Reformvorschläge sahen etwa die Bündelung von Rechts- und Wirtschaftswissenschaften vor, einen Fachbereich Kognition aus Psychologie und Philosophie oder den Fachbereich Interkulturelle Kommunikation, in dem die Sprachwissenschaften anwendungsorientierter gebündelt werden sollten.

Abschaffung der Lehrerausbildung stark in Kritik

Bei der Vorstellung der Empfehlungen sprach der saarländische Wissenschaftsminister Wittling im aktuellen bericht des SR von einer „wichtigen Weichenstellung“ für die Universität und einer „Chance, die es zu ergreifen gilt“. Er versprach auch, dass die Landesregierung bis Herbst 1998 ihre Pläne für die Universität in Form eines Gesetzes vorlegen werde.

Die Studierendenvertretung AStA, die im Wintersemester `97/`98 teilnehmerstarke Proteste für eine bessere finanzielle Ausstattung der Hochschule organisiert hatte, schlug Alarm: In Zeiten, in denen ohnehin diskutiert werde, ob das Saarland als Bundesland abgeschafft werden soll, dürfe die Landesregierung das nicht noch vorantreiben. Gemeint war vor allem das vorgeschlagene Ende der Lehramtsstudiengänge. (Hoch-)Schulbildung ist in Deutschland Aufgabe der Bundesländer, ebenso wie Kultur und Rundfunk.

Durch die sogenannte „Kulturhoheit der Länder“ können die Bundesländer mit eigenen Gesetzen Schwerpunkte bei der Schul- oder Kulturpolitik setzen. Hätte das Saarland die Lehramtsstudiengänge abgeschafft, wäre es das einzige Bundesland geworden, das nicht mehr selbst seine zukünftigen Lehrerinnen und Lehrer ausbildet. Die vorgeschlagene Abschaffung der Lehrerausbildung kritisierte damals auch der SR-Journalist Franz

Reform am 1. Oktober 1998 beschlossen

Jansen in einem Kommentar für den aktuellen bericht: Die Kulturhoheit sei eines der wenigen fundamentalen Rechte der Länder. Wer das über Bord werfe, könne sich auch gleich selbst abschaffen. Modernisierung sei zwar generell gut, aber die Kürzungspläne würden das Ende der Volluniversität bedeuten.

Am 1. Oktober 1998 war es soweit. Das Kabinett segnete die geplante Reform ab. Und die hatte es in sich. Beschlossen wurde, dass Volkswirtschaftslehre als eigenes Fach abgeschafft wird. Ebenso Orientalistik, Slawistik und die Sozialwissenschaften. Das dadurch eingesparte Geld sollte zurück an die Universität fließen. Wissenschaftsminister Wittling verwies im Fall der Sozialwissenschaft auf Trier. Dort werde es die weiter als eigenes Fach geben, was ein Grund dafür gewesen sei, sie in Saarbrücken zu streichen. Dafür wurde an der UdS die Zahnmedizin erhalten, die zeitweise ebenfalls zur Disposition stand.

Diskussionen mit Ministern unfruchtbar

Der damalige Universitätspräsident Günther Hönn nannte insbesondere die Streichung der Volkswirtschaftslehre falsch, aber die Hochschule müsse nun damit leben, was die Politik entschieden habe. Er hoffte zugleich, dass mit den Kürzungen auch die seit Jahren immer wieder aufkommenden Diskussionen über einzelne Fächer beendet werden würde. Der AStA war überhaupt nicht zufrieden mit den Kürzungen. Alle Diskussionen, die mit dem Minister geführt worden waren, seien unfruchtbar gewesen. Die Interessen der Studierenden, etwa die Sozialwissenschaften zu erhalten, seien ignoriert worden. Ein von den Studierenden erarbeitetes eigenes Zukunftskonzept für die Uni war unbeachtet geblieben.

Die Grünen im Saarland sahen die UdS auf dem Weg zur TU, die CDU-Landtagsopposition kritisierte den „enormen Investitionsbedarf“ der Hochschule und auch in der Saar-SPD waren nicht alle mit den Plänen einverstanden.

Teilweise gravierende Mängel an Unigebäuden

Musste das Land sparen, wurde auch später immer mal wieder der Rotstift am Etat der Universität angesetzt. Etwa im Zuge der Bologna-Reformen oder bei der Einführung und Wiederabschaffung der Studiengebühren. Die 1998 von den Sachverständigen festgestellte „Grenze der Verwahrlosung“ ist zumindest bei einigen Gebäuden auf dem Saarbrücker Campus mittlerweile längst überschritten worden – so steht etwa das größte Gebäude der Philosophischen Fakultät seit Jahren leer – wegen massiver Mängel am Brandschutz. Bis ein Ersatzbau steht, wird es noch einmal mehrere Jahre dauern.

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