Tafel: Vor ab - Bitte gedulden Sie sich. (Foto: SR)

Die Anfänge der aktuellen Landesberichterstattung im SR-Fernsehen: Es begann mit der „Abendschau“

 

Auch wenn der „aktuelle bericht“ bereits rund ein halbes Jahrhundert lang über das Geschehen im Saarland und in der Großregion informiert: die älteste SR-Fernsehsendung mit tagesaktueller Landesberichterstattung ist er nicht. Drei Vorgängersendungen hatte er: die „Abendschau“, „Hüben und drüben“ und „Aktuelles von hüben und drüben“. Es war die Pionierzeit des SR Fernsehens.

Von Axel Buchholz

Als an Silvester 1956 um Mitternacht die ersten Böller krachten, war es so weit: Das halbautonome Saarland gehörte fortan politisch zur Bundesrepublik Deutschland. Die Landespolitik hatte den SR auf diese „kleine Wiedervereinigung“ vorbereitet. Einen Monat zuvor wurden vom Landesparlament (mit „Gesetz über den Saarländischen Rundfunk“ vom 27. November 1956) die Weichen für seine Zukunft gestellt. Danach war ab 1. Januar 1957 null Uhr der Saarländische Rundfunk nun eine „gemeinnützige Anstalt des öffentlichen Rechts“ – so wie damals alle Sender in der Bundesrepublik Deutschland. Bis dahin war der SR (Radio Saarbrücken) ein als GmbH organisierter staatlicher Landessender gewesen.

Das Logo des SR als nun öffentlich-rechtlicher Sender (Zum Vergrößern bitte anklicken)

Als Rechtsnachfolger übernahm der nun öffentlich-rechtliche SR seinen Vorgängersender mitsamt der Mitarbeiter, der Technik und (als Pächter von der Kirche) auch das Funkhaus „Wartburg“. Er konnte damit im Hörfunk erst einmal ein etabliertes Radioprogramm im Wesentlichen fortsetzen.

telesaar Logo (Foto: SR)
Das Logo des ersten Fernsehsenders an der Saar

Im Fernsehen war die Situation eine andere: Da gab es nichts, was man hätte übernehmen können. „Radio Saarbrücken“, der bisherige SR, hatte kein Fernsehprogramm gehabt. Schwieriger noch: Im Saarland war seit dem 23. Dezember 1953 (Eröffnungssendung) der kommerzielle Fernsehsender „Telesaar“ etabliert. Er sendete noch bis zum 15. Juli 1958 weiter. Im täglich etwa dreistündigen Unterhaltungs- und Werbeprogramm gab es neben einer hauptsächlich überregionalen „Tageschau“ immer wieder auch regionale Berichte, erinnert sich die damalige „Telesaar“-Mitarbeiterin Christl Ohnesorg, die dann zum SR Fernsehen wechselte.

Aus dem Nichts heraus musste der SR also ein eigenes Fernsehprogramm aufbauen. Das war ein Kraftakt sondergleichen. Es fehlte dem SR an TV-Sendern (und Frequenzen) zur Übertragung, an Studios zur Produktion, der gesamten technischen Ausstattung, an fernseherfahrenen Mitarbeitern und – damals besonders – an Geld, um all das zu beschaffen.

Baustelle Göttelborn (Foto: SR)
Besuch der Baustelle des SR-Fernsehsenders auf der Göttelborner Höhe

Die Starthilfe des benachbarten Südwestfunks (SWF, heute: SWR) war deshalb hoch willkommen. Der lieh dem SR einen Fernsehsender, der auf dem Saarbrücker Schwarzenberg installiert wurde und nur über eine geringe Reichweite verfügte. Zudem konnte er wegen eines rundfunkpolitischen „Wellenkrieges“ mit der Muttergesellschaft des Privatsenders „Telesaar“ (der Europäischen Rundfunk- und Fernseh-AG) nur mit längeren Unterbrechungen genutzt werden. Ab Mitte 1958 kam dann noch der ehemalige „Telesaar“-Sender auf dem Saarbrücker Eschberg hinzu. Die Empfangssituation im Saarland besserte sich ganz wesentlich aber erst, nachdem am 22. Oktober 1959 der neue Großflächen-Fernsehsender des SR auf der Göttelborner Höhe in Betrieb genommen werden konnte.

Sender Göttelborn (Foto: Oettinger)
Am 22. Oktober 1959 nimmt SR-Intendant Dr. Franz Mai den neuen Großflächen-Fernsehsender des SR auf der Göttelborner Höhe in Betrieb.

Keine Probleme hatte der SR damit, die Saarländer – soweit halt technisch möglich – mit dem überregionalen ARD-Programm zu versorgen. Als zukünftiger Sender der bundesdeutschen „Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland“ (rechtlich ab 1960) konnte er das ARD-Abendprogramm vorerst komplett übernehmen. Erst ab 1962 begann der SR damit, freiwillig einzelne eigene Sendungen ins ARD-Programm zuzuliefern. Ab Januar 1963 war er dann mit einem Anteil von drei Prozent dazu verpflichtet.

Beim Regionalprogramm am Vorabend dagegen stand der SR unter großem Druck. Es wurde von jedem ARD-Sender allein gestaltet, denn das ARD-Programm wurde dafür auseinander geschaltet. Also musste da der SR möglichst schnell ein saarländisches Landesprogramm auf die Beine stellen, um damit das bisherige Angebot von „Telesaar“ zu ersetzen.

Mindestens ebenso wichtig war aber: Fernsehwerbung durften (und dürfen) die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nur am Vorabend ausstrahlen. Der SR brauchte die Einnahmen daraus aber dringend. Deshalb sollte besonders schnell eigene Fernsehwerbung eingeführt und dafür ein attraktives Programmumfeld geschaffen werden.

Bausstelle Pferdestall (Foto: SR)
Aus dem Wirtschaftsgebäude von Schloss Halberg wird ein Fernsehstudio: SR-Mitarbeiter halfen beim Umbau kräftig mit.

Auch hier half der Südwestfunk. Er steuerte seine eigene regionale Berichterstattung bei. Die ergänzte der SWF hin und wieder durch Beiträge über das Saarland. Der erste noch erhaltene Saar-Bericht des SWF wurde am 20. April 1957 gesendet und handelte vom Wildpark Saarbrücken. Der Reporter des dafür zuständigen SWF-Studios Kaiserslautern war, wie bei noch mehreren anderen Beiträgen, Karl-Heinz Reintgen.

Das Werbeprogramm übernahm der SR von der sogenannten Südschiene. Dazu gehörten außer dem SWF auch der Süddeutsche Rundfunk (SDR), der Bayerische Rundfunk (BR) und der Hessische Rundfunk (HR). Weil sich SR und Südschiene über die Konditionen dafür nicht mehr einigen konnten, musste dies aber zum Jahresende 1958 beendet werden. Deshalb wurde ab 1. Januar 1959 zwischen 19.30 und 20.00 Uhr überhaupt kein regionales Fernsehprogamm mehr gesendet. Der Privatsender „Telesaar“ hatte sein Programm ja bereits zuvor eingestellt.

Es gab damals zwar noch recht wenige Fernsehzuschauer an der Saar. Die aber waren so sehr verärgert, dass sie eine „Notgemeinschaft der Fernsehfreunde“ gründeten. Der frühere SR-Fernsehmitarbeiter Rüdiger Nebe hat dies 1981 in seiner Doktorarbeit „Der Saarländische Rundfunk 1955 – 1978“ (S. 89) ausführlich dargestellt. Neben dem fehlenden Fernsehprogramm in der halben Stunde vor 20.00 Uhr gab es danach für die Verärgerung zwei weitere Gründe.

Ein Thema auch in der Presse: Die Programmlücke im SR-Fernsehen (SZ vom 28. 11. 1958). Zum Lesen des gesamten Artikels bitte anklicken.

Trotz dieser Programmlücke wurde von der Bundespost die gesamte Fernsehgebühr eingezogen. Außerdem konnten viele Zuschauer im Saarland deutsches Fernsehen überhaupt noch nicht empfangen. Sie besaßen noch Fernsehgeräte mit der französischen Norm, die sie für das französische Fernsehen und auch das Programm des saarländischen Privatsenders „Telesaar" gebraucht hatten. Aber so wie die Saarländer sich dann allmählich Fernseher nach deutschem technischem Standard anschafften, so begann der SR in kleinen Schritten mit einem eigenen Fernsehprogramm.

Den Anfang machte die SR-Tochterfirma Werbefunk Saar. Am 9. November 1959 konnte sie die fernsehlose Zeit im Vorabendprogramm beenden (Quelle: Broschüren 15 und 25 Jahre Werbefunk Saar). Zwischen 19.30 und 20.00 Uhr wurden nun etwa 22 Minuten Werberahmenprogramm und zwei Werbeblöcke zu je drei Minuten ausgestrahlt. Rund 4700 angemeldete Fernsehgeräte gab es damals im Saarland. Fünfzig Jahre später waren es rund hundert Mal so viele. 

Schlossgespenst (Foto: SR)
Schlossgespenst (Foto: SR)
Der Schlossgeist von Schloss Halberg (dem neuen Sitz des SR) war die erste Comicfigur des SR-Werbefernsehens.

Mit dem SR-Programm am Vorabend dauerte es länger. Erstmals „im Laufe des Jahres 1960 war man mit den technischen Einrichtungen soweit, dass man an die Gestaltung eigener Programme denken konnte“, heißt es im SR-Winterprogrammheft 1961/62. Und weiter: „In unregelmäßigen Abständen kam (…) die Abendschau aus dem Studio auf dem Halberg.“ An den meisten Tagen allerdings wurden weiterhin die Regionalsendungen des Südwestfunks übernommen.
 

Klaus Flätgen (Foto: Oettinger)
Wohl der erste SR-Fernsehreporter: Klaus Flätgen. Er war zuvor Schauspieler am Saarländischen Landestheater gewesen.

Über „Die erste Regionalsendung aus eigener Produktion“ veröffentlichte sogar die saarländische Landesregierung am 12. Juli 1960 eine „Mitteilung“ in ihrem „Pressedienst“. Dies sei eine „Reportage von Klaus Flätgen über die Deutsche Rektoren-Konferenz und den Festkreis des Deutschen Hochschulverbandes mit Ausschnitten aus der Rede von Bundespräsident Lübke“ gewesen, heißt es darin. Und voller Stolz wurde hinzugefügt: „Die Sendung wurde ausschließlich mit eigenen technischen Mitteln bestritten.“ (Quelle: Rüdiger Nebe a. a. O., S. 90)
Die Rektoren-Konferenz fand bereits am 7. und 8. Juli statt. Der genaue Sendetermin des Beitrags ist im Archiv nicht nachgewiesen. Das Bildmaterial blieb erhalten, der Ton nicht.

Der älteste komplett erhaltene eigenproduzierte Regionalbeitrag wurde am 13. September 1960 gesendet. Es war ein Interview, das Literatur-Redakteur Heinz Dieckmann vom SR-Hörfunk mit dem über die saarländischen Grenzen hinaus bekannten saarländischen Schriftsteller Gustav Regler geführt hat. Gefilmt wurde es in der Bar des damaligen Intendanten Dr. Mai auf Schloss Halberg.

Dieckmann interviewt Regler  (Foto: SR-Standbild)
Der älteste erhaltene Eigenbericht des regionalen SR-Fernsehens stammt vom 13. 9. 1960: Heinz Dieckmann interviewt den Schriftsteller Gustav Regler.

Im zweitältesten erhaltenen Beitrag informierte Klaus Flätgen einen Tag später (14. 9. 1960) über die Rückkehr der saarländischen Olympiateilnehmer aus Rom – darunter die Kanutin Therese Zenz mit zwei Silbermedaillen im Gepäck (im Einer- und im Zweier-Kajak)und Hans-Joachim „Jochen“ Reske (Silber mit der 4x400m-Staffel).

Ein großer Schritt voran wurde getan, als der SR 1961 damit beginnen konnte, die Saarländer selbst regelmäßig an allen Wochentagen über das Geschehen in ihrem Land zu informieren. „Vom 1. Februar 1961 an gab es an sechs Tagen in der Woche eine eigene ,Abendschau‘“, ist im selben SR-Winterprogramm (S. 43) zu lesen. Als Sendelänge der „Abendschau“ werden 25 Minuten angegeben (19.25 – 19.50 Uhr). Allerdings wurden in der „Abendschau“ nicht nur tagesaktuelle Beiträge gesendet. Hinzu kamen auch Dokumentarberichte und Filmfeuilletons, die nicht an den Tag gebunden waren. Insgesamt „blieb man nicht eng in den Grenzen des Saarlandes“. Oft ließ „man den Blick hinüberschweifen in die Nachbargebiete: in die Pfalz, nach Luxemburg, nach Elsass-Lothringen.“ Man wolle ein Mittler sein zwischen dem deutschen und dem französischen Kultur- und Wirtschaftsraum, hieß es zur Begründung.

Der Name „Abendschau“ war kein Zufall. So hieß auch das zuvor vom großen Bruder SWF aus Baden-Baden übernommene Regionalprogramm.

Dr. Edmund Ringling (Foto: saarheimat)
Dr. Edmund Ringling, der erste Fernsehbeauftragte des SR

Unter „Redaktion“ wird anfangs in den Archivunterlagen Dr. Edmund Ringling genannt. Er war ab 1. April 1961 als „Fernsehbeauftragter“ der erste Verantwortliche für das gesamte entstehende Fernsehprogramm des SR. Rüdiger Nebe sagte er für dessen Doktorarbeit (S. 91): „Wir haben versucht, möglichst schnell zu Sendungen zu kommen. Und zwar zu regionalen Sendungen.“ Zwischen 18.00 und 20.00 Uhr habe man versucht „soweit es möglich war“ die Pause im ARD-Programm mit Filmen von anderen Sendern und eigenen regionalen Sendungen zu gestalten. Und weiter: „Da war kein Programmschema vorgegeben, das war weitgehend Improvisation.“

Auch Karl Grabs, ab Jahresanfang 1961 der erste Produktionsleiter des SR Fernsehens, berichtete Rüdiger Nebe (S. 92) über diese Fernseh-Pioniertage des SR: „Es gab keine Redaktion, keine Disposition … für die Produktion gab es überhaupt kein Geld. Das wurde ja alles für die technischen Einrichtungen gebraucht.“ Alles sei so gewesen, „wie sich der kleine Max das Fernsehen vorstellt“. Aber es habe eine Crew gearbeitet, „die begeisterungsfähig war. Da gab es nie Ärger, weil mal Überstunden gemacht werden mussten.“ Dass es „in den ersten Monaten keine eigene Redaktion gegeben habe, stellt auch Rüdiger Nebe (a. a. O., S. 192) fest. Das Fernsehen sei „mehr ein Nebenprodukt des Hörfunks“ gewesen.   

Karl Grabs, der erste Produktionsleiter des SR-Fernsehens (Foto: R. Oettinger)
Karl Grabs, der erste Produktionsleiter des SR-Fernsehens

Im Herbst 1961 wechselte Karl-Heinz Reintgen vom SWF zum SR. Er wurde zuständig für Zeitgeschehen, Sport und Landesprogramm (gemäß SR-Pressemeldungen). Unter „Landesprogramm“ war nicht nur das tagesaktuelle Geschehen zu verstehen, auch zeitlosere regionale Themen (und Sendungen) gehörten dazu. Ab 1. Januar 1962 gab es dafür eine eigene Redaktion. Reintgen wird dann in den Archivunterlagen zur „Abendschau“ unter „Redaktion“ aufgeführt. Er wurde später Chefredakteur und Direktor fürs Aktuelle in Fernsehen und Hörfunk sowie stell­vertretender Intendant.
Das SR-Fernsehen hatte damit zwei Chefs. Reintgen für Zeitgeschehen und Regionales und Ringling für das übrige vorwiegend überregionale Programm. Es war eine Organisationsstruktur, die über viele Jahre hinweg für Rivalitäten sorgte.

Pferdestallstudio (Foto: SR)
Mit großen und schweren Studiokameras begann das SR-Fernsehen in einem umgebauten Wirtschaftsgebäude von Schloss Halberg.

Dass die „Abendschau“ des SR zunächst provisorisch in einem umgebauten ehemaligen Pferdestall auf dem Halberg produziert werden musste, wurde gern in Kauf genommen: Das erste regelmäßige Fernseh-Landesprogramm war ein wichtiger Meilenstein in der Geschichte des damals gerade vier Jahre alten öffentlich-rechtlichen Saarländischen Rundfunks.

Zu den Zeitzeugen, die noch aus diesen Pioniertagen des SR-Regionalfernsehens erzählen können, gehört der Journalist Alwin Brück, der später als Politiker Karriere machte. Damals arbeitete Brück als Chef vom Dienst der Saarbrücker Allgemeinen Zeitung (AZ). Sie gehörte der SPD. Alwin Brück hatte die Partei an der Saar mitbegründet und war auch saarländischer Landesvorsitzender des „Bundes der sozialistischen Jugend Saar („Die Falken“).

Alwin Brück beim Falkentreffen (Foto: Alwin Brück)
Alwin Brück (knieend, mittlere Reihe, erster von links) 1954 beim Falken-Treffen in Österreich

Als auf dem Halberg das regelmäßige SR-Regionalfernsehen begann, hatte ihn Karl-Heinz Reintgen gefragt, ob er nicht die „Abendschau“ moderieren wolle. „Das muss so 1961/62 gewesen sein“, erinnert sich Brück. Der Zeitungsjournalist wurde „ins kalte Wasser geworfen“ und fand schnell Gefallen an der Arbeit beim Fernsehen. Wer sein erster Interviewpartner im Fernseh-Studio war, hat Alwin Brück noch heute in Erinnerung: Das war (am 16. 1. 1962) Saar-Justizminister Julius von Lautz. Der erste von Alwin Brück erhaltene Beitrag im SR-Fernseharchiv ist noch älter: ein Bericht vom 19. 12. 1961 über die Eingliederung damaliger DDR-Flüchtlinge in die Landeswohnsiedlung in Homburg.

Hund im Laufrad (Foto: SR-Standbild)
Reporter Harald Meimeth berichtete am 11. September 1963 in der „Abendschau“ über einen Hufschmied, der im saarländischen Bierfeld Nägel herstellte. Ein Hund im Laufrad trieb den Blasebalg für die Schmiede an.

Außerdem erhalten ist (u. a.) Brücks Abendschau-Interview vom 23. 1. 1963 mit dem Staatsrechtsprofessor und SPD-Politiker Carlo Schmid, der einer der Väter des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland war. In dem Interview spricht sich Schmid (damals Bundestagsvizepräsident) für ein „Europa der Völker“ und gegen ein „Europa der Bürokratie“ aus.

Das Verabreden der Interviews sei ebenfalls seine Aufgabe gewesen, erinnert sich Brück. „Das habe ich tagsüber in der Zeitungsredaktion so nebenbei gemacht.“ Aus heutiger Sicht ist bedauerlich, dass damals Live-Interviews und die Moderationen nicht archiviert wurden.

Brück interviewt Carlo Schmid (Foto: SR-Standbild)
SR-Abendschau-Interview von 1963: Alwin Brück befragte den Staatsrechtsprofessor und SPD-Politiker Carlo Schmid.

Dass Brück zugleich auch für den Landesjugendring Mitglied des ersten Rundfunkrates des Saarländischen Rundfunks war, störte anfangs offenbar niemanden. Schon ehe er 1965 in den Bundestag gewählt wurde, war es für ihn allerdings mit dem Fernsehen vorbei. Seine parteipolitische Tätigkeit als Vorstandsmitglied der Saar-SPD und seine Arbeit als Fernseh-Journalist erschienen dann wohl doch als miteinander unvereinbar. Zudem war er auch stellvertretender Chefredakteur seiner Zeitung geworden. Der letzte journalistische Beitrag von Brück im Fernseh-Archiv des SR stammt vom 3. 4. 1964: ein Interview mit Ministerpräsident Dr. Franz-Josef Röder (CDU).

Bundestagsabgeordneter blieb Brück bis 1990. Knapp neun Jahre davon war er Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Noch heute erzählt Alwin Brück aber gern von seiner Zeit als Fernseh-Moderator: „Wenn ich nicht hauptamtlich in die Politik gegangen wäre, dann bestimmt mal ganz zum Fernsehen.“

Alwin Brück (Foto: SR)
Alwin Brück moderierte, interviewte und berichtete als einer der ersten Journalisten für die SR-Abendschau.

Im Herbst 1963 wurde der Sendungstitel „Abendschau“ aufgegeben. Warum das geschah, ist nur zu vermuten: Wollte sich der SR auf diese Weise etwas vom „Programmpaten“ SWF emanzipieren? Sollte das Grenzüberschreitende im Titel deutlich werden? Oder beides zusammen?

Für das saarländische Regionalfernsehen begann damit jedenfalls eine bewegte Zeit ständiger Änderungen des Programmschemas und neuer Sendungstitel.

Drei Gründe dafür liegen nahe: Die Vorschriften für die Ausstrahlung von Werbung änderten sich mehrfach. Das musste bei der Programmgestaltung berücksichtigt werden. Außerdem hat wohl auch das Konkurrenzverhältnis der beiden Fernsehchefs nicht gerade für Kontinuität und einen klaren Kurs gesorgt. Schließlich dürfte ebenfalls das Naturell des dynamisch-spontanen Chefs Karl-Heinz Reintgen von Einfluss gewesen sein. Jedenfalls ist aus heutiger Sicht das damalige Hin und Her inhaltlich kaum nachvollziehbar.

An die Stelle der „Abendschau“ trat zunächst auf demselben Sendeplatz das Landesprogramm „Hüben und drüben“. Fernseh-Langzeit-Dokumentar Hans-Ulrich Wagner schreibt dazu: „Die erste Ausgabe dieser Magazinsendung, zu der wir Material vorliegen haben, wurde am 16. 9. 1963 ausgestrahlt.“ 

Logo Hüben und Drüben (Foto: SR)
Das Logo der zweiten tagesaktuellen regionalen Fernseh-Landessendung des SR: „Hüben und drüben“

Die tagesaktuelle Landesberichterstattung war laut SR-Geschäftsbericht von 1965 – wie in der Abendschau zuvor – nur ein „Bestandteil des Landesprogramms ‚Hüben und drüben‘“. Dem Aktuellen standen also nicht etwa die gesamten 25 Minuten (19.25 bis 19.50 Uhr) der Sendung zur Verfügung. Hinzu kam „jeweils die Darstellung eines Kernthemas aus den Bereichen Politik, Wirtschaft, Kultur, und Sport“ (SR-Geschäftsbericht). Diese Kernthemen waren in „Programmrubriken“ mit jeweils einem eigenen Titel zusammengefasst. Dazu gehörten neben anderen „Forum Saarland“ (Landes- und Kommunalpolitik), „Presseschau“, „Der Wirtschaftsbericht“, „Verbraucherfragen“, „Medizinische Reihe“, „Kulturspiegel“, „Unsere Nachbarn heute“, „Französischer Bilderbogen“ und „Kirche und religiöses Leben“. Samstags gab es in „Hüben und drüben“ ausschließlich einen „aktuellen Nachrichtendienst“ und kein Kernthema.

Adolf Betz  (Foto: Oettinger)
Dr. Adolf Müller (Foto: Gerhard Heisler)
Die Redakteure von „Hüben und drüben“ (laut Winterprogrammheft 1964/65): Adolf Betz (oben) und Dr. Adolf Müller

„Hüben und drüben“ war also eine Sendung mit tagesaktueller Berichterstattung und verschiedensten landesbezogenen Fachmagazinen als „Kernthema“. Montags war das immer die aktuelle Sportberichterstattung. Ab Jahresbeginn 1965 bekam das Kernthema Sport die gesamte Sendezeit von „Hüben und drüben“. So sollte noch ausführlicher über das Sportgeschehen vom Wochenende berichtet werden.

Für die sonstige tagesaktuelle Information blieb also montags in „Hüben und drüben“ kein Platz mehr. Deshalb gab es ebenfalls ab Jahresbeginn dafür – also nur montags – eine neue Sendung, wie Fernseh-Langzeitdokumentar Hans-Ulrich Wagner anhand der Akten der Honorar- und Lizenzabteilung vom 4. 1. 1965 herausfand: „Aktuelles von hüben und drüben“. Sie lief bereits zwischen 18.15 und 18.25 Uhr. Von Montag, dem 25. 1. 1965, stammt die erste mit Sendematerial überlieferte Ausgabe dieses neuen tagesaktuellen Regionalmagazins „Aktuelles von hüben und drüben.“ Weder das Winterprogrammheft noch der SR-Geschäftsbericht informieren über diese kleine Änderung im Sendeschema.

Diese sehr ungewöhnliche Programmierung hielt sich aber nur ein dreiviertel Jahr. Ab 6. September 1965 war damit Schluss. Von da an brachte „Aktuelles von hüben und drüben“ die ganze Woche über das Tagesaktuelle aus der Region – also nicht nur montags. Es war eine „ausschließlich auf die Tagesberichterstattung ausgerichtete Sendung“ (Geschäftsbericht 1965).

„Aktuelles von hüben und drüben“ war damit die erste Sendung des SR-Fernsehens, die die ganze Woche über ausschließlich tagesaktuelle Beiträge aus dem Saarland, aus Lothringen und aus Luxemburg brachte. „Die Gestaltung dieser Sendung (,Aktuelles von hüben und drüben‘) oblag einer selbständigen Redaktion“, heißt es im Geschäftsbericht weiter. Im Umkehrschluss ist daraus zu folgern, dass es bis dahin offenbar nur eine gemeinsame „HÜBEN UND DRÜBEN“-Redaktion für Tagesaktuelles und Kernthemen gegeben hatte.

„Aktuelles von hüben und drüben“ begann 1965 anfangs um 18.15 Uhr, dann um 18.05 Uhr direkt nach den ersten Tagesnachrichten der „Tagesschau“. Die Sendung war zuerst rund zehn, dann zwanzig Minuten lang (bis 18.25 Uhr). Das bis dahin auf diesem Sendeplatz ausgestrahlte zweisprachige „Westmagazin“ mit überwiegend Kulturbeiträgen wurde aufgegeben.

Logo Westmagazin (Foto: SR)
Nur kurz im Programm: Das „Westmagazin“ war ein zweisprachiges Kulturmagazin.

Das bisherige Landesprogramm „HÜBEN UND DRÜBEN“ war durch die Ausgliederung des Tagesaktuellen nun der Sendeplatz für eine „intensivere Behandlung umfangreicherer Themen (Hintergrundmaterial)“ geworden. Aber nicht für lange. Bereits am Jahresende 1965 (29. 12.) lief nach gerade mal vier Monaten als Hintergrundsendung die letzte Folge von „HÜBEN UND DRÜBEN“. Der Sendungstitel wurde aufgegeben. Zum Jahresbeginn 1966 kam auf diesen Sendeplatz die neue Sendereihe „Mosaik“. Sie hatte „unterhaltend-informativen Charakter (Geschäftsbericht 1966) und lief von 19.20 bis 19.40 Uhr.

Die neue tagesaktuelle Sendung „Aktuelles von Hüben und drüben“ wurde bei dieser Reform zum Jahresbeginn 1966 um fünf Minuten verlängert (nun bis 18.30 Uhr). Außerdem bekam sie eine „Ergänzung“. Als späte tagesaktuelle Sendung wurde zusätzlich ein „Aktueller Bericht“ eingeführt. Er lief zwischen 19.45 und 19.50 Uhr. Darin sollte das „wichtigste Tagesereignis“ behandelt werden. Außerdem konnte auch noch über „Ereignisse berichtet werden, die für die Sendung ‚Aktuelles von Hüben und drüben‘ zu früh lagen“ (Geschäftsbericht 1966). So sollte der Verlust an Aktualität ausgeglichen werden, den die sehr frühe Sendezeit von „Aktuelles von hüben und drüben“ (ab 18.05 Uhr) mit sich gebracht hatte.

Die tagesaktuelle Landesberichterstattung wurde damit auf zwei zeitlich weit voneinander entfernte Sendeplätze aufgeteilt.

Logo mosaik (Foto: SR)
Das regionale TV-Magazin „mosaik“ brachte Unterhaltendes aus dem Saarland.

Auch diese Reform hatte allerdings nur ein dreiviertel Jahr Bestand. Ab Herbst 1966 gab es wieder Änderungen. „Aktuelles von Hüben und drüben“ tauschte seinen (zu) frühen Sendeplatz mit dem regionalen Unterhaltungsmagazin „Mosaik“ (nun 18.05 bis 18.30 Uhr). Dadurch bekam „Aktuelles von Hüben und drüben“ mit 19.30 bis 19.40 Uhr eine spätere (aber auch wesentlich kürzere) Sendezeit. Die Sendung lief damit nun vor dem kurzen „aktuellen bericht“. Die tagesaktuelle Landesberichterstattung war so zwar auf den späten Vorabend konzentriert – blieb allerdings aufgeteilt auf zwei Sendungen mit zwei verschiedenen Titeln.

Der Sinn dieser heute seltsam anmutenden Programmierung könnte darin gelegen haben, dass zwischen „Aktuelles von Hüben und drüben“ und „aktuellem bericht“ noch einmal ein Werbeblock lief.

Aber auch dieses Programmschema wurde nur ein Jahr alt. Bereits 1967 wurde aus den beiden Teilen der tagesaktuellen Berichterstattung aus dem Saarland und der Großregion eine gemeinsame Sendung: der „aktuelle bericht“. Der Titel „Aktuelles von Hüben und drüben“ hatte ausgedient. Der „aktuelle Bericht“ (ab) war von da an (4. 1. 1967) die zentrale tagesaktuelle Regionalsendung des SR Fernsehens. Bis heute.

Redaktion für den Arbeitskreis SR-Geschichte: Axel Buchholz (ab); Mitarbeit: Michael Fürsattel (HF-Archiv), Annette Kieren (Recherche FS-Archiv), Brigitte Liebhold (Werbefunk), Sven Müller (Recherche FS-Archiv), Eva Röder (Gestaltung/Layout), Hans-Ullrich Wagner (Recherche FS-Archiv), Roland Schmitt: Fotos/Recherche.

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