Szene aus dem Film "Wir Monster" (Foto: Produktionsfirma/Filmfestival Max Ophüls Preis 2015)

Wir Monster

Zwei Herzen - Eine Rezension von Katrin König  

Was ist richtig, was ist falsch? Welche Mittel sind erlaubt, um die eigene Familie zu schützen? Wozu Menschen fähig sind, zeigt „Wir Monster“ von Regisseur Sebastian Ko auf eindrückliche Art und Weise. Ein sehenswerter Film.

Sarah steckt mitten in der Pubertät. Sie leidet unter der Trennung ihrer Eltern, fühlt sich zurückgesetzt und im Stich gelassen. Statt mit ihrer Mutter Christine und deren neuen Partner in den Urlaub zu fahren, soll sie die Ferien in einem Ferienlager verbringen. Zum Treffpunkt fährt sie ihr Vater Paul - Musiker, Künstler, unkonventionell. Überraschend taucht auch Sarahs Freundin Charly auf. Noch bevor die Dreiergruppe den Treffpunkt erreicht, geraten die beiden Freundinnen in einen heftigen Streit. Auf einmal ist von Charly nicht mehr zu sehen als ihr Rucksack, der verlassen in einem Stausee treibt: Sarah hat Charly von der Staumauer in die Tiefe geschubst. Sarahs Vater Paul ist verzweifelt, schwankt zwischen der Entscheidung, zur Polizei zu gehen oder seine Tochter zu beschützen. Als Mutter Christine - eher aus Boshaftigkeit als aus Reue - von Sarah in das Geheimnis eingeweiht wird, nimmt eine verhängnisvolle Geschichte ihren Lauf. Denn die erschreckend teil nahmslose Sarah verfolgt einen Plan und muss mehr als nur ein Geheimnis hüten...

Lieblingszitat: „Wenn sie sich jetzt im Flur in einen Alien verwandeln würde, würde mich das auch nicht wundern“ (Paul über Sarah zu Christine)

Abgründe menschlichen Handelns

Janina Fautz verkörpert die Rolle des intriganten, bockigen Teenagers, der sich einerseits nach Liebe sehnt und andererseits alles verletzt, was ihm nahe steht, so enorm gut, dass man sie zeitweise schütteln möchte, damit sie zur Besinnung kommt. Wie Fautz sind auch Ulrike C. Tscharre (Christine) und Mehdi Nebbou (Paul) keine Neulinge vor der Kamera. Vergebene Chancen, verlorene Träume und verzweifelte Gefühle sind zum Greifen nah - sicherlich ein Verdienst der erfahrenen Schauspieler, die das Spiel mit der Kamera beherrschen.

Gut gelungen sind auch die fein dargestellten unterschiedlichen Lebensentwürfe der Eltern. Auf der einen Seite ist da die bodenständige und etwas bieder wirkende Christine mit ihrem ebenso bodenständigen neuen Partner Michael. Auf der anderen das Künstlerpärchen Paul und Jessica, die im (geordneten) Chaos leben, in dem für ein Kind eigentlich kein Platz ist. Den Konflikt, der daraus entsteht, hat Regisseur Ko gut aufgefangen und dargestellt. A propos gut dargestellt: Parallel zu der inneren Verwandlung der Protagonisten sieht man immer mal wieder eine Raupe, die schlussendlich zu einem Schmetterling wird. Dass diese Metamorphose auch andersrum funktioniert, beweisen Christine und Paul aufs Trefflichste.

Der düstere Debütfilm von Sebastian Ko wurde unter dem Arbeitstitel "Kalte Tage" gedreht. Er zeigt auf erschreckend realistische Art und Weise, wozu Menschen fähig sind, wenn es darum geht, sich und ihre Familie zu schützen. "Wir Monster" ist bestimmt nicht der stärkste Wettbewerbsfilm, wohl aber einer der Sehenswerten - was insbesondere die Umsetzung, die schauspielerische Leistung und die Thematik angeht.

Regie: Sebastian Ko
Produktion: Ester.Reglin.Film, Koproduktion: WDR, ARTE
Darsteller: Mehdi Nebbou, Ulrike C. Tscharre, Janina Fautz, Ronald Kukulies, Britta Hammelstein, Daniel Drewes, Marie Bendig u. a.
Deutschland 2014 | DCP | Farbe | 95 Min. | Uraufführung

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