Lichtgestalten (Filmszene) (Foto: Filmproduktion)

Lichtgestalten

Ein Herz - Eine Rezension von Christian Schwarz  

Was macht eine selbst angezettelte gesellschaftliche Revolution aus der Liebe zweier Menschen, die eigentlich alles haben? Dieser Frage geht Regisseur Christian Moris Müller in seinem Film „Lichtgestalten“ nach. Die Antwort gelingt ihm allerdings nicht in Gänze.

Katharina und Steffen führen ein Leben ganz nach den gängigen Konventionen unserer Gesellschaft: Glückliche Beziehung, gute Jobs und eine bemerkenswert große und stilvolle Wohnung. Doch das genügt ihnen nicht. Sie entwickeln einen radikaleren Ansatz, wollen ihr bisheriges Leben hinter sich lassen und sich von allen materiellen Gütern lösen. Die Folge: Sie zerstören ihr Eigentum, verschenken ihr Erspartes und löschen ihre Accounts in sozialen Netzwerken. Alles dokumentiert von der stets mitlaufenden Kamera. Doch ihre heimliche Revolution gestaltet sich schwieriger als anfangs gedacht und wird so zur Belastungsprobe für ihre Liebe.

Der Gedanke wirkt angesichts einer immer schnelllebigeren Gesellschaft reizvoll: Alles hinter sich lassen, dem Konsum und der ständigen Erreichbarkeit abschwören und ganz neu anfangen. Regisseur Christian Moris Müller ließ auf dieser Grundlage einen Film entstehen, der vor allem künstlerisch anspruchsvollen Kinogängern zusagen dürfte. Dabei setzt er auf starke, atmosphärische Bilder und ein gutes Sounddesign, gleichzeitig aber auch auf viele ruhige Passagen, in denen der Zuschauer ganz nah bei den Akteuren ist und an ihrem Innenleben teilhaben kann. Zu dieser Wirkung trägt auch die Kamera bei, die von den beiden Protagonisten bedient wird und ihre Wandlung dokumentieren soll. So gelingt es, ein hohes Maß an Intimität zu erzeugen.

Lieblingszitat: „Wenn ihr mit eurem Ausstieg glücklich werdet, stellt ihr auch irgendwie mein Leben in Frage. Und wenn ihr scheitert, dann nehmt ihr mir auch die Hoffnung.“

Was ist Gück?

Dennoch wirken die Motive und Handlungen von Katharina und Steffen nicht immer ganz nachvollziehbar. Teilweise wird ein Faden aufgenommen, der dann allerdings auch schnell wieder fallen gelassen wird. Dies führt ebenso wie die nicht stringente Erzählweise dazu, dass man sich als Zuschauer immer wieder etwas verloren vorkommt. Man hat das Gefühl, die beiden selbst ernannten „Lichtgestalten“ reden mehr über ihre Revolution, als dass es wirklich voran geht damit.

Trotzdem wissen die beiden Hauptdarsteller Theresa Scholze und Max Riemelt schauspielerisch durchaus zu überzeugen und präsentieren ihre Charaktere auf vielschichtige Art und Weise. Genügend Zeit dazu haben sie alleine schon deshalb, weil neben ihnen nur zwei weitere Figuren in dem fast schon an ein Kammerspiel erinnernden Film auftreten. Verstärkt wird dieses Gefühl darüber hinaus durch die Beschränktheit der Spielorte. Fast ausschließlich hält sich das Pärchen in seiner eigenen Wohnung auf. Sieht so die absolute Freiheit aus? Und warum wirken sie dennoch oftmals eher von einer melancholischen Schwere gefangen als wirklich glücklich? Nicht die einzigen Fragen, die bis zum Ende offen bleiben – sowohl für die handelnden Figuren als auch für den Zuschauer im Kinosessel.

Regie: Christian Moris Müller
Produktion: Christian Moris Müller Filmproduktion
Darsteller: Theresa Scholze, Max Riemelt, Sebastian Schwarz, Max Woelky        
Deutschland 2015 | DCP | Farbe | 81 Min. | Uraufführung

Artikel mit anderen teilen

Push-Nachrichten von SR.de
Benachrichtungen können jederzeit in den Browser Einstellungen deaktiviert werden.

Datenschutz Nein Ja