Chefdirigent Pietari Inkinen (Foto: Andreas Zihler)

Eine Göttin erwacht

 

Die Rheinpfalz | Montag, der 16. Mai 2022


Von Uwe Rauschelbach

Mannheim– Bayreuth: Dirigent Pietari Inkinen gibt im Rosengarten einen Vorgeschmack auf den neuen „Ring“

Mit Auszügen aus Richard Wagners Opern „Siegfried“ und „Götterdämmerung“ hat die Deutsche Radiophilharmonie Saarbrücken-Kaiserslautern unter Leitung ihres Chefdirigenten Pietari Inkinen den Bogen von Mannheim nach Bayreuth geschlagen. Dort dirigiert Inkinen in diesem Jahr dieNeuinszenierung des „Ring des Nibelungen“ von Valentin Schwarz .

Mit den Szenen aus den letzten beiden Opern der Wagnerschen Tetralogie wurde im Rosengarten auch der Bogen geschlagen von Brünnhildes Erweckung durch Siegfried bis zu dessen Tod. Inkinen sollte den Ring in Bayreuth bereits vor zwei Jahren leiten, wurde durch die Corona-Pandemie aber daran gehindert. Jetzt findet die Premiere auf dem GrünenHügel unter der künstlerischen Leitung des finnischen Dirigenten in diesem Sommer statt. In Mannheim waren nun auch Sopranistin Irène Theorin und Heldentenor Vincent Wolfsteiner – er ersetzte den erkrankten Stefan Vinke – in den Rollen Brünnhildes und Siegfrieds zu erleben.

Im halbbesetzten Mozartsaal bietet das Orchester schon größenmäßig eine machtvolle Kulisse. Die Deutsche Radiophilharmonie liefert unter Inkinen einen Klang wie aus einem Guss. Dennoch errichtet die Formation keine erratische Klangfassade, sondern lässt die dramatische Musik im dynamischen Auf- und Abschwellen atmen. Schlagwerk, Blech- und Holzbläser, Harfen, mächtige Bässe und wogende Streicher schaffen Klangreliefs von plastischer Tiefe und farbprächtige Tableaus. Die „Morgendämmerung“ im „Ring“-Finale lässt sich als mystisch verklärte Naturerscheinung erleben. Siegfrieds Rheinfahrt inszeniert das Orchester als romantisch aufschäumendes Ereignis, das sich freilich an seinem Überschwang erschöpft und dunklen Ahnungen anheimfällt.

Der Trauerzug zu Siegfrieds Tod wird in seiner schmerzlichen Tragik gewürdigt, das Intermezzo des Heldenthemas erscheint dagegen in seiner lärmenden Unbedarftheit. Pietari Inkinen ist als Dirigent zu erleben, der tief in das dramatische Innenleben dieser Musik eintaucht, gewissermaßen eins mit seinem Orchester wird, dennoch die Fäden in der Hand hält und nicht nur die zahlreichen leitmotivischen Verflechtungen transparent macht, sondern auch über die verhängnisvollen Verwerfungen zwischen Menschen- und Götterwelt mit kühler Übersicht gebietet.

In dieses großsinfonische Wogen scheint der Gesang fest eingebettet. Vincent Wolfsteiner verkörpert einen Siegfried, der sich mit heroischer Entschlossenheit durch die Flammenzum Walkürenfelsen emporkämpft. Sein hell gefärbter, zu schneidender Schärfe neigender Tenor lässt sich durchaus als kraftvoll,wenn auch nicht als überstrahlend vernehmen, in höheren Lagen klingt er zudem etwas belegt.

Irène Theorins Einladungen, die Szenen durch Gestik und Mimik dialogisch zu illustrieren, ignoriert der Heldentenor geflissentlich.Was umso bedauerlicher ist, da der dramatische Sopran der schwedischen Sängerin die Szene beherrscht und Siegfried sich ranhalten muss, um in den Duetten nicht in eine Nebenrolle abgedrängt zuwerden.

Brünnhildes Erweckung, die sie in einen Identitätskonflikt als Götterabkömmling mit weiblichen Regungen stürzt, verleiht Irène Theorin eine glühend- kraftvoller Stimme, die auch zärtlich klingen kann. Im Schlussgesang kann die Sopranistin ihr umfangreiches Stimmregister und ihr bezwingendes Ausdrucksvermögen mit einer souveränen Darbietung unterstreichen. InMannheim gab es hierfür vielfach Applaus imStehen.


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