Löst KI bald die wahre Kunst ab?
Alle fürchten sich vor der KI und dass sie die wahre Kunst bald ablösen könnte. Eine nicht ganz unbegründete Sorge. Ganz neu ist die Entwicklung nicht: Auch die Erfindung von Drumcomputern und Synthie hat in der Vergangenheit so manchen Studiomusiker überflüssig werden lassen. Eine neue ARTE- Doku widmet sich der "Zukunft der Musik".
Was geschieht, wenn eine KI improvisiert wie Michael Wollny – oder virtuos interpretiert wie Kit Armstrong? Die zwei Ausnahmepianisten loten künstlerische Grenzen aus und entwickeln so kreative und einfühlsame Maschinen.
Die Doku „Die Zukunft der Musik“ fragt: Kann eine Maschine den Zauber und die Emotionalität von Musik einfangen – und ein gleichwertiger Kammermusikpartner sein? Der Film führt uns an Forschungsstätten in Taiwan, Paris und Lausanne, zwischen Studios, Laboren und Bühnen. Ein globales Projekt - und vor allem: eine offene Suche.
Kit Armstrong – Mathematiker, Wunderkind, gefeierter Pianist
Kit Armstrong sagt, er möge neue Erfahrungen, weil er sehr neugierig sei. Aus der musikalischen Sicht heraus sei er daran interessiert, herauszufinden, was künstliche Intelligenz der Musik zu sagen habe, die er kenne und liebe.
Mit acht gab er sein Konzertdebüt, mit neun dann ein Physikstudium, heute erforscht er, wie KI Musik verstehen kann. Und sieht die Maschine als Gesprächspartner. Er sagt, er würde gern ein musikalisches Gespräch mit jemandem oder mit einem Wesen führen, das einen ganz anderen Hintergrund habe, als er.
Auch Jazzpianist Michael Wollny sucht den Dialog
Jazzpianist Michael Wollny legt den Fokus auf das unmittelbare Erleben. Er sagt, die Musik sei immer ein Prozess und was alles an diesem Prozess teilnehme, das wisse er nicht. Aber herausfinden könne man es nur über Interaktionen mit der Technologie, mit dem Weiterentwickeln von Ideen, die Technologie erzeugten.
Wollny spielt in einem Forschungsprojekt mit einer KI namens Lars – und stellt fest: Maschinen ticken anders. Wollny sagt, Lars sei ein sehr, sehr kompetenter Partner, der einem interessante Bälle zuspiele. Er trainiere die ganze Zeit, beim Spielen möglichst gut zurückzuspielen. Das kenne er von keinem anderen menschlichen Musiker, weil diese alle barmherziger seien, indem sie auch mal erwartbare Bälle spielten. Bei Lars seien es bisher oft jedoch unerwartbare Bälle. Und das sei immer so eine Frage an ihn als Improvisator, als Musiker. Was mache er damit?
KI-Systeme passen ihr Spiel dem Gegenüber an
Auch Kit Armstrong experimentiert mit KI-Systemen, die auf sein Spiel reagieren – sie werden schneller , langsamer, lauter, leiser. Er sagt, er glaube nicht, dass man sagen könne, dass man eine KI zu einem Menschen mache, indem man ihr Emotionen verleihe. Emotionen seien seiner Meinung nach nicht wesentlich für die Schaffung von Kunst. Armstrong glaubt nicht an die „Seele“ der Maschine – wohl aber an ihre kreative Leistung.
Wollny dagegen stellt die tiefergehende Frage: Was in diesem Zusammenhang fühlen heiße, habe sehr viel mit dem Bewusstsein zu tun. Und die Frage sei, könne man ein Bewusstsein erzeugen mit einer Maschine? Und wenn man es könnte, wollte man das? Für Wollny ist es ein kreatives Gegenüber, das ihn immer wieder in neue Fragen bringt. Und in neue Klangzusammenhänge, die er vorher noch nicht hatte.“
Dass Maschinen Fähigkeiten entwickeln, die den Menschen übersteigen, beschreibt der Musikwissenschaftler Martin Rohrmeier von der EPFL Lausanne.
„Die Zukunft der Musik“ ist vom 02.05. bis zum 01. August in der Arte-Mediathek abrufbar – ein faszinierender Film über Kreativität im Zeitalter der Maschinen.
Ein Thema in der Sendung "Canapé" am 04.05.2025 auf SR kultur.