Thomas Gerber (Foto: Pasquale D'Angiolillo)

Volle Kehrtwende an der Homburger Uniklinik

Thomas Gerber   25.06.2019 | 12:30 Uhr

Zunächst wurde gemauert, jetzt ist totale Transparenz angesagt. Die Kehrtwende der Uniklinik beim Umgang mit dem, was den kleinen Patienten möglicherweise angetan wurde, könnte nicht heftiger sein.

Damals wie heute berufen sich die Verantwortlichen aufs Patientenwohl. 2014 habe man die Eltern der mutmaßlichen Opfer nicht informiert, um die Kinder zu schützen. Die hätten den Übergriff vermutlich gar nicht mitbekommen, hätten zwischen medizinisch notwendigem Eingriff und sexuell motiviertem Übergriff nicht unterscheiden können.

Akten an Ermittler weitergegeben

Das ist zynisch und entmündigt die Eltern. Die hätten in jedem Fall über den schlimmen Verdacht informiert werden müssen. Die damals verantwortlichen Mediziner aber setzten sich über die Rechte der Erziehungsberechtigten hinweg. Stattdessen wurden mit der Strafanzeige Akten an die Ermittler weitergereicht, ohne Einwilligung der Betroffenen, Krankengeschichten von 34 kleinen Patienten, die so zum Gegenstand von Ermittlungen wurden.

Was da wohl der Datenschutz sagt?  Mit einer gleichberechtigten Arzt-Patienten-Beziehung hatte das jedenfalls nichts zu tun, eher mit „Halbgöttern in Weiß“. Da hilft es auch nichts, dass der Staatsanwaltschaft aus rechtlichen Gründen tatsächlich die Hände gebunden waren.

Schon 2015 mehr als ein Anfangsverdacht

Möglicher Kindesmissbrauch an Uni-Klinik
Klinikleitung verteidigt Vorgehen

Der Klinikleitung lagen zu lange Hinweise auf mögliche Übergriffe vor. Hinweise, die spätestens Anfang 2015 mehr waren als ein bloßer Anfangsverdacht. Bei einer Hausdurchsuchung waren bei Assistenzarzt Matthias S. Kinderpornos sichergestellt worden. Aufnahmen von Übergriffen – zwar außerhalb der Klinik, aber von pädophilen Übergriffen. Die Ermittlungsbehörden hätten spätestens da die Uniklinik oder das Ministerium zu Transparenz auffordern müssen.

Es blieb bei der Mauer des Schweigens. Und es bleibt der Eindruck, dass man versucht hat, zu vertuschen. Wenn vielleicht auch nicht aus ökonomischen Interessen, so aber doch vermutlich, um das Image der Uniklinik nicht zu ramponieren.

Schmoren im eigenen Saft

Das zuständige Ministerium wurde über die Vorgänge erst gar nicht informiert. Statt externen Sachverstand hinzuziehen, schmorte man im eigenen Saft, betrieb Aufarbeitung in eigener Sache. Jetzt folgt die volle Ladung Transparenz. Nicht nur die 34 Eltern wurden angeschrieben, bei denen es konkrete Hinweise auf mögliche Übergriffe gab, sondern alle 302 Patienten, die Matthias S. jemals in Homburg behandelt hatte, sind quasi aufgefordert, sich mit dem Verdacht auseinanderzusetzen.

Dass das zu Verunsicherung und vielleicht noch zu mehr führt, wissen die aktuelle Klinikleitung und das Ministerium. Nach Lage der Dinge dürfte es aber die einzige Möglichkeit sein, das wenigstens wieder teilweise gut zu machen, was man mit dem beharrlichen Schweigen damals angerichtet hat.

Über dieses Thema hat auch die SR 3 Region am Mittag vom 25.06.2019 berichtet.

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