Premiere im SST: "Die Entführung aus dem Serail"

"Die Entführung aus dem Serail stellt die Erwartungen auf den Kopf"

Opernkritik

Barbara Grech / Onlinefassung: Lisa Huth   11.05.2024 | 11:33 Uhr

Wenn die "Entführung aus dem Serail" von Wolfgang Amadeus Mozart aufgeführt wird, ist das Theater für gewöhnlich proppenvoll. So auch bei der Premiere im Großen Haus des saarländischen Staatstheaters. Doch die Inszenierung von Tomo Sugao stellt alle Erwartungen auf den Kopf, findet Barbara Grech in ihrer Rezension.

Kein schwülstiger Sündenpfuhl, denn als das wurde er im barocken, christlichen Abendland gesehen: der Serail, also der Harem im orientalischen Konstantinopel. Stattdessen schrille Leuchtreklamen, die für ein Sushi-Restaurant werben.

Verlegt in eine asiatische Mega-City

Grelle Verkehrsampeln und überall Leuchtanzeigen auf der Bühne, die in bester Emoji-Manier die Menschheit mit grünen Pfeilen nach links oder rechts schickt, durch das bunte Nachtleben einer asiatischen Mega-City, die doch sehr an Tokyo erinnert.

Szene aus: Die Entführung aus dem Serail (Foto: SST/Martin Kaufhold)
Szene aus der Oper "Die Entführung aus dem Serail"

Kein Wunder, stammt doch der Regisseur dieser Inszenierung, Tomo Sugao, selbst aus Japan. Er verlegt die Handlung um die gekaperten und in einen Harem eingesperrten mehr oder minder adligen Damen, Konstanze und die Blonde, in eine asiatische Nachtbar. Eine Trinkhölle und Amüsierbetrieb. Dort will er rein, der Belmonte, um mit Hilfe seines Dieners Pedrillo die beiden Frauen zu befreien. Aus den Klauen des erfolgreichen Geschäftsmannes Bassa Selim, der konsequenterweise in der Saarbrücker Inszenierung ein wohlhabender, chinesischer Philantrop ist.

Modern statt verzopft und antiquiert

Das mag jetzt alles erstmal merkwürdig und aberwitzig klingen, aber für Barbara Grech ist das die bislang stimmigste und konsequente Inszenierung dieser Oper. Ein Fest für die Augen und Sinne. Es wimmelt nur so von asiatischen Drachenfiguren, künstlichen Manga-Figuren und kitschigen Pop-Kostümen. Also all diese klischeehaften Bilder, die Europäer im Kopf haben, wenn sie sich das moderne, geschäftige Japan vorstellen.

Szene aus: Die Entführung aus dem Serail (Foto: SST/Martin Kaufhold)
Szene aus der Oper "Die Entführung aus dem Serail"

Sugao nimmt somit den Ball auf, den Mozart im barocken Wien gespielt hat, als er mit den Klischees des Orients spielte. Der Regisseur ermöglicht dem Publikum damit ganz zeitgemäß, in die Handlung der Oper einzudringen, die doch vermeintlich so verzopft und antiquiert erscheint

Star der Inszenierung ist Jon Jurgens

Musikalisch setzt Justus Thorau dieses Singspiel präzise und mit gekonnter Fluffigkeit um. Liudmila Lokaichuk als Konstanze, ansonsten die Abräumer-Rolle in dieser Oper, schwächelte allerdings zu Beginn. Zwar meisterte sie gekonnt die Kolloraturen, die an Leistungssport erinnern, aber es fehlte an stimmlicher Präsenz. Ihre Konstanze wirkte verkrampft

Der Star dieser Opern-Inszenierung ist Jon Jurgens. Mit klarer Tenorstimme, die vermeintlich ohne Anstrengung die Partie des Belmonte auf die Bühne bringt und einer schauspielerischen Glanzleistung. Allein dafür lohnt es sich, diesen Opern-Abend zu besuchen.

Ein gelungener Opern-Abend

Alles in allem ist diese "Entführung aus dem Serail" ein wirklich gelungener Opern-Abend, der Applaus entsprechend frenetisch, vollkommen zu Recht.

Die nächste Aufführung der "Entführung aus dem Serail" gibt's am 15. Mai um 19.30 Uhr im Großen Haus des saarländischen Staatstheaters. Weitere Infos gibt es hier.

Das Foto ganz oben zeigt eine Szene aus dem Singspiel: Die Entführung aus dem Serail. (Bildquelle: SST/Martin Kaufhold)

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