Juror Justus Frantz beim Tschaikowski-Wettbewerb in Moskau (2023) (Foto: IMAGO / ITAR-TASS)

Justus Frantz und der Tschaikowsky-Wettbewerb in Moskau

Ein Kommentar von Karsten Neuschwender  

Pianist Justus Frantz war letztes Wochenende Juror beim ehemals weltweit renommierten Moskauer Tschaikowsky-Wettbewerb. Von dem Umstand, dass dieser wegen des Ukraine-Krieges aus dem internationalen Wettbewerbsverbund ausgeschlossen wurde, will Frantz angeblich nichts gewusst haben. So bekräftigte er es gegenüber dem SWR.

Justus Frantz hat keine Ahnung gehabt, dass der Tschaikowsky-Wettbewerb von der internationalen Wettbewerbsföderation ausgeschlossen worden ist. Sagt er. Er hat auch keine Ahnung gehabt, dass Wladimir Putin ein Grußwort geschrieben hat, das auf der Internetseite des Wettbewerbes steht. Sagt er im Interview mit dem SWR.

Glückwünsche von Putin

Wären solche Sätze in meinem Freundeskreis gefallen, hätte ich gesagt: Geht’s noch? Verschaukeln kann ich mich selbst. Ich glaube nicht, dass Justus nichts davon gewusst hat: Er muss den Ausschluss aus der internationalen Föderation mitbekommen haben, und auch, dass Putin persönlich seine Glückwünsche übermittelt hat. Und natürlich muss im klar gewesen sein, dass die russische Kulturministerin Vorsitzende des Komitees ist, dass es also ein staatsnaher Wettbewerb ist.

Frantz verstrickt sich in Skurrilem

Rund acht Minuten rechtfertigt sich Justus Frantz für seine Teilnahme als Juror beim Tschaikowski-Wettbewerb in Moskau. Und verstrickt sich immer mehr in Skurrilem. Da bemüht er die 50-jährige Freundschaft mit Helmut Schmidt, der ihm gesagt hat:  Hunderttausendmal vergeblich zu verhandeln ist besser als einmal zu schießen.

Audio

Justus Frantz und der Tschaikowsky-Wettbewerb in Moskau
Audio [SR 2, Karsten Neuschwender, 04.07.2023, Länge: 02:58 Min.]
Justus Frantz und der Tschaikowsky-Wettbewerb in Moskau

Wettbewerbsteilnahme als Friedensbeitrag

Richtig, aber ein paar Sätze vorher sagt er, es wurde beim Wettbewerb gar nicht über Politik gesprochen. Dann geht es darum, dass die Teilnahme an dem Wettbewerb auch ein Friedensbeitrag sei und es andererseits wieder rein eine Förderung junger Musikerinnen und Musiker sei. Und außerdem habe er, Justus Frantz, in der Ukraine zwei Krankenhäuser mit seiner Hilfsorganisation gebaut. Was lobenswert ist.

Betrugsvorwürfe stehen im Raum

Justus Frantz hat immer mal für Schlagzeilen gesorgt. Zu seiner Person gehören auch Hausdurchsuchungen nach Betrugsvorwürfen und die umstrittene Äußerung, dass die Annexion der Krim 2014 Wiedergutmachung historischen Unrechts ist. Seiner Popularität hat dies lange nicht wirklich geschadet. Er hatte im bundesdeutschen Musikleben mal eine wichtige Rolle gespielt.

Persönlichkeit des Kulturlebens

Dies ist nicht mehr so. Das legt den Verdacht nahe, dass es ihm recht willkommen ist, wenn seine Teilnahme am Wettbewerb noch mal für etwas Aufmerksamkeit sorgt. Klar, dass er die Kritik an seiner Jurorentätigkeit in Moskau nicht nachvollziehen kann.

Es ist selbstverständlich das gute Recht von Justus Frantz, als Juror am Tschaikowsky-Wettbewerb teilzunehmen. Aber von einer Persönlichkeit des Kulturlebens darf man dann auch einen gerne diskutablen Standpunkt zum eigenen Verhalten erwarten.

Flucht in die "Unschuld der Kunst"

Das ist etwas anderes, als sich weltfremd in die Unschuld der Kunst zu flüchten und zu behaupten, dass ihm diese politischen Dimensionen nicht bewusst waren. Oder würde man auch ernsthaft behaupten, dass das gemeinsame Musizieren von Justus Frantz mit Helmut Schmidt vor 40 Jahren so ganz frei von Politik und nur "l’art pour l’art" war.

Für den geschätzten Helmut Schmidt eher nicht. Und ein Bewusstsein, dass Musik in der Öffentlichkeit immer auch politisch ist, würde auch Justus Frantz gut anstehen.


Ein Thema in der Sendung "Der Morgen" am 04.07.2023 auf SR 2 KulturRadio. 

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