Bereitet die Schule aufs Leben vor?

Bereitet Schule aufs Leben vor?

  14.05.2025 | 08:57 Uhr

Bereitet die Schule genügend auf das reale Leben vor? Sind die Bildungspläne wirklich noch zeitgemäß oder müssten sie nicht längst überholt werden? Über diese Fragen haben wir mit Bildungswissenschaftler Professor Roland Brünken gesprochen.

"Die Schule bereitet aufs Leben vor" - ein Satz, den man öfters hört. Doch stimmt das wirklich? Prof. Roland Brünken ist Bildungswissenschaftler und meint: "Ja, natürlich ist es Aufgabe der Schule, Kinder aufs Leben vorzubereiten, nicht NUR der Schule, aber sicher auch der Schule".

Doch was genau das Leben erfordert, ist gar nicht so leicht zu bestimmen. Die Diskussion darum, welche Inhalte im Unterricht vorkommen sollen, ist keineswegs neu. Inhaltliche Anpassungen an gesellschaftliche Entwicklungen gehören dazu: "Gerade bei uns in den letzten Jahren haben wir so eine Diskussion gehabt - hier im Saarland. Einmal etwa über die Bedeutung der Sprachen, die Förderung der französischen Sprache oder ganz aktuell über die digitale Bildung als zusätzliche Bildungsinhalte. Aber Ziel ist es, den Schülerinnen und Schülern Kompetenzen zu vermitteln, die sie hinterher brauchen können, um sich in der Welt zurechtzufinden - aber eben auch ihnen so eine Art kulturellen Hintergrund und kulturellen Kontext zu bieten", sagt Prof. Brünken.

Saaruni-Vizepräsident Prof. Roland Brünken (Foto: SR 1 / Frank Falkenauer)

"Unsere Probleme liegen woanders"

Beim Blick auf den Lehrplan, etwa an einem Gymnasium im Saarland im Jahr 2025, äußert sich Brünken grundsätzlich positiv: "Die Lehrpläne insgesamt sind, glaube ich, ganz gut dazu geeignet". Ziel des Gymnasiums sei es, die Schülerinnen und Schüler auf wissenschaftliches Denken vorzubereiten, Kompetenzen in Mathe, Naturwissenschaften und Sprachen zu vermitteln.

Dennoch schränkt Prof. Brünken ein, dass die Probleme weniger bei den Inhalten, sondern eher auf dem strukturellen Problem des deutschen Bildungssystems liegt. Laut dem Bildungswissenschaftler gelingt es nicht gut, auf die unterschiedlichen Voraussetzungen der Kinder einzugehen.

Besonders Schülerinnen und Schüler aus sogenannten 'bildungsfernen Schichten' haben oft schlechtere Chancen: "Das deutsche Bildungssystem hat große Schwierigkeiten damit, mit der Heterogenität der Schülerschaft umzugehen, also auch solche Schüler zu fördern, die Schwierigkeiten haben. Wir haben große Leistungsunterschiede zwischen unseren Schülerinnen und Schülern und diese Leistungsunterschiede sind dann eben auch noch verbunden mit Chancen-Ungleichheiten, was die Bildungsbeteiligung angeht".

Verantwortung der Schule - aber nicht nur

Seit der ersten Pisa-Studie im Jahr 2000 ist das Problem bekannt - und trotzdem hat sich an der grundlegenden Ungleichheit wenig geändert. Brünken sieht eine Vielzahl an Ansätzen, aber keine einfache Lösung: "Es gibt nicht den einen, sagen wir mal Königsweg, der Lösung. Aber es gibt eine ganze Reihe von Ideen, eine ganze Reihe von Vorschlägen, auch eine Reihe von Versuchen, das zu machen."

Ein zentraler Ansatz für ihn: Mehr und längere Lernangebote - insbesondere für benachteiligte Kinder: "Ganztagsbeschulung - und zwar wirklich Ganztagsbeschulung. Nicht vormittags Schulunterricht und nachmittags dann Freizeit Betreuung. Sondern tatsächlich über den ganzen Tag verteilt Lernangebote, organisierte Lernangebote zu machen, das ist sicher etwas, von dem gerade Schülerinnen und Schüler aus bildungsbenachteiligten Verhältnissen profitieren können", so Brünken.

Auch der Unterricht selbst müsse sich weiterentwickeln und es gibt bereits zahlreiche Lehrerinnen und Lehrer, die sich dafür engagieren.

Lehrer unterrichtet in einem Klassenzimmer (Foto: Pixabay/ steveriot1)

Hausaufgaben, Tests noch zeitgemäß?

Auch klassische Schulelemente wie Hausaufgaben oder Klausuren stehen immer wieder in der Kritik. Doch Brünken verteidigt sie - unter Bedingungen: "Hausaufgaben, sind nicht so schlecht, wie ihr Ruf. Da gibt es auch gute Forschungen, die zeigen, dass Hausaufgaben ein sinnvolles Instrument sein können, wenn sie intelligent und gut gestellt sind. Insgesamt, was die Überprüfung von Lernthemen angeht, werden wir da nicht drum herumkommen."

Die Frage sei nicht, ob man Klausuren schreiben oder Vokabeltests schreiben soll oder nicht. Die Frage sei vielmehr, wonach in solchen Überprüfungen gefragt werde. Brünken: "Wird da nur nach Wissen gefragt oder werden auch problemlose Fähigkeiten, kreative Lösungen, intelligente neue Lösungen dabei abgefragt? Da würde ich eher eine Schwierigkeit sehen, dass die meisten Formen der Wissensüberprüfung sehr stark faktenwissensorientiert sind und nicht so sehr auf komplexere Lernziele abziele", meint Bildungswissenschaftler Prof. Brünken.

Kompetenz wichtiger als Fakten

Es sei entscheidend, den Umgang mit Wissen zu lehren, und nicht nur das Wissen selbst: "Was wir den Schülerinnen und Schülern vermitteln müssen, sind die Kompetenzen, sich selbst Wissen zu erarbeiten und das auch kritisch beurteilen zu können. Gerade aktuell vor der Debatte um Fake News, um sagen wir mal die Überprüfung der Faktenhaltigkeit von Wissen, der Glaubwürdigkeit von Wissen, ist es von zentraler Bedeutung. Das ist deutlich wichtiger als nur Faktenwissen zu kennen", steht für Brünken fest.


Auch Thema am 14.05.2025 in der Sendung "SR 1 - Die Morningshow".

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