Elversbergs Fisnik Asllani (oben) bejubelt ein Tor von Muhammed Damar (unten). (Foto: picture alliance/dpa/DeFodi Images | Silas Schueller)

Drei Aufstiege in vier Jahren? Das Phänomen SV Elversberg

Matthew Genest-Schön   14.05.2025 | 07:57 Uhr

Das 13.000-Einwohner-Dorf Spiesen-Elversberg im Saarland könnte bald der kleinste Bundesliga-Ort aller Zeiten werden. Gelingt der SV Elversberg der Sprung ins Oberhaus, wäre es der dritte Aufstieg in vier Jahren. Die (Hinter-)Gründe dieser Erfolgsgeschichte sind vielschichtig.

Ist es jetzt eigentlich „der“ oder „die“ SV Elversberg? Nach jetzt fast zwei Saisons in der 2. Fußball-Bundesliga scheint das noch immer nicht jedem Fußball-Fan in Deutschland so ganz klar zu sein. Und das sagt schon eine Menge aus über DIE Sportvereinigung Elversberg. Die „Elv“ aus dem Saarland fliegt für viele noch immer unter dem Radar. Trotz Durchmarsch von der Regionalliga Südwest bis in die 2. Bundesliga – und vielleicht jetzt sogar in die 1. Bundesliga.

Video [aktueller bericht, 12.05.2025, Länge: 2:50 Min.]
SVE hält die Aufstiegsträume am Leben

Doch was sind die Gründe für den Erfolg „made in Elversberg“? Was macht dieser kleine Verein scheinbar besser als andere? Was hat die SVE, was ihre Konkurrenten (noch) nicht haben?

Die Entscheider hinter den Kulissen

Ähnlich wie in Hoffenheim, Heidenheim und Co. steht auch hinter der SV Elversberg ein (finanz-)starker Mann. Frank Holzer, ehemaliger Bundesliga-Profi (113 Erst- und Zweitliga-Spiele für den 1. FC Saarbrücken und Eintracht Braunschweig) und jetzt millionenschwerer Pharma-Unternehmer, ist Hauptsponsor und Aufsichtsratsvorsitzender der SVE. Sein Sohn Dominik (43) spielte zu Oberliga-Zeiten noch selbst für die SV Elversberg und übernahm 2011 das Amt des Vereinspräsidenten von seinem Vater.

Die Familie Holzer leitet die Geschicke der SVE und verantwortet mit den Pharma-Millionen sowohl den Stadion-Ausbau als auch die sportliche Entwicklung des Vereins. Die beiden Saarländer setzen aber auf eine natürliche Entwicklung. Investitionen in teure Spieler, wie es einst beispielsweise RB Leipzig oder Hoffenheim gemacht haben, sind in Elversberg kein Thema.

Die Taktgeber

Der Elversberger Erfolg der vergangenen Jahre hat seinen Ursprung am 28. Oktober 2018. Seit diesem Tag besteht die sportliche Führung aus Cheftrainer Horst Steffen und dem sportlichen Leiter Nils-Ole Book. Gemeinsam haben sie die SV Elversberg aus dem Kampf um den Klassenerhalt in der Regionalliga Südwest bis in den Aufstiegskampf der 2. Bundesliga geführt.

Book und Steffen setzen vor allem auf Talente mit großem Potenzial, die sich bei größeren Clubs vielleicht nicht ganz durchsetzen konnten bzw. in Elversberg Erfahrung sammeln und den nächsten Schritt machen sollen. Books Scouting-Netzwerk und -Auge gepaart mit Steffens Fähigkeit, diese Spieler zu entwickeln, harmoniert und funktioniert.

Beispiele gibt es zuhauf: Carlo Sickinger, Robin Fellhauer, Semih Sahin, Maurice Neubauer, Manuel Feil oder Luca Schnellbacher. Sie alle wurden von Book für die Regionalliga geholt und haben den Weg bis in die 2. Bundesliga geschafft. Dort sind sie immer noch wichtige Stützen und Persönlichkeiten für Trainer Steffen.

Das Geschäft mit den Leihen

Dazu kommen Glücksgriffe bei Leihspielern. Nick Woltemade, Paul Wanner in den vergangenen Jahren oder jetzt Elias Baum, Fisnik Asllani und Muhammed Damar – alle gingen oder gehen erfolgreich durch die Steffen-Schule. Fernab von Unruhe und Druck entwickeln sich diese Spieler prächtig und passen immer perfekt zur bestehenden Mannschaft.

Asllani gehört mit 18 Toren und acht Vorlagen zu den Top-Scorern der Liga und wurde bereits im Winter von Bundesligisten umworben. Er ist wie sein kongenialer Offensivpartner Damar aus Hoffenheim ausgeliehen. Elias Baum, mit 19 Jahren von Beginn an Stammspieler auf der rechten Abwehrseite, kehrt nach der Saison mehr als bundesligareif zu Eintracht Frankfurt zurück.

Die Leihgeschäfte wurden für Elversberg zum Erfolgsmodell, quasi eine Win-Win-Win-Situation für die Vereine und den Spieler. Trotzdem versuchen Book und Steffen nach und nach den eigenen Stamm weiter zu verstärken, wenn auch (noch) ohne dabei Unsummen auszugeben. Die aktuellen Rekordtransfers sind Tom Zimmerschied, der im vergangenen Sommer für rund 400.000 Euro aus Dresden kam und Lukas Petkov, der für rund 350.000 Euro vom FC Augsburg wechselte.

Der Elversberger Plan

Die SVE setzt auf Kontinuität. Was bei Horst Steffen zählt, sind Spielfreude, Kreativität und Intensität. „Er hat mir den Spaß am Fußball zurückgebracht“, sagt zum Beispiel Carlo Sickinger über seinen Trainer. Jeder Spieler scheint für ihn durchs Feuer gehen zu wollen.

Der Steffen-Fußball basiert auf der einen Seite auf klaren Vorgaben und Pflichten, lässt den Spielern gleichzeitig aber auch Freiräume. Die Vorbereitung der Gegner gehört außerdem zu den Stärken seines Trainerteams. „Ich habe bislang noch nie erlebt, dass eine Mannschaft taktisch so gut auf uns vorbereitet war“, adelte Alexander Zorniger, vergangene Saison Trainer der SpVgg Greuther Fürth, die Saarländer.

Vor allem aber will Steffen attraktiven Fußball spielen lassen – und freut sich über ein spektakuläres 5:4 mehr als über ein sprödes 1:0.

Elversberger Einheit

Die einstige Regionalliga-Achse um Sickinger, Fellhauer und Co. hat Steffens Spielidee in ihrer DNA fest verankert. Neuzugänge haben es dadurch leicht, das zu verinnerlichen. Der Großteil des Kaders ist nach den beiden Aufstiegen 2022 und 2023 zusammengeblieben.

Verstärkt wird Jahr für Jahr nur punktuell – Torhüter Nicolas Kristof oder Lukas Pinckert kamen beispielsweise zur Drittliga-Saison. Paul Stock vom FV Dudenhofen oder Frederik Schmahl aus der zweiten Mannschaft der TSG Hoffenheim erhielten direkt einen Zweitliga-Vertrag.

Potential und die richtige Einstellung schlagen bei der Spielerakquise schillernde Namen. Es gibt Leistungsträger, aber keine Stars. So hat sich in Elversberg eine feste Einheit geformt, die gemeinsam arbeitet, gemeinsam denkt und gemeinsam funktioniert – und bislang schon zweimal gemeinsam aufgestiegen ist.

Elversberg ist sexy

Alles geht rasend schnell in Elversberg. Der Stadionausbau, die Fan-Entwicklung und vor allem der sportliche Erfolg. Teilweise so schnell, dass nicht alle Gewerke hinterherkommen. Zum Beispiel die Infrastruktur rund um Trainingsgelände und Heimspielstätte.

Trotzdem ist die Entwicklung dieses Vereins bemerkenswert. Lange Jahre spielte Elversberg nicht einmal bei bei Fußball-Fans und Medien im Saarland eine echte Rolle. Die SVE stand im Schatten des 1. FC Saarbrücken, des FC 08 Homburg und von Borussia Neunkirchen, allesamt Vereine mit glorreicher Erst- und Zweitliga-Vergangenheit.

Jetzt strömen jedes Wochenende 9000 Fans ins Stadion an der Kaiserlinde. Das wird aktuell umgebaut und soll im Sommer 2026 nicht nur Platz für 15.000 Besucher haben – mehr, als die Gemeinde überhaupt Einwohnerinnen und Einwohner hat.

Saisonfinale auf Schalke

Vor dem letzten Spieltag steht die SV Elversberg auf dem Relegationsplatz und hat mit einem Sieg auf Schalke die Relegation so gut wie sicher. Bei einem Patzer des 1. FC Köln könnte sie sogar direkt in die Bundesliga aufsteigen. Es könnte der dritte Aufstieg in vier Jahren werden.

Diesmal könnte es sogar nach ganz oben gehen – in die Bundesliga. Spätestens dann sollte jeder Fan auch wissen, ob es „der“ oder „die“ SV Elversberg heißt.


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