Ein rot aufleuchtendes Bitte-Warten-Schild (Foto: IMAGO / Rolf Poss)

Personalmangel lähmt Saar-Kommunen

Diana Kühner-Mert   28.07.2022 | 06:30 Uhr

Rund jeder dritte Beschäftigte im öffentlichen Dienst wird laut einer vom Deutschen Städtetag veröffentlichten Prognose bis 2030 in den Ruhestand gehen. Schon heute finden die Kommunen nur schwer Ersatz. Ihre Aufgaben zu erfüllen, wird immer schwieriger.

Ohne Silvia Keller geht im Freibad Landsweiler-Reden nichts. Die 59-Jährige arbeitet hier in der 30. Saison. Sie passt auf, dass den Badegästen nichts passiert, kontrolliert die Wasserqualität, wechselt die Chlorgasflaschen, schreibt Dienstpläne. In diesem Jahr bleibt besonders viel an ihr hängen, denn inzwischen ist sie die einzige ausgebildete Fachkraft für Bäderbetriebe. Manche Aufgaben kann und darf nur sie erledigen.

Bis zum vergangenen Jahr hatte Keller noch einen ebenso qualifizierten Kollegen, doch der hat einen Job näher an seinem Wohnort gefunden. Seitdem hängt alles an ihr. Sechs Tage pro Woche ist sie da. Nur mittwochs kann sie einen Tag frei machen. Das Freibad muss dann schließen. Ein Novum, das manche Badegäste verärgert. Doch anders geht es nicht.

Bademeisterin Silvia Keller und Markus Fuchs, Bürgermeister von Schiffweiler (Foto: SR)
Bademeisterin Silvia Keller und Markus Fuchs, Bürgermeister von Schiffweiler

Dass der Badebetrieb so stark an ihr hängt, setzt Silvia Keller unter Druck. Das rare Privatleben richtet sie am Job aus. Bloß nicht krank werden, lautet die Devise: „Ich halte mich zum Beispiel von Großveranstaltungen fern. Ganz bewusst wegen Corona. Denn jeder Tag Quarantäne für mich bedeutet einen Tag ein geschlossenes Bad.“

Markt für Bademeister ist leergefegt

Seit Monaten sucht die Gemeinde Verstärkung für das Schwimmbad, eine zweite Fachkraft für Bäderbetriebe. Doch die sind schwer zu finden. Kaum jemand lässt sich noch ausbilden. Der Job wirkt auf viele wenig attraktiv: Saisonarbeit, wenn die anderen in Urlaub fahren, Sechs-Tage-Woche, mitunter respektlose Badegäste, und im Winter muss man etwas anderes machen.

Dass Silvia Keller noch in dieser Saison Verstärkung bekommt, der Bürgermeister der Gemeinde Schiffweiler, Markus Fuchs (SPD), glaubt nicht mehr daran: „Wir haben das ein paar Mal ausgeschrieben und über verschiedene Quellen versucht etwas zu erreichen. Wir waren bisher nicht erfolgreich, und ich sehe auch keine Chance, dass wir in der Badesaison 2022 jetzt noch jemanden finden.“

Den Personalmangel an dieser Stelle bekommen die Bürger besonders schmerzlich zu spüren. Doch die Bademeisterstelle ist längst nicht der einzige Job, für den die Gemeinde jemanden sucht. Insgesamt 27 Stellen sind in der Gemeinde vakant, quer durch alle Berufsgruppen: Es fehlen Erzieherinnen und Reinigungskräfte, Handwerkerinnen und Verwaltungsangestellte.

Personalmangel hat Folgen

Seit über einem Jahr hat Schiffweiler keinen Kämmerer mehr. Auch eine Stellvertretung für den Bauamtsleiter gibt es nicht. Das bleibt nicht ohne Folgen, sagt Fuchs: „Wir wollten jetzt eine neue Software einführen in verschiedenen Bereichen. Das muss zunächst einmal gestreckt werden, weil uns dafür das Personal fehlt. Im Bauamtsbereich sind viele Großprojekte, wie der Neubau des Feuerwehrgerätehauses oder der Anbau einer Grundschule oder das Schwimmbad. Das sind alles Großprojekte, die jetzt erst einmal ein bisschen auf Eis liegen, weil der Mitarbeiter eben abarbeitet nach Priorität. Und das kann dann ein bisschen dauern.“

Wichtige Aufgaben bleiben liegen, weil schlicht keiner da ist, der sie erledigen kann. Dabei seien die Stellen oft gar nicht schlecht bezahlt, sagt Fuchs. Meist gebe es auch Bewerbungen. Nur habe deren Qualität stark abgenommen. Viele würden aussortiert. Es sei auch schon vorgekommen, dass Stellen neu ausgeschrieben wurden, mit heruntergeschraubten Anforderungen, um überhaupt jemanden zu finden.

Personallücke wächst dramatisch

Schiffweiler ist nicht allein mit dem Problem: Laut einer vom Deutschen Städtetag veröffentlichten Prognose geht deutschlandweit jeder dritte Mitarbeiter im öffentlichen Dienst bis 2030 in Ruhestand. Die Personallücke wächst auf 731.000 Beschäftigte, von heute vier auf dann 16 Prozent.

Markus Fuchs würde seine Mitarbeiter gern flexibler bezahlen, doch das Tarifkorsett ist eng. Mit weichen Faktoren wie Gleitzeitregelungen oder betrieblichem Gesundheitsmanagement versucht er, die einst so begehrten Stellen bei der Gemeinde attraktiver zu machen. Doch es bleibt schwierig.

Der Deutsche Städtetag empfiehlt den Kommunen, mit der Sinnhaftigkeit der Beschäftigung zu werben. Für junge Menschen könne es durchaus ein Entscheidungskriterium sein, wenn sie mit ihrer Arbeit etwas zum Gemeinwohl beitragen könnten. Die Arbeit müsse zudem abwechslungsreich sein, eine Herausforderung darstellen. Sonst entschieden sich gerade Berufsanfänger eher für andere Jobs. Sie haben die Wahl - schließlich wirbt auch die freie Wirtschaft zunehmend um Mitarbeiter.

Aufgabenteilung als entschärfende Maßnahme

Andere Lösungsansätze sind mehr Digitalisierung und Aufgabenteilung zwischen den Kommunen, die interkommunale Zusammenarbeit (IKZ): „Wir betreiben in der Gemeinde interkommunale Zusammenarbeit mit Merchweiler und Illingen im Bereich Grüngutannahmestelle, im Bereich Verkehrsüberwachung und auch mit einem gemeinsamen Standesamt. Von daher haben wir da vor Jahren die Weichen gestellt. Aber auch die IKZ muss entsprechend personalisiert sein. Ohne Personal geht es dort auch nicht“, so der Schiffweiler Bürgermeister Markus Fuchs.

Der Personalmangel bringt ihn nun in eine verzwickte Lage. Das Schwimmbad in Landsweiler-Reden, in den 1930er Jahren gebaut, muss dringend saniert werden. Die Pläne sind gemacht, im Herbst, nach der Badesaison, soll es losgehen: „Aber dann laufen wir natürlich Gefahr, wenn das Bad schön saniert ist, dass wir dann kein Personal finden.“

Zumal Silvia Keller in drei, vier Jahren in den Ruhestand gehen will: „Wenn die Gemeinde bis dahin jemanden hat, einen Nachfolger, dann ist das kein Thema. Dann geht es hier weiter. Wenn nicht, dann leider nicht.“ Die Gemeinde wird sich ins Zeug legen müssen, um doch noch einen Bademeister oder eine Bademeisterin zu finden. Alles andere wäre eine Katastrophe. Ohne qualifiziertes Personal müsste das altehrwürdige Freibad nach neun Jahrzehnten schließen. Nicht nur mittwochs, sondern für immer.

Über dieses Thema haben auch die SR-Hörfunknachrichten am 28.07.2022 berichtet.

Push-Nachrichten von SR.de
Benachrichtungen können jederzeit in den Browser Einstellungen deaktiviert werden.

Datenschutz Nein Ja