Eine Schülerin meldet sich vor ihrer Lehrerin im Klassenraum (Foto: IMAGO/Sven Simon)

Warum das Saarland am Präsenzunterricht festhält

Christian Leistenschneider   28.01.2022 | 10:02 Uhr

Inmitten eines verschärften Infektionsgeschehens sollen im Saarland nicht weniger, sondern mehr Schüler am Unterricht teilnehmen. Das Bildungsministerium verweist auf positive Effekte des Präsenzunterrichts mit effektiven Schutzmaßnahmen. Doch nicht alle von Experten empfohlenen Instrumente werden ausgeschöpft.

Trotz massiv gestiegener Infektionszahlen sind in saarländischen Schulen die Quarantäne-Regeln gelockert worden. Nur noch positiv getestete Schülerinnen und Schüler sollen in Quarantäne geschickt werden, keine ganzen Klassen oder größeren Gruppen mehr. Im Regionalverband Saarbrücken wurden rückwirkend Quarantäne-Anordnungen für Schüler aufgehoben.

Die Gesundheitsämter seien zu einer neuen Lagebewertung gekommen, lautet die Begründung des Bildungsministeriums in einem Rundschreiben an die Schulen. Wegen der hohen Zahl der Infektionsfälle in der gesamten Gesellschaft könne nicht mehr zwischen Infektionsketten innerhalb einer Klasse und parallelen Infektionen von außerhalb unterschieden werden.

"Breite und eskalative Maßnahmen" würden daher keine epidemiologische Wirkung mehr entfalten können, heißt es in dem Schreiben. Gleichzeitig hätten die Gesundheitsämter festgestellt, dass gerade die Schulen aufgrund strenger Infektionsschutzmaßnahmen sichere Orte seien. Die konsequente Umsetzung von Maskenpflicht, Lüftung und regelmäßigen Testungen seien effektive Schutzmaßnahmen.

Leitlinie empfiehlt stufenweises Vorgehen

Mit der Beschränkung auf diese Maßnahmen weicht das Saarland von Leitlinien ab, die eine Gruppe von Expertinnen und Experten aus wissenschaftlichen Fachgesellschaften sowie Vertretern von Schulen und Behörden Anfang 2021 "zur Verminderung des Infektionsrisikos und zur Ermöglichung eines möglichst sicheren, geregelten und kontinuierlichen Schulbetriebs in Pandemiezeiten" erarbeitet hat und zuletzt im November angepasst hat.

Dort wird je nach Infektionsgeschehen ein stufenweises Vorgehen empfohlen:

  • Bei mäßigem Infektionsgeschehen soll eine Kohortierung von Klassen oder Jahrgängen erfolgen.
  • Bei hohem Infektionsgeschehen soll zusätzlich zur Kohortierung von Klassen und Jahrgängen entweder eine gestaffelte Öffnung nach Jahrgängen oder eine Halbierung der Klassen erfolgen.
  • Bei sehr hohem Infektionsgeschehen sollen alle Maßnahmen umgesetzt werden, also sowohl Wechselunterricht mit halbierten Klassen, als auch eine Staffelung nach Jahrgängen

Nach Angaben des Gesundheitsministeriums spielten diese Leitlinien bei der Festlegung der Maßnahmen auch eine Rolle, als eine unter mehreren Expertisen. Das Ministerium macht aber auch deutlich, dass dem Erhalt des Präsenzunterrichts eine besondere Priorität zukommt.

Ein Sprecher verweist auf die "immensen negativen Auswirkungen von Schulschließungen – dazu zählen wir auch den Wechselunterricht als teilweise Schulschließung". Die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen müsse bestmöglich geschützt, Bildungsteilhabe und Bildungserfolg umgesetzt werden.

SLLV und Grüne fordern weitere Maßnahmen

Der Saarländische Lehrerinnen- und Lehrerverband (SLLV) hält den Präsenzunterricht zwar auch für "unbestritten wichtig". Bei explodierenden Inzidenzen dürfe ein Aussetzen des Präsenzunterrichtes oder ein Übergang in den Wechselunterricht jedoch nicht mehr gänzlich ausgeschlossen werden.

Die Lockerung bei den Quarantäne-Regelungen sieht der Verband äußerst kritisch. "Schulen weiterhin als „sichere Orte“ zu deklarieren, grenzt mittlerweile an Ignoranz und sorgt bei Lehrkräften, die täglich steigende Coronafälle in ihren Schulen erleben, für großen Unmut", heißt es in einer Stellungnahme.

Ein breiteres Maßnahmenpaket an den Schulen fordern die Grünen. Dazu gehörten auch Anpassungen am Unterricht. "Lehrkräfte, die mehrmals am Tag die Klassen wechseln, klassengemischte Unterrichts-, Betreuungs- und AG-Angebote begünstigen die Ausbreitung des Virus", sagte Anne Lahoda, Kandidatin für den Wahlkreis Saarbrücken bei der Landtagswahl.

Im Bedarfsfall müssten Schulen flexibel auf das Infektionsgeschehen vor Ort reagieren und auch auf Wechsel- oder Hybridunterricht umstellen können.

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