Low Roar: "House in the woods“
Das Album der Woche
Im Oktober 2022 kam eine vielversprechende Karriere zu einem verfrühten Ende: Der Singer-Songwriter Ryan Karazija starb mit nur 40 Jahren unerwartet. Dabei hatte sein Post-Rock Projekt "Low Roar" erst kurze Zeit vorher einen Durchbruch gefeiert, nachdem sie auf einem Videospiel-Soundtrack zu hören war. Vor seinem Tod hatte Karazija die Aufnahmen zu einem neuen Album abgeschlossen, und jetzt, etwas mehr als zwei Jahre später, erscheint es. Kai Löffler über das letzte Werk von Low Roar.
Sendung: Sonntag 09.02.2025 15:20 Uhr
Label: Tonequake
EAN: 0843563182932
Fast schon zögerlich wabern die ersten Akkorde von „Some Day Come Back to Me“ aus den Lautsprechern – aber dann wirft Low Roar in wenigen Sekunden mit der vertrauten Mischung aus Chamber Pop und Ambient Post Rock ein Netz aus, dem man sich nur schwer entziehen kann.
„House in the Woods“, das posthume sechste Album, klingt in großen Teilen wie ein Abschiedsbrief - als hätte Ryan Karazija, Sänger und kreativer Kopf des Projekts, eine Vorahnung gehabt, dass er sich kurze Zeit später den Kampf gegen eine Lungenentzündung verlieren würde.
2010 zog Karazija von Kalifornien nach Island, und Low Roar, anfangs ein Solo-Projekt, wurde zum Ventil für sein Heimweh und das Gefühl der Isolation. Die Band blieb ein Geheimtipp, bis 2016 der legendäre Spieledesigner Hideo Kojima bei einem Besuch in Reykjavik zufällig einen Song im Radio hörte. Ab sofort war er ein Fan und setzte in seinen eigenen Werken die Musik von Low Roar ein, zuerst im Trailer zu „Death Stranding“, dann im Spiel selbst. So fand die Band 2020 auf einen Schlag ein neues – und deutlich größeres - Publikum.
Eine Konstante bei Low Roar war auch Andrew Scheps, der als Toningenieur und Produzent schon mit Künstlern wie Beyoncé und Metallica und den Red Hot Chili Peppers gearbeitet hat. Schepps hat Low Roar auf seinem eigenen Label veröffentlicht und Karazijas Klangkunstwerken seit dem ersten Album den letzten Schliff gegeben. Auch auf „House in the Woods“ ist der weite Klang der akustischen Instrumente und Elektronika ein perfektes Gegengewicht zu Karazijas eindringlichem Gesang. Das Ergebnis ist hypnotisch.
„That’s just how it goes” - so ist das eben. Das klingt wie ein sardonischer Kommentar auf den eigenen Tod, auf eine Karriere, die tragisch endete, als sie gerade erst richtig anfing. Immerhin ist es ein würdiger Abschluss. „House in the Woods“ ist kein „Made in Heaven“, also keine halbherzige Verwertung übriggebliebener Aufnahmen. Es ist ein stimmiges Low Roar Album, eins der besten, und man hört, dass sowohl Ryan Karazirja als auch, nach dessen Tod, sein Produzent und guter Freund Andrew Schepps ihr ganzes Herzblut hineingesteckt haben.
Vor allem aber ist es ein auffällig stilles Album geworden, eines das mehr auf Klangtexturen als auf Rhythmen aufbaut, dass in Songs wie „Two Worlds Apart“ und „None of Your Business“ immer wieder die Songstrukturen auflöst und an ihrer Stelle Ambient-Klanggebilde errichtet. All das ist aber eine graduelle Entwicklung, kein Richtungswechsel. Die Stärken von Low Roar, das Gefühl für Melodien, das Post-Rock-Drama und das Spannungsfeld zwischen warmen und kalten Klängen spielt Ryan Kazajira auf „House in the Woods“ zu großem Effekt aus. Es ist ein Album, das atmosphärischer kaum sein könnte.
In welche Richtung sich Ryan Karazija und Low Roar allerdings nach dem Album weiterentwickelt hätten, darüber kann man leider nur spekulieren. Immerhin ist „House in the Woods“ – der Titelsong, aber auch das Album als Ganzes - ein wunderschöner und ergreifender Abschied geworden.
Ein Thema u. a. in der Sendung "Canapé" am 09.02.2025 auf SR kultur. Das Foto ganz oben zeigt das Albumcover (Bildquelle: Musikverlag).
Album der Woche
Jeden Sonntag stellen wir Ihnen um 15.20 Uhr im Kulturmagazin "Canapé" das "Album der Woche" vor.
Redaktion: Daniela Ziemann