Der frühere EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ist zuversichtlich, dass ein Handelskrieg zwischen den USA und der EU noch vermieden werden kann. Trump ist für ihn "kein wild gewordener Cowboy".
Dem früheren Kommissionspräsidenten der EU, Jean-Claude Juncker, ist es vor sieben Jahren in einem Gespräch mit Donald Trump gelungen, die Europäische Union vor US-Zöllen zu bewahren. Juncker ist zuversichtlich, dass dies auch in der zweiten Amtszeit von US-Präsident Trump möglich ist.
Der Versuch werde gelingen, wenn man sich "geschickt" anstelle, so Juncker im ARD Interview der Woche. Und über Donald Trump sagt er: "Man muss ihm zeigen, dass man ihn mag und nicht den Eindruck geben, als hielte man ihn für einen wild gewordenen Cowboy aus der amerikanischen Provinz. Das ist er nicht."
Man müsse Trump "etwas anbieten, um etwas zu kriegen". Trump sei "in erster Linie ein Deal Maker". Trump kenne sich nicht in den "Irrungen und Wirrungen internationaler Vertragswerke aus" und wolle das auch nicht. Man müsse Trump in die Lage versetzen, dass er innenpolitisch behaupten könne, er "habe sich durchgesetzt".
Vertrauen in EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen
Mit Blick auf mögliche Verhandlungen zwischen der EU und den USA vertraut der frühere EU-Kommissionspräsident in die Fähigkeiten seiner Amtsnachfolgerin Ursula von der Leyen: "Sie soll ihren Mann stehen. Das heißt also, Frau bleiben."
Im ARD Interview der Woche bestätigt Juncker, dass der US-Präsident sowohl für Deutschland als auch für die EU kein gutes Wort übrighabe. Trump habe in den Verhandlungen mit Juncker erklärt, "dass die Europäische Union eigentlich eine Erfindung der Europäer gegen die Amerikaner" sei.
Juncker fordert stärkere Verteidigungsanstrengungen der EU
Jean-Claude Juncker appelliert an die Europäer, insgesamt eine stärkere Rolle anzunehmen, in "Fragen von Krieg und Frieden eine prominentere Rolle zu spielen". Die Europäer müssten den "europäischen Pfeiler der Nato und das nordatlantische Bündnis stärken". Juncker fordert: "Wir müssen unsere Verteidigungsanstrengungen nach oben korrigieren". Der frühere EU-Kommissionspräsident schlägt vor, das militärische Beschaffungswesen in Europa zu verbessern, um "billiger und effizienter einkaufen" zu können. Das ermögliche über "100 Milliarden Euro pro Jahr an Haushaltsmitteln über gesamt Europa einzusparen", so Juncker im ARD Interview der Woche.
Unionskanzlerkandidat Merz mit "europäischem Wasser berieselt"
Auf die Frage, ob ein möglicher Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) das deutsch-französische Verhältnis verbessern könne, antwortet der frühere Kommissionspräsident Juncker: "Merz hat den Vorteil, dass er in jungen Jahren Mitglied des Europäischen Parlaments war, insofern mit europäischem Wasser berieselt wurde. Das hat er auch nie vergessen. (…) Das ist ein eklatanter Vorteil."
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) habe die EU in den vergangenen Jahren und auch davor als Finanzminister aus der Nähe kennengelernt. "Unabhängig davon, wer Bundeskanzler wird, wird derjenige sich um ein intensiveres Verhältnis zu Frankreich bemühen", ist Juncker überzeugt. Deutschland und Frankreich seien gut beraten, "wenn sie nicht den Eindruck aufrechterhalten, als könnten beide allein die europäischen Dinge in die richtigen Kanäle einweisen. Nein, es gibt 27 Mitgliedsstaaten und die anderen 25 zählen auch."
Im ARD Interview der Woche warnt Juncker die Regierungen in Paris und Berlin vor Alleingängen: "Dann sind die deutsch-französischen Kompromisse weniger wert, als wenn sie in Zusammenarbeit mit allen anderen entstehen."
Kritik an Kontrollen an allen deutschen Binnengrenzen
Kritisch äußert sich Jean-Claude Juncker zu den Plänen des Unions-Kanzlerkandidaten Merz, alle deutschen Binnengrenzen zu kontrollieren. "Ich habe sie nicht gemocht, diese Forderungen. Sowohl nicht als Europäer als auch nicht als Luxemburger", so Juncker, der als Mitglied der konservativen Christlich Sozialen Volkspartei (CSI) in derselben Parteienfamilie ist wie Merz. Juncker warnt vor dauerhaften Grenzkontrollen: "Täte man dies auf Dauer, würde das heißen, dass die ganze Schengen-Systematik brutal unterbrochen wird."
Zurückhaltung zu der Forderung von Unionskanzlerkandidat Merz, alle Flüchtlinge an deutschen Binnengrenzen abzuweisen
Der frühere EU-Kommissionspräsident Juncker äußert sich zurückhaltend zur Absicht des Unionskanzlerkandidaten, sämtliche Flüchtlinge an deutschen Binnengrenzen zurückzuweisen: "Ich habe mir kein abschließendes Bild über die Rechtslage verschaffen können. Das muss geklärt werden." , so Juncker im ARD Interview der Woche.
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