Olga Flor: „Ein kurzes Buch zum fröhlichen Untergang“

Olga Flor: „Ein kurzes Buch zum fröhlichen Untergang“.

Thomas Plaul   14.05.2025 | 13:16 Uhr

Über einen besonderen Kippmoment der Erde hat Olga Flor einen Roman veröffentlicht, der sich von anderen Weltuntergangswerken unterscheidet, was sich bereits im Titel zeigt: „Ein kurzes Buch zum fröhlichen Untergang“. Thomas Plaul stellt den Roman vor.

Und wupps – da war es geschehen: Die Erde erlebt eine Unwucht globalen Ausmaßes! Denn skrupellose Großmächte bauen im Eiltempo gewaltige Mengen Rohstoffe ab und verursachen viele Hohlräume im Erdinneren und Ausbuchtungen der Erdhülle.
Mit drastischen Folgen:

Die Erde begann zu kippen. Das hieß, ihre Drehachse verließ die halbwegs aufrechte Haltung zur Ebene, auf der die Erde um die Sonne kreiste. Die Erde legte sich glatt hinein, auf den Bauch, um nun über den Äquator abzurollen wie eine betrunkene Komödienfigur. Anders gesagt: Die Erde war einfach umgefallen.

Weil dadurch der Ablauf von Tag und Nacht sowie der Jahreszeiten durcheinandergerät, gibt es Hochwasser, Dürreperioden, Feuerstürme und ein artenübergreifendes Massensterben. Die meisten Lebensräume sind unbewohnbar geworden, die Überlebenden nomadisieren durch die letzten fruchtbaren Regionen des Planeten. Es werden überlebenswichtige Dinge gehortet und getauscht, gestört durch marodierende Quadbike-Gruppen.

Durch diese apokalyptische Welt bewegt sich in Olga Flors furios-komischem Roman „Ein kurzes Buch zum fröhlichen Untergang“ die Mittvierzigerin Armanda auf der Suche nach ihrer Tochter Nora. Die sucht als Naturwissenschaftlerin irgendwo in Norwegen zusammen mit anderen nach Lösungen für dieses Desaster.

Ausgestattet mit Tauschwaren und Essenskonserven macht sich Armanda auf den Weg, den GPS-Koordinaten ihrer Tochter folgend: Der Roman wird zu einem literarischen Road-Endzeit-Movie!

Diese wilde Geschichte der Suche einer Mutter nach ihrer verlorenen Tochter – das Thema Frau- und Muttersein wird en passant mitreflektiert – durch eine aus dem Lot geratene Welt präsentiert Olga Flor mit reichlich Witz. Und sarkastischen Spitzen gegen die Menschheit. Besonders gegen deren Umgang mit dem sie ernährenden Planeten – und damit auch dem Klimawandel:

„Ein paar Eifrige versuchten noch ein bisschen was zurückzuschaufeln, aber, wie immer bei dieser Menschheit: zu wenig und viel zu spät, und überhaupt, was ist das für ein Anspruch, gestaltend eingreifen zu wollen?“

Flors Sprache ist dabei genauso rasant wie die abenteuerliche Geschichte, die vor skurrilen Einfällen nur so sprüht. Etwa wenn die Autorin unseren, medial gerne geförderten, Appetit nach Katastrophen aufs Korn nimmt, indem sie die dramatische Schieflage der Erde just in die, wie sie schreibt, „Pandemiepause“ hineinkullern lässt, wodurch „Krankheit, Krieg und Klimakatastrophen“ in den Hintergrund treten.

Doch es gibt Hoffnung in Form von speziesübergreifender Teamarbeit, wie es Algen, Pilze, Pflanzen, Bakterien und Wirbeltiere schon lange praktizieren. So lernt Flors neuer Mensch etwa seine Haut mit Flechten zu schützen, die ihm gleichzeitig als Nahrung dienen.

Freilich flunkert Flor auch hier. Zu Armanda etwa gesellt sich ein aufs Land gekrakelter/ meinst Du gekrabbelter? Krakeln bedeutet für mich „schlecht schreiben, zeichnen“, recht neugieriger Oktopus, der sich je nach Gemütslage farblich verändert. Was zu herrlich komischen Szenen führt, etwa wenn der Oktopus Psychopharmaka ausprobiert und seine Haut „psychedelisch“ zu schimmern beginnt.

Allerdings stellen auch diese Interessengemeinschaften keine „stimmige Endkonfiguration“ dar, wie es im Text heißt, denn sie erzeugen neben Kultur immer auch Krieg. Was bestätigt, dass …

… das mit der Weltaneignung durch den Menschen als gescheitertes Experiment betrachtet werden musste.

Die 1968 in Wien geborene Olga Flor ist für ihre bitterböse zeit- und gesellschaftskritische Literatur mehrfach ausgezeichnet worden. Mit viel schwarzem Humor bringt die studierte Physikerin in ihrem neuen Roman die Welt zum Schwanken, gänzlich fallen aber lässt sie sie noch nicht.

Flors satirisch übersteigerte Dystopie bringt einen anderen Ton in das allzu oft mit krachenden Schockeffekten arbeitende Climate-Fiction-Genre. Ohne das Bedrohliche der Erdenlage zu relativieren. Vielleicht aber hilft gerade auch kluger Witz wie dieser, dass wir endlich aktiver werden.


Olga Flor
"Ein kurzes Buch zum fröhlichen Untergang"
Jung und Jung Verlag

160 Seiten, 20 Euro
ISBN: 978 3 99027 418 7


Ein Thema in der Sendung "Der Nachmittag" am 14.05.2025 auf SR kultur.

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