Das Jahr, die Meinung: Hält die Brandmauer gegen Rechts?

Hält die Brandmauer gegen Rechts?

Irritierendes Verhalten in der Politik

Diana Kühner-Mert   19.12.2024 | 12:45 Uhr

Bei den Wahlen in Deutschland wurde fieberhaft geschaut, wie weit wohl die AfD kommt und ob die etablierten Parteien ihr Versprechen halten, sich von den Rechten fernzuhalten. Man spricht von sogenannten "Brandmauern". Haben sie im Saarland gehalten? Ein Kommentar Diana Kühner-Mert, der Chefin der SR-Landespolitik-Redaktion.

Die Brandmauer bröckelt

Das Versprechen, nicht zu kooperieren, in keinster Weise, auch nicht auf der untersten Ebene, im Kommunalen: Im Saarbrücker Bezirksrat West ist dieses Versprechen nach der Kommunalwahl gebrochen worden.

Ostdeutsche Verhältnisse?

Erst wurde ein Bezirksbürgermeister der CDU ziemlich sicher mit Stimmen der AfD ins Amt gewählt, dann schaffte es ein AfD-ler auf den Stellvertreterposten - und keiner will es gewesen sein. Genau so provoziert man ostdeutsche Verhältnisse, auch hier- im weit entfernten Saarland.

Aus dem weit entfernten Westen wird ja gern wahlweise gar nicht, ein bisschen ratlos oder auch angewidert in Richtung Osten geschaut. Wie können die nur? In Scharen Rechtsextreme wählen – undankbar, ungebildet, anders als wir. Anders? Aber nicht doch. Hier, im Saarbrücker Westen, verspielen CDU und SPD seit fünf Monaten das Vertrauen, das sich die Parteien im Osten nie erworben haben.

Vertrauen wird verspielt

Dabei ist das Hauptproblem längst nicht mehr, dass die so genannte Brandmauer hier offenbar aus Pappmaché errichtet und bei der erstbesten Gelegenheit ohne Not aus kleinkarierten Befindlichkeiten eingerissen wurde.

Da haben Politiker auf der kleinsten Ebene offensichtlich nicht verstanden, wozu eine solche Mauer überhaupt dienen soll. Es geht doch nicht um einzelne AfD-ler, die vor Ort im Stadtbezirk vielleicht auch mal gar nicht so gefährlich wirken. Es geht darum, dass eine Partei nicht durch Zusammenarbeit in den Bereich des Normalen gerückt werden sollte, die nicht normal ist.

Weil dort nämlich Rechtsextreme immer mehr den Ton angeben, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Grundpfeiler demokratischer Ordnung untergraben wollen. Ob eine Brandmauer dabei hilft, die AfD dauerhaft rauszuhalten, darüber lässt sich trefflich streiten. Und diese Diskussion muss dringend geführt werden.

Demokratiezersetzendes Vorgehen

Hier aber, im Saarbrücker Bezirksrat West, geht das Problem weit darüber hinaus. Denn erst der Umgang mit dem Sündenfall, der Wahl eines Bezirksbürgermeisters der CDU offensichtlich mit Stimmen der AfD und die Wahl seines Stellvertreters von der AfD mit Stimmen von CDU und oder SPD, untergräbt selbst jedes Vertrauen in Politik.

CDU und SPD wirken hier selbst demokratiezersetzend. Die handelnden Personen mindestens einer der beiden Parteien haben gelogen, als sie eidesstattliche Erklärungen abgegeben haben, dass sie am Einreißen der Brandmauer nicht beteiligt waren. Eine eidesstattliche Erklärung ist kein halbherzig in den Bart genuscheltes "Ich war das net".

Dass hier mit dem Nachdruck des juristischen Instruments der eidesstattlichen Erklärung gelogen wird, verhöhnt den Bürger als Souverän und verhöhnt die Gewaltenteilung, auf der unser Staat fußt, frei nach dem Motto: "Die Deppen kommen doch eh' nicht dahinter, wer es war."

Der Schaden, der entsteht, ist unermesslich. Die ehemaligen Volksparteien haben sich hier im Westen den Rückhalt, das Vertrauen ihrer Wählerschaft – anders als im Osten - in langen Nachkriegsjahrzehnten erarbeitet. Und verspielen es ausgerechnet hier, auf kommunaler Ebene. Dort, wo man vor Ort durch Arbeit an der Sache noch punkten könnte, beim kleinsten persönlichen Ungemach. Leichtfertig. Dass es nach nunmehr fünf Monaten noch immer nicht gelungen ist, die Entscheidung, einen AfD-Mann zum ersten Beigeordneten zu machen – wie versprochen - zu korrigieren, fällt dagegen kaum noch ins Gewicht.

Kleinkariertheit und Heuchelei

Es resultiert aus dem Unvermögen der vermeintlich Guten, einen kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden. Die eigenen Befindlichkeiten, persönliche Animositäten werden im Zweifel höher bewertet als der pathetisch vorgetragene Feldzug gegen die Feinde der Demokratie.

An Kleinkariertheit, Verantwortungslosigkeit und Heuchelei ist das kaum zu überbieten. Und die Landesparteien lassen ihre Leute vor Ort gewähren. Man sitzt das Problem aus, bis keiner mehr hinschaut. Man sollte hinschauen, so wie man vor und nach Ostwahlen in die neuen Bundesländer schaut. Denn solch eine Politik öffnet ostdeutschen Verhältnissen auch tief im Westen Tür und Tor.

Die Brandmauer wurde errichtet, um Demokratiezersetzer außen vor zu halten. Die beste Brandmauer nützt aber nichts, wenn man diesseits dieser Mauer Feuer legt!

Ein Thema in der "Region am Mittag" am 18.12.2024 auf SR 3 Saarlandwelle


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