Dr. Jürgen Rissland zu Fragen rund um Corona
Dr. Jürgen Rissland ist Leitender Oberarzt am Institut für Virologie an der Universitätsklinik des Saarlandes in Homburg. Regelmäßig nimmt er sich die Zeit, um Fragen rund um die Corona-Pandemie und die Schutzmaßnahmen zu beantworten.
"Es ist immer noch eine angespannte Situation"
Diese Woche ist das Saarland-Modell angelaufen, das es u. a. der Gastronomie erlaubt, den Außenbereich für Gäste zu öffnen. Grundsätzlich hält es Dr. Jürgen Rissland für eine gute Idee, einen solchen Öffnungsplan zu haben. Die steigenden Infektionszahlen bereiten ihm aber Sorgen. Er rechnet damit, dass im Saarland der kritische Inzidenzwert von 100 in der nächsten Woche "nachhaltig überschritten wird". Deswegen hält er die Rahmenbedingungen des Modells nicht für ideal. "Es ist eben immer noch eine angespannte Situation [...] und das darf man nicht vergessen."
Dass Ministerpräsident Markus Söder für Bayern ein Sonderkontingent des russischen Impfstoffs Sputnik V bereits vor der Zulassung der Europäischen Arzneimittelbehörde gesichert hat, hält Rissland für fraglich. Eigentlich gebe es eine klare Arbeitsteilung: Der Bund sei für die Beschaffung der Impfstoffe verantwortlich und die Länder für die Impf-Organisation. "Ob es jetzt wirklich Sinn macht, dass jedes einzelne Bundesland beginnt sich Gedanken zu machen, das kann man schon kritisch hinterfragen."
An weiterführenden Schulen im Saarland soll es eine Testpflicht geben. Die Schüler sollen sich demnach auch zu Hause selbst testen. Rissland denkt, dass man hier hätte differenzierter vorgehen können. Bei Fünftklässlern habe er seine Zweifel, dass dieses Selbsttesten "eben wirklich klappt". Bei Oberstufenschülern sei das schon was anderes. Generell hält Rissland die Selbsttests aber eher geeignet für "das private Umfeld und nicht so sehr für das öffentliche Umfeld."
"Das Infektionsgeschehen ist zurzeit sehr dynamisch"
Dr. Jürgen Rissland hat im SR 3-Interview darauf aufmerksam gemacht, dass man die leicht fallenden Infektionszahlen an diesem Osterwochenende nicht überbewerten dürfe. Grund dafür sei, dass an Wochenenden ohnehin weniger Infektionen gemeldet würden. Dieser Effekt verstärke sich nun möglicherweise noch durch das verlängerte Osterwochenende.
Insgesamt gehört das Saarland laut Rissland mit Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig Holstein zu den drei einzigen Bundesländern, in denen die Inzidenzen derzeit unter 100 liegen. In Thüringen dagegen gebe es sehr hohe Zuwachsraten und auch insgesamt sei das Infektionsgeschehen in Deutschland momentan sehr dynamisch. Das gebe Anlass zur Sorge, so Rissland.
Sollten die Infektionszahlen im Saarland steigen, rechnet Rissland auch mit mehr Intensivpatienten. In diesem Zusammenhang wies er daraufhin, dass Covid-Patienten oft länger auf den Intensivstationen bleiben müssten als andere Patienten. Das führe zu einer zusätzlichen Belastung auf den Stationen.
In der Diskussion um den AstraZeneca-Impfstoff erklärte Rissland, dass die Ständige Impfkommission mit ihrer Empfehlung, das Vakzin nur noch an über 60-Jährige uneingeschränkt zu verimpfen, eine sehr vorsichtige Empfehlung ausgesprochen habe. Gleichzeitig habe die Stiko gesagt, dass es durchaus möglich sei, den Impfstoff auch bei jüngeren Frauen anzuwenden. Allerdings müsse dann in einem ärztlichen Vorgespräch auf mögliche Folgen hingeweisen werden und auf mögliche Symptome einer Thrombose aufmerksam gemacht werden.
"Es geht generell darum Kontakte zu reduzieren, nicht nur an Ostern"
Im wöchentlichen Corona-Update auf SR 3 Saarlandwelle hat Dr. Jürgen Rissland erklärt, dass die inzwischen von der Bundesregierung wieder zurückgenommene Osterruhe grundsätzlich von einem guten Gedanken getraagen war. Gleichzeitig wäre aber nicht garantiert gewesen, dass die fünftägige Ruhe einen nachhaltigen Effekt auf das Infektionsgeschehen gehabt hätte. Laut Rissland ist es wichtiger, den Menschen bei jeder Gelegenheit klar zu machen, dass es darum geht, Kontakte generell auf ein Minimum zu reduzieren, nicht nur an Ostern.
Auch im Saarland steigt derzeit die Zahl der stationär behandelten Coronapatienten, auch auf den Intensivstationen. Laut Rissland ist in Homburg zu beobachten, dass zwar immer noch vorwiegend ältere Menschen behandelt werden müssen, aber nicht mehr so alte Patienten wie noch in der ersten und zweiten Coronawelle. Mittlerweile sei das Alter der Menschen auf den Intensivstationen bunt gemischt, außerdem gebe es immer mal wieder einzelne Fälle in denen jüngere Menschen schwer erkranken. Dass sich die Altersstruktur der Patienten geändert habe, liege wohl in erster Linie daran, dass viele ältere Menschen bereits geimpft seien.
Dass die Landesregierung einen Plan für Lockerungen nach Ostern erstellt hat, hält Rissland grundsätzlich nicht für ehrenrührig. Bei den derzeit steigenden Zahlen sei aber noch unklar, ob die Lockerungen umgesetzt werden können. Außerdem hätte sich Rissland gewünscht, dass sich die Pläne für die Öffnungen in einem etwas kleineren Rahmen bewegt hätten.
"80.000 zusätzliche Impfdosen sind gutes Signal"
Der Virologe Dr. Jürgen Rissland begrüßt, dass das Saarland wegen seiner Grenznähe zusätzliche 80.000 Dosen BioNTech-Impfstoff erhält. Das war ein Ergebnis der Bund-Länder-Beratungen am Freitag. Grund ist die starke Verbreitung der südafrikanischen Virusvariante im benachbarten Département Moselle. Rissland sagte, der zusätzliche Impfstoff sei ein wichtiges Signal für das Saarland.
Angesichts der steigenden Coronazahlen plädiert er dafür, das Impfen weiter voranzutreiben. Die vermehrten Neuansteckungen führt er teils auf die geöffneten Schulen und Kitas zurück. Die meisten Menschen steckten sich wohl aber immer noch bei privaten Treffen an, so Rissland. Was den Einzelhandel und Frisöre angehe, sei das Risiko dagegen überschaubar. Auszuschließen sei eine Ansteckung dort allerdings nicht.
"AstraZeneca weiter zu impfen ist die richtige Entscheidung"
Der Virologe bezieht sich dabei auch auf die Entscheidung der "Europäischen Arzneimittelbehörde" EMA. Die hatte mitgeteilt, es gebe keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Impfung und den aufgetretenen Blutgerinnseln. Zum einen sei dieses "Risikosignal" in den Zulassungsstudien nicht aufgetreten. Zum anderen sei die Zahl der fest gestellten Fälle mit 30 niedriger als errechnet bzw. erwartet wurde.
Was die Neuansteckungen von Kindern in Kitas betrifft, hat sich laut Rissland die Situation seit der Wiedereröffnung nicht verschärft. Bei den Fünf- bis Neunjährigen habe es eine leichte Steigerung gegeben, auch bei den 15-19-Jährigen. In allen anderen Altersgruppen seien die Zahlen stabil geblieben, teilweise sogar zurück gegangen.
Nachbarschaft zu Moselle
Die Schnelltests bedeuten, so Rissland, dass man mehr über die Verbreitung erfahre. Im Saarland gebe es bislang eine Dunkelziffer mit dem Faktor Drei, also die festgestellten Infektionen mal drei. Jetzt werde die Dunkelziffer erhellt, das sei vernünftig.
Der höhere Anteil der Infektionen an der südafrikanischen Mutation könnte nach Auffassung von Rissland auf die Nachbarschaft zum Departement Moselle zurück zu führen sein. Das würde es bis zu einem gewissen Maß erklären, meint der Virologe, warum das Saarland im Vergleich zum Bundesdurchschnitt deutlich höher liege. Geimpfte seien auch bei der südafrikanischen und britischen Variante gegen schwere Verläufe geschützt, allerdings reagierten die Mutationen grundsätzlich unterschiedlich auf die Impfungen.
"Es ist gut, dass die Politik Reißleinen eingebaut hat"
Mit Blick auf die am Montag in Kraft tretenden Lockerungen hätte sich der Homburger Virologe Jürgen Rissland tiefere Inzidenzwerte gewünscht. Am Ende müsse man aber irgendwie mit der Situation umgehen. Deswegen sei es beruhigend, dass die Politik in den Stufenplan für Lockerungen sogenannte Reißleinen eingebaut habe. Wenn bestimmte Inzidenzwerte überschritten werden, werden die Lockerungen zurückgenommen. Das sei ein vernünftiges Vorgehen, so Rissland.
Bis im Saarland ein Inzidenzwert von maximal 35 erreicht wird, kann nach Einschätzung von Rissland noch eine gute Weile dauern. Derzeit stehe man immer noch an der Schwelle zum exponentiellen Wachstum.
Was den Wechselunterricht an Schulen angeht, findet es Rissland nach einer Woche noch zu früh, um ein Fazit zu ziehen. Man müsse zuerst eine Inkubationszeit des Virus von etwa 14 Tagen abwarten, um die Lage bewerten zu können. Grundsätzlich hält Rissland den Wechselunterricht in Verbindung mit den Testangeboten aber für sinnvoll.
"Dritte Welle steht möglicherweise vor der Tür"
Zuerst sind die täglichen Neuinfektionen nur noch langsam gesunken, jetzt hat sich der Trend umgekehrt. Die Fallzahlen steigen langsam wieder an und auch der Basis-Reproduktionswert liegt wieder ungefähr bei eins. Wie Dr. Jürgen Rissland erklärt, wächst damit die Gefahr, wieder in ein exponentielles Wachstum der Fallzahlen hineinzugeraten. Besorgniserregend sei auch, dass inzwischen rund 30 Prozent der Coronainfektionen auf eine Ansteckung mit einer Virusmutation zurückzuführen seien. Damit stehe eine dritte Coronawelle möglicherweise kurz bevor.
Dass am Montag Lockerungen in Kraft treten und dass die Landesregierung über weitere Lockerungen nachdenkt, findet Rissland verantwortbar. Hierbei sei aber wichtig, dass man abwarte, welche Auswirkungen die ersten Lockerungen hätten. Weitermachen dürfe man nur dann, wenn die Infektionszahlen niedrig blieben.
Was Dr. Jürgen Rissland positiv sieht, sind die Auswirkungen der Impfkampagne. Dass die Todeszahlen und die Inzidenzen bei den über 80-Jährigen zurückgingen, sei klar auf die Impfungen zurückzuführen.
"Der Rückgang der Fallzahlen hat sich verlangsamt"
Jürgen Rissland hat im Interview mit SR 3 Saarlandwelle festgestellt, dass die Fallzahlen immer langsamer zurückgehen und derzeit eher eine Seitwärts- als eine Abwärtsbewegung zu beobachten ist. Außerdem seien die Virus-Mutationen weiter auf dem Vormarsch. So deute bundesweit bereits jeder fünfte Nachweis einer Coronainfektion auf eine Mutante hin. Im Saarland läge ihr Anteil bei zehn bis 20 Prozent.
Jürgen Rissland hat außerdem erklärt, weshalb die zunächst in Großbritannien aufgetretene Virusvariante ansteckender ist als die bisherige Variante. Das habe mit dem Oberflächenprotein zu tun, das besser in die menschlichen Zellen eindringen könne. Man müsse sich das Protein wie einen Schlüssel vorstellen, der auf ein Schloss passe.
In den Schnelltests sieht Rissland eine wichtige Ergänzung zu den bisherigen Corona-Maßnahmen. Sie seien allerdings mit Vorsicht zu genießen und man müsse dabei sehr auf ihre Qualität und eine sachgemäße und gewissenhafte Anwendung achten. Schließlich sei es auch wichtig, dass Personen mit einem positiven Testergebnis die richtige Konsequenz daraus zögen und eine mögliche Infektion abklären ließen. Hygienekonzepte, so Rissland, könnten durch die Tests allerdings nicht ersetzt werden.
Rissland hält Regierungs-Strategie für vertretbar
Das Gesundheitsamt berichtet vermehrt von Menschen, die sich nicht mit AstraZeneca impfen lassen wollen. Grundsätzlich hält Dr. Jürgen Rissland, Virologe an der Uniklinik Homburg, den britischen Impfstoff für "durchaus geeignet". Vor allem in Bezug auf den Schutz vor schweren Verläufen sei er mit den Impfstoffen von Biontech und Moderna zu vergleichen. Eine erkennbare Abweichung gebe es aber bei mäßigen Erkrankungen meint Rissland: "Da ist ein Unterschied da." Aber 70-80 Prozent Wirksamkeit seien hier trotzdem ein gutes Ergebnis, wenn die Alternative keine Impfung und damit 0 Prozent sei. Die Tatsache, dass AstraZeneca nur für Menschen unter 65 Jahren empfohlen wird, liege daran, dass nicht genügend Daten für höhere Altersgruppen vorgelegt wurden, so der Virologe.
Bei Einhaltung der entprechenden Hygiene-Konzepte hält es Rissland für vertretbar, dass Friseurläden als erstes wieder öffnen dürfen. Ein ordentlicher Haarschnitt trage zur Körperhygiene bei und das sei jetzt lange genug nicht möglich gewesen. Er hält es außerdem für einen Versuch der Regierung, "die Öffnungsstrategie in irgendeiner Weise strukturiert vorzunehmen". Natürlich müsse die Situation dabei immer wieder neu bewertet werden.
Rissland warnt vor privaten Fastnachtsfeiern
Dr. Jürgen Rissland, Virologe an der Uniklinik Homburg, warnt vor privaten Fastnachtsfeiern. Dass die offiziellen Veranstaltungen abgesagt sind, bedeute noch nicht, dass die Ansteckungsgefahr gebannt sei.
Erhöhte Gefahr durch mutierte Viren
Problematisch ist laut Rissland auch, dass im Saarland mutierte Virusvarianten aufgetreten sind. Beispielsweise ist neben der britischen Mutation auch die brasilianische Variante nachgewiesen worden. Sie sei zwar im direkten Sinne nicht gefährlicher als das bisher verbreitete Coronavirus aber deutlich ansteckender. Das könne dazu führen, dass mehr Menschen einen gefährlichen Krankheitsverlauf haben, ganz einfach deswegen, weil sich potentiell mehr Menschen anstecken.
Positiv bewertet Rissland allerdings, dass Impfungen wohl auch vor der brasilianischen Mutation schützen. Die Impfwirkung sei nach derzeitigem Kenntnisstand zwar nicht genauso gut wie bei der normalen Virusvariante aber auch nicht wesentlich reduziert.
"Nicht die Zeit, über Lockerungen nachzudenken"
Die Corona-Mutationen, sagt Rissland, seien eine Mahnung an alle, konsequent weiter an der Eindämmung der Pandemie weiterzuarbeiten: Kontakte so weit wie möglich reduzieren, die AHA- plus L-Regeln einhalten und zügig weiter impfen. Deswegen sei jetzt auch keine Zeit, über Lockerungen nachzudenken.
Was aber kann man überhaupt noch mehr machen? Da spricht Rissland von einem Index, der beschreibt, wie sehr die Maßnahmen wirken. Auf dieser Skala von null bis 100 ist Deutschland schon jetzt deutlich über 80. Das bedeutet: So viel kann man nicht mehr drauf satteln. Und man müsse ja bei jeder Maßnahme nachdenken, was der Mehrwert sei, und auch, welcher mögliche Schaden davon ausgehen könne. Bei den jetzt beschlossenen Reisebeschränkungen könne man trefflich darüber streiten.
Erst Ungereimtheiten bei AstraZeneca
Im Bezug auf den umstrittenen Impfstoff AstraZeneca meint Rissland, bei der Veröffentlichung der ersten Zwischenergebnisse seien "alle schon ein bisschen irritiert und überrascht gewesen", weil es Ungereimtheiten gab. Laut der Europäischen Arzneitmittelbehörde EMA wurden Daten nachgeliefert. Darum gehe er jetzt erst mal davon aus, dass die Entscheidung der EMA auf einer seriösen Grundlage beruhe. Rissland rechnet also mit einer relevanten Wirkung des Impfstoffs. Die "Ständige Impfkommission", StiKo, in Deutschland schätze das allerdings anders ein. aus. Sie sehe die Wirkung nur bei den 18- bis 64-jährigen tatsächlich belegt. Rissland selbst steht in diesem Punkt eher auf der Seite der StiKo.
Birk und Rissland zur aktuellen Corona-Lage
Der Virologe Jürgen Rissland von der Uniklinik in Homburg und der Leiter des Gesundheitsamtes im Regionalverband Saarbrücken, Alexander Birk, haben u. a. über den Nachweis der mutierten Virus-Variante aus Großbritannien gesprochen, über die Impfung und deren Funktionsweise, über das Impfverhalten der Saarländer und über den verlängerten Lockdown.
Beim Thema Impfung herrscht bei der Bevölkerung Skepsis. Wie soll man sich so sicher sein, dass diese neue Impfmethode keine schwerwiegenden Folgen mit sich bringt, wo es doch keine Langzeitstudien dazu gibt? Rissland versucht, diese Angst zu nehmen: Die Messenger-RNA, die uns immun machen soll, sei im Prinzip nichts anderes als ein "Baurezept für Proteine", die damit verändert würden, und die dann immun gegen das Virus sein sollten. Dieser Prozess laufe in der Zelle sowieso ständig ab, so der Virologe. Auf unser Erbgut habe das keine Auswirkungen. In Bezug auf die mutierte und infektiösere Virusvariante aus Großbritannien sieht Rissland keinen Grund zur Sorge, was die Wirksamkeit der Impfungen betrifft. Zudem könne es mit den selben Maßnahmen bekämpft werden, wie die früheren Varianten auch. Deswegen sei man mit der Verlängerung und Verschärfung des Lockdown wohl gut beraten.
Alexander Birk beobachtet in den Impfzentren eine steigende Impfbereitschaft. Wer sich einen Termin ergattert habe, der sei in erster Linie froh darüber und nicht skeptisch. Was die Nachverfolgung von Neuifizierten betreffe, sei man mittlerweile sehr gut aufgestellt in den Gesundheitsämtern, so Birk: "Wir haben eine große Lernkurve hinter uns gebracht." Personell gesehen habe man sich im Regionalverband Saarbrücken fast verzehnfacht.
"Impfstoffe wirken wohl auch gegen mutierte Virusvariante"
Derzeit geht die Angst um, dass sich die mutierten Coronavirus-Varianten aus Südafrika und Großbritannien auch in Deutschland ausbreiten könnten. Nach Einschätzung von des Homburger Virologen Dr. Jürgen Rissland stellen Virusmutationen immer eine Gefahr dar, weil nicht klar ist, in welche Richtung sie sich entwickeln. Immerhin wirkten die bisher verfügbaren Impfstoffe aber ganz gut gegen die Variante aus Großbritannien.
Dass es trotz der laufenden Impfungen immer noch zu Coronaausbrüchen in Pflegeheimen kommt, führt Rissland auf zwei Dinge zurück. Erstens seien nicht alle Bewohner bereit, sich impfen zu lassen und bei den Pflegern seien es noch weniger. Außerdem wirke eine Impfung erst dann, wenn die Patienten auch ihre zweite immunisierungsspritze erhalten haben.
"Infektionszahlen trotzdem verlässlich"
Dr. Jürgen Rissland ist maßgeblich daran beteiligt, dass in einer Kooperation aus Universitat und Universitätsklinikum zu dieser mutierten Form geforscht wird. Bisher konnte sie im Saarland nicht nachgewiesen werden. Es wurde jetzt dafür gesorgt, dass Proben nach Saarbrücken gegangen seien, wo sie an der Universität untersucht würden, erzählt Rissland. "Das Testverfaren kann man grob gesprochen unterscheiden in eine Art von Suchtest und eine Art von Bestätigungstest. Deswegen muss man wirklich sicher sein, dass das Ergebnis am Ende auch wirklich richtig ist." Sobald erste Ergebnisse da sein, würde die Öffentlichkeit natürlich direkt davon erfahren, so der Virologe.
Rissland denkt nicht, dass das mutierte Virus einen Einfluss auf die Korrektheit unserer Inzidenzwerte habe. Die Anbieter der Testverfahren hätten nochmal versichert, dass sie auch "diese Mutante erkennen würden". Deswegen geht Rissland davon aus, "dass alles, was wir an Infektionszahlen haben, trotzdem verlässlich ist".
"Wir trauen den Zahlen nicht"
Nach den Modellrechnungen der Uniklinik Homburg könnte -wenn nichts dazwischen kommt - Ende Januar wieder der kritische Wert von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen unterschritten werden. Aus derzeitiger Sicht ist das eine positive Marke, denn derzeit liegt der Inzidenzwert noch bei ca. 200. Der Virologe Dr. Jürgen Rissland von der Uniklinik Homburg sieht allerdings die Gefahr, dass die derzeitigen Zahlen nicht die Realität abbilden. Es könne gut sein, dass sie deutlich höher lägen. Grund sei, dass sich wegen der Feiertage Meldungen über Neuinfektionen verzögerten.
Kritik an Bundesgesundheitsminister Spahn wegen der Impfstoffbechaffung teilt Rissland unterdessen nicht. Im Rahmen der Möglichkeiten habe die Bundesregierung einen ganz guten Job gemacht. Vereinzelt gebe es zwar Länder, die beim Beschaffen des Impfstoffes etwas schneller gewesen seine, gleichzeitig gebe es aber auch ganz viele Länder, die weniger oder überhaupt keinen Impfstoff bekommen haben.
"Daten Prüfen auf Herz und Nieren"
In Europa nimmt man sich etwas mehr Zeit für die Notfallzulassung des ersten Impfstoffes als anderswo auf der Welt. Das ermöglicht der europäischen Arzneimittelbehörde nach Ansicht des leitenden Virologen des Universitätsklinikums in Homburg, Dr. Jürgen Rissland, "das Prüfen der Daten auf Herz und Nieren" weiter auszuweiten. Zu der Erforschung der allgemeinen Wirkung des Impfstoffes und auch der Rate der möglichen Nebenwirkungen käme noch hinzu, dass man auch Test durchführen könne in verschiedenen Subgruppen: "Ist das in allen Altersgruppen gleich ausgeprägt? Verhält es sich bei Menschen mit gewissen Vorerkrankungen genauso wie bei gesunden?" Dieses seriöse Vorgehen der Europäischen Arzneimittelbehörde sei sehr wichtig für das Vertrauen in den Impfstoff, so Rissland.
Glücklicherweise ließe die Lage in Zentral-Europa zu, diese Tests durchzuführen. In den USA zum Beispiel herrsche ein "ganz anderer Handlungsdruck". Über eventuelle Langfristnebenwirkungen werde man allerdings erst etwas sagen können, wenn man "nach der Zulassung des Impfstoffes die ganze Geschichte sehr intensiv beobachtet".
"Ein harter Lockdown ist kein Allheilmittel"
Der leitende Virologer am Homburger Uni-Klinikum zeigt sich davon überzeugt, dass ein harter Lockdown bis zum 10. Januar könne dafür sorgen, dass die Infektionszahlen wieder auf die kritische Marke von 50 absinken. Damit ist die Zahl der Infizierten im Wochenschnitt pro 100.000 gemeint. Derzeit liegt dieser Inzidenzwert im Saarland teilweise über 200. Damit käme das Infektionsgeschehen aber nicht zum Erliegen, es sei nur ein Wellenbrecher.
In den Krankenhäusern beginne es mit Engpässen. Das läge vor allem daran, dass qualifiziertes Personal fehle. Darum gingen Krankenhäuser dazu über, so genannte "verschiebbare Eingriffe" tatsächlich zu verschieben. Gefragt, ob Kinder Treiber der Pandemie seien, meint Rissland, es gebe kein einheitliches Bild. Es gebe Studien, die belegen, dass sie gleich häufig betroffen sind wie Erwachsene, andere Studien belegten das Gegenteil.
"Normalität voraussichtlich erst Ende 2021 wieder"
"Weiter mehrere 100 Tote pro Tag"
Derzeit gibt es 500 Tote pro Tag. Die mathematischen Modelle besagen, so Rissland, "leider, dass wir auf diesem hohen Niveau bleiben werden". Wer sich selbst ein Bild machen wolle, könne mal selbst unter www.covid-simulator.com nachsehen und auch selbst mit Zahlen den Erfahrungen machen.
"2021 im Zeichen der Corona-Impfung"
Außerdem müssten die Impfungen organisiert werden, was ein aufwändiger Prozess sei und die Bevölkerung das gesamte kommende Jahr begleiten werde. Darüber hinaus ist auch nicht klar, wie viele Menschen sich tatsächlich impfen lassen wollen. Auch das könne ein Ende der Pandemie hinauszögern. Die Aussage, dass die zweite Welle in Frankreich überwunden sei, sieht Rissland kritisch. Die fallenden Ansteckungszahlen gingen ganz eindeutig auf den Lockdown in dem Land zurück. Würden die Maßnahmen aufgehoben, könnten die Fallzahlen sehr schnell wieder steigen.
"Noch kein Anlass zur Entwarnung"
Beim Thema Impfstoff zeigt sich der Chefvirologe der Uniklinik in Homburg zurückhaltend. Die Studie sei bei zwei Dritteln ihrer Ziele angekommen. Rissland rechnet damit, dass es noch einige Zeit dauern werde. Und in jeder Phase einer solchen Entwicklung könne dazwischenkommen. Er rechne erst im neuen Jahr mit dem Impfstoff im Saarland.
"Erste Hinweise auf Abschwächung der Infektionsdynamik"
Eigene Spätfolgen-Ambulanz an der UKS
Die neuen Corona-Beschlüsse heißt Rissland gut. Zur Forderung einiger seiner Kollegen nach Geboten statt Verboten meint Rissland, dafür sei es jetzt zu spät. Das hätte es vor zwei Monaten geben müssen. Rissland wünscht und hofft, dass die Bevölkerung die Kontaktreduzierung konsequent umsetzt. Wenn das nicht passiere, so Rissland, könne es passieren, dass die Politik die Maßnahmen fortschreiben müsse.
"Kliniken sollen planbare OPs verschieben"
"Wir stehen vor einer Weichenstellung"
Die wichtigsten Maßnahmen seien weiterhin Abstand halten und Maske tragen. Von pauschalen und vorbeugenden Kitaschließungen hält Rissland nichts. Es habe sich gezeigt, dass Kinder keine wesentlichen Treiber der Pandemie seien. Deswegen solle man lieber, wie auch von der Bundesregierung geplant innerhalb der Kitas feste Gruppen bilden und differenziert beurteilen, ob eine Kita geschlossen werden muss oder nicht.
"Ich bin überrascht über die Dynamik"
"Durch private Feiern ausgelöst"
"Man sollte sich an die eigene Nase packen fragen, muss ich jetzt wirklich eine Party veranstalten und wenn ja, wie viele Leute muss ich einladen?" Weniger sei an dieser Stelle definitiv mehr.In Bezug auf die Herbstferien, die gerade begonnenen haben, hat sich Rissland auch über adäquates Reiseverhalten geäußert. Zu Hause habe man natürlich die beste Kontrolle über das Infektionsgeschehen, erklärt der Virologe. Im Moment ließe es die Lage aber zu, dass man auch reisen könne. Lediglich von Risikogebieten sollte man natürlich absehen. Außerdem sollte man sich genaustens mit seinem Reiseversicherer absprechen, für welche Szenarien eine Rückerstattung abgedeckt sei.
"Besser Stoß- als Dauerlüften"
"Wenn der Zug mal rollt, ist er kaum noch aufzuhalten"
"Achtsamkeit ist das Motto der Stunde"
Aktuell steigen die Zahlen wieder, auch im Saarland. Virologe Dr. Rissland spricht von einem linearen, kontinuierlichen Wachstum, was man im Auge halten muss. Vor allem kleine private Feiern und Menschenansammlungen seien dafür verantwortlich Es sei kein Anlass zur Panik aber auch für Ignoranz oder Unachtsamkeit. Der Mittelweg sei das Richtige: "Achtsamkeit ist das Motto der Stunde", so Rissland.
"Unerwartet sind die Klassen in Quarantäne nicht"
Rissland setzt jetzt darauf, dass für den Herbste eine Stärkung des öffentlichen Gesundheitsdiensteskommen wird. Wichtig sei auch eine Verständigung darüber, wie künftig mit Großveranstaltungen umzugehen sei, auch mit Fastnachtsveranstaltungen.
"Wir sind wieder im Bereich eines exponentiellen Wachstums"
"Cluster besser als ungezielte Massentests"
Zunahme der Infektionen in der Fläche
Reiserückkehrer und Schulstart
Das Virus ist nicht verschwunden
Breitflächige Tests sind sinnvoll
Abstand und Mund-Nasen-Schutz wichtig
Stellt die Ferienzeit ein Risiko dar?
Remdesivir
Langfristige Schäden?
Thema in der Sendung "Guten Morgen" auf SR 3 Saarlandwelle.