Autos fahren auf einer Landstraße bei tiefstehender Sommersonne (Foto: IMAGO / Westend61)

Viel Kritik und wenig Lob für Bergs Pläne zur Verkehrswende

  31.07.2024 | 10:26 Uhr

Das Verkehrsministerium plant, den motorisierten Individualverkehr im Saarland bis 2030 um 15 Prozentpunkte auf 40 Prozent zu reduzieren. Das ruft geteilte Reaktionen hervor. Zustimmung kommt vom Verkehrsclub Deutschland. CDU und Grüne kritisieren das Vorhaben. Die Plattform Mobilität fordert ein ganzheitliches Konzept.

Anfang Juli ist der Entwurf für das erste saarländische Klimaschutzkonzept vorgestellt worden. Darin ist unter anderem vorgesehen, dass die Fahrgastzahlen im ÖPNV bis 2030 verdoppelt werden. Gleichzeitig will Saar-Verkehrsministerin Petra Berg (SPD) den Autoverkehr deutlich reduzieren.

Reduzierung um 15 Prozent geplant

Entgegen kursierender Medienberichte plant die SPD-Regierung nicht, den Anteil des motorisiertem Individualverkehrs (Alleinfahrten) um 40 Prozent zu reduzieren. Vielmehr soll er bis 2030 um 15 Prozentpunkte auf 40 Prozent des heutigen Niveaus gesenkt werden. Derzeit werden noch 55 Prozent der Wege im Saarland auf diese Weise zurückgelegt. Die neuesten Zahlen hierzu stammen aus dem Jahr 2017. Neuere Zahlen sollen Ende dieses Jahres veröffentlicht werden.

Der ökologische orientierte Verkehrsclub Deutschland (VCD) im Saarland befürwortet diese Pläne. Der Umstieg vom Auto zu mehr Fuß- oder Radverkehr sowie den öffentlichen Nahverkehr sei die einzig richtige Antwort auf die Herausforderungen im Klimawandel.

VCD und Plattform Mobilität halten weitere Schritte für notwendig

Gleichzeitig sieht der VCD aber auch noch Handlungsbedarf. Die seit Jahren angekündigte Neuvorlage des saarländischen Radverkehrsplans stehe noch immer aus. Auch bei den Machbarkeitsstudien zur Bahn-Reaktivierung sei für den VCD kein Fortschritt erkennbar.

"Das Land braucht Radvorrangwege, zum Beispiel an der Kaiserstraße (Kaiserradweg) und neue Schienenangebote auf den bereits vorhandenen Strecken, zum Beispiel im Primstal und links der Saar", teilte der VCD mit.

Auch die Plattform Mobilität verweist darauf, dass die Kosten-/Nutzenrechnungen für die Reaktivierungen nach wie vor auf sich warten ließen. Um die Pläne umsetzen zu können, müsse zunächst der ÖPNV im Saarland grundlegend reformiert werden.

IHK verweist auf Bedeutung des Autos

Die IHK kritisierte die Pläne zur Mobilitätswende. Individuelle Mobilität zu verteufeln, helfe nicht weiter, sagte IHK-Geschäftsführer Carsten Meier. Wer mehr Menschen für den ÖPNV begeistern wolle, müsse ein attraktives Angebot unterbreiten. "Doch dieses Angebot besteht aus der Sicht vieler Menschen im Saarland offenkundig nicht", so Meier.

Die IHK verweist zudem darauf, dass viele Arbeitnehmer im ländlichen Raum lebten und zu ihrem Arbeitsplatz pendeln müssen. Daher werde das Auto für viele auch in Zukunft wichtig sein.

Zudem müssten die Innenstädte erreichbar bleiben, nicht nur für die Beschäftigten - sondern auch für die Kunden und Kundinnen der Händler und Gastronomen. Diese Branchen stünden bereits unter erheblichem Druck und seien auf jeden Kunden angewiesen.

CDU wirft Berg vor, Realität auszublenden

Die CDU-Fraktion im saarländischen Landtag schlägt in eine ähnliche Kerbe wie die IHK. Sie wirft der Verkehrsministerin vor, die "Realität der Menschen im Land" auszublenden. "Gerade für die ländlichen Räume im Saarland ist eine Politik, die den Individualverkehr zum Feind erklärt, der falsche Weg", sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Roland Theis.

CDU-Generalsekretär Frank Wagner sagte, das sei ein "Schlag ins Gesicht" vieler Saarländer. Mit Verboten und Gängelungen der Autofahrer gelinge keine Verkehrswende. Viele Saarländer lebten im ländlichen Raum. Für den Weg zur Arbeit etwa seien die meisten auf das Auto angewiesen.

Kritik auch von Grünen und FDP

Auch die FDP-Fraktion im Saarbrücker Stadtrat hält die Pläne für realitätsfern. "Dass Ministerin Berg mit ihrer ideologisch-geprägten und planwirtschaftlichen Herangehensweise aktiv und in vollem Bewusstsein so von oben herab in die Lebensrealität der Saarländerinnen und Saarländer eingreifen will, ist erschreckend. Natürlich vollzieht sich ein Wandel in der Mobilität, aber dieser muss durch die Bürger entstehen", teilte der Fraktionsvorsitzende Helmut Isringhaus mit.

Die Zukunft der Mobilität der Menschen im Saarland und die Perspektive der Innenstädte müssten durch gute Angebote verschiedener Verkehrsmittel und lebendige Einkaufsstraßen geprägt sein. "Die Entscheidung des Transportmittels sollte vollkommen eigenverantwortlich beim Bürger liegen."

Zachow: Verkehrswende im Schneckentempo

Die Saargrünen werfen Berg vor, die Saarländerinnen und Saarländer "mit leeren und inhaltslosen Worthülsen bei der Stange" zu halten. Den mittlerweile zahllosen Ankündigungen der Verkehrsministerin müssten endlich Taten folgen. Es sei vor allem wichtig, Angebotslücken im Busverkehr zu schließen, damit Pendler aus dem ländlichen Raum auf das Auto verzichten könnten.

"Wenn Frau Berg weiter an dieser Verkehrswende im Schneckentempo festhält, sehen wir Saargrünen für eine Einhaltung der gesetzten Klimaziele schwarz", so der politische Geschäftsführer von Bündnis 90/Die Grünen im Saarland, Hanko Zachow.

Ministerin will niemandem das Auto verbieten

Die Gewerkschaft Verdi wiederum begrüßte Bergs Ankündigung, in den ÖPNV investieren zu wollen. Vize-Geschäftsführer Christian Umlauf sagte, um bis 2030 eine Verdoppelung der Fahrgäste bedienen zu können, seien etwa 1500 neue Beschäftigte nötig. Um diese zu gewinnen, brauche es bessere Arbeits- und Lohnbedingungen.

Auf SR-Anfrage zur Kritik teilte das Verkehrsministerium am Mittwoch mit, die Ministerin habe niemanden das Autofahren verbieten wollen. Vielmehr ginge es darum, auf einzelnen Wegen das Auto stehen zu lassen und das Rad oder die Bahn zu nehmen, wenn es die bessere Alternative darstelle.

Über dieses Thema haben auch die SR info Nachrichten im Radio am 30.07.2024 berichtet.


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