Thomas Gerber (Foto: Pasquale D'Angiolillo)

"Besser spät als gar nicht"

Thomas Gerber   06.02.2023 | 15:45 Uhr

Im Landtag soll es einen Untersuchungsausschuss zu den Anschlägen auf Asylbewerberunterkünfte in den 1990er Jahren geben. Die CDU-Fraktion hat am 06. Februar einen entsprechenden Antrag beantragt - SPD und AfD wollen sich dem anschließen. Den Opfern, insbesondere des Brandanschlags auf die Asylbewerberunterkunft in Saarlouis-Fraulautern, bei dem der ghanaische Flüchtling Samuel Yeboah getötet wurde, soll so auch im Parlament "Gehör verschafft werden". Dazu ein Kommentar von Thomas Gerber.

Mehr als 30 Jahre nach dem verheerenden Brand von Fraulautern widmet sich die Politik endlich den Opfern, nimmt deren Perspektive ein.

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Kommentar: "Besser spät als gar nicht"
Audio [SR 3, Thomas Gerber, 06.02.2023, Länge: 02:16 Min.]
Kommentar: "Besser spät als gar nicht"
Ein Kommentar von Thomas Gerber zum geplanten U-Ausschuss im Fall Yeboah.

Mit den Opfern wurde über Jahrzehnte rücksichtslos umgegangen

Noch ist die strafrechtliche Aufarbeitung in Koblenz nicht abgeschlossen, noch gilt für den dort angeklagten Neonazi Peter S. die Unschuldsvermutung - aber schon jetzt hat Koblenz gezeigt: Mit den Opfern wurde über Jahrzehnte rücksichtslos umgegangen.

Wenige Stunden nach dem Feuer wurden sie in Verhöre gedrängt. Mussten ihre Erlebnisse schildern. Ihre psychische Ausnahmesituation, die Verarbeitung der schrecklichen Geschehnisse, der Schreie von Samuel, der im Dachgeschoss Opfer einer Feuerwalze wurde - all das spielte keine Rolle. Psychologische Hilfe gab es nicht. Stattdessen wurden bei den Ermittlungen damals die Schuldigen in erster Linie unter den Bewohnern selbst vermutet und gesucht.

Es gibt viele Fragen zu klären

Warum dies so war, das soll nun der Untersuchungsausschuss klären. Auch, warum man nicht schon damals die naheliegende Spur ausermittelte, dass nämlich der Anschlag vom 19. September 1991 politisch motiviert, die Tat von Rassisten war.

Welche Rolle dabei der Verfassungs- und der Staatsschutz spielten, auch dem wollen die Abgeordneten nachgehen. Waren V-Männer oder zumindest Informanten im Spiel? Führte das dazu, dass Spur 23, die in die Skinheadszene führte, nach nicht einmal zwei Wochen geschlossen wurde?

Während dies in den Zuständigkeitsbereich des damals SPD-geführten Innenministeriums fällt - auch bei der Justiz, der Staatsanwaltschaft war man auf dem rechten Auge ähnlich blind.

Hoffentlich kein parteipolitisches Kalkül, sondern tatsächlich politische Aufarbeitung

All das sind Fragen, die im Koblenzer Mordprozess vermutlich nicht geklärt werden. Auch deshalb ist es richtig, dass die CDU unabhängig vom Ausgang des Mordprozesses die Anschlagsserie der Neunziger aufarbeiten will. Dem sollte sich die SPD anschließen.

Ein U-Ausschuss ist nicht dafür da, die strafrechtliche, sondern die politische Verantwortung zu klären. Für die CDU mag es verführerisch sein - aber aus dem U-Ausschuss eine Abrechnung mit den damals regierenden Sozialdemokraten zu machen, wäre das Falscheste. Es würde nicht beim aktuellen Kampf gegen Rechts helfen, sondern nur den Opfern schaden.


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1991 stirbt Samuel Yeboah durch einen Brandanschlag auf die Asylunterkunft in Saarlouis. Erst über 30 Jahre später wird der Mord als rassistisch motivierte Tat verfolgt und steht möglicherweise vor der Aufklärung. Warum erst jetzt? Dieser Frage gehen die SR-Journalistin Lisa Krauser und ihre beiden Kollegen Thomas Gerber und Jochen Marmit in einem mehrteiligen Podcast nach.

Ein Thema in der "Region" am 06.02.2023 auf SR 3 Saarlandwelle

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