SR -Reporter Stephan Deppen (Foto: Pasquale D'Angiolillo)

"Aus den Augen, aus dem Sinn?"

Ein Kommentar von Stephan Deppen   04.01.2023 | 16:08 Uhr

Der aktuelle Treffpunkt von Drogen- und Alkoholabhängigen Menschen aus sogenannten sozialen Randgruppen an der Saarbrücker Johannisstraße sorgt erneut für Diskussionen. Anwohner berichten von Belästigungen. Aber wohin mit diesen Menschen? Der Stadt fehle ein stimmiges Konzept, findet Stephan Deppen in seinem Kommentar.

Aus den Augen, aus dem Sinn? Im Saarbrücker Rathaus scheint das Prinzip zu funktionieren. Die sogenannten Randständigen haben die Saarbahn-Haltestelle an der Johanneskirche verlassen und treffen sich jetzt an anderer Stelle. Der Blick aus dem Büro des Oberbürgermeisters ist damit nicht mehr getrübt - der vieler Anwohnerinnen und Anwohner von Johannis- und Richard-Wagner-Straße dagegen sehr wohl und, wie sie schildern, mehr als zuvor.

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"Aus den Augen, aus dem Sinn?"
Audio [SR 3, Stephan Deppen, 04.01.2023, Länge: 02:27 Min.]
"Aus den Augen, aus dem Sinn?"

Das Problem hat sich nur verschoben

Konnte Oberbürgermeister Conrad wirklich annehmen mit dem Abriss der architektonisch herausragenden Wartehäuschen habe er das Problem der trinkfesten Randständigen in seinem Blickfeld gelöst? Das war eine Fehleinschätzung mit Ansage. Der gestalterische Offenbarungseid an der Haltestelle Johanneskirche in Saarbrückens Stadtmitte ist dabei nur ein Kollateralschaden. Auch der typisch für die Gestaltung des öffentlichen Raums in Saarbrücken.

Aber noch gravierender ist der Umgang mit den Bürgerinnen und Bürgern. Und zwar mit allen. Klar, es geht nicht an, dass drogenabhängige und betrunkene Fahrgäste von Bussen und Bahnen belästigen, das hat sich an der Johanneskirche geändert. Um dann an anderer Stelle umso stärker für Unmut zu sorgen.

Man muss die Anwohnerinnen und Anwohner verstehen: Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die Freiheit des anderen beginnt. Es ist nicht auf Dauer zu akzeptieren, dass eine Minderheit andere in ihrem Leben beeinträchtigt, gar gefährdet. Dafür muss die Verwaltung gemeinsam mit Ordnungsdienst und Polizei sorgen.

Stadt muss mehr tun

Und genau das findet zu wenig statt. Jeder ist frei, soziale Hilfsangebote anzunehmen oder abzulehnen, muss dann aber auch die persönlichen Konsequenzen aushalten. Es muss aber die sozialen Angebote auch in ausreichender Zahl geben: Quartiersmanagement, Streetworker.

Da haben die Grünen Recht: Da muss die Stadt mehr tun. Können sie selbst auch vorantreiben, mit der Bürgermeisterin sind sie ja in der Verwaltungsspitze vertreten. Auch die Polizei muss mehr tun. Personalknappheit darf etwa bei öffentlichem Drogenhandel nicht länger Begründung oder Ausrede sein für zurückhaltende Präsenz.

Es braucht ein stimmiges Konzept

Lässt sich alles gut sagen, ja. Denn die Aufgabe ist riesig: Welchen Standort oder welches Konzept auch immer die Verantwortlichen ins Auge zu fassen, um Verursachern und Opfern der von vielen als nicht länger zumutbar beschriebenen Situation gerecht zu werden: Es wird immer Widerstand dagegen geben. Deshalb braucht es ein stimmiges Konzept. Schnell. Und warum erst jetzt?

Der Blick des Oberbürgermeisters ist  wohl doch noch getrübt, zumindest im übertragenden Sinne.

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