Kommentar: "Eine Bankrotterklärung unseres Bildungssystems"
Jedes sechste ausländische Kind schafft den Schulabschluss im Saarland nicht. Fast die Hälfte schafft nur den Hauptschulabschluss. Eine Schande, findet Janek Böffel in seinem Kommentar.
Jeder sechste ausländische Schüler in diesem Land verlässt seine Schule ohne Abschluss. Dieser Satz allein ist schon eine Anklage. Nur um es noch einmal zu sagen. Jeder Sechste. Ja, das ist im Rest der Republik kaum anders. Aber ehrlicherweise tut das doch rein gar nichts zur Sache. Denn am Ende ist es trotzdem nichts weniger als eine Schande für dieses Land. Eine Bankrotterklärung unseres Bildungssystems und der Bildungspolitik.
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Wo ist da die Bildungsgerechtigkeit?
Wer da noch von Bildungsgerechtigkeit lamentiert, sollte besser schweigen. In keinem anderen Land entscheidet die Herkunft so sehr über Bildungserfolg wie in Deutschland, die soziale oder ehrlicherweise gesagt finanzielle Herkunft, aber auch ganz einfach die geografische. Denn auch diese Zahl gehört dazu: Fast die Hälfte aller ausländischen Kinder schafft nur den Hauptschulabschluss.
Sag mir, wo du herkommst und ich sage dir, wie groß deine Chancen in der Schule sind. Wo ist da die Bildungsgerechtigkeit, wo ist das Versprechen der Integration, wenn das Risiko ohne Abschluss die Schule zu verlassen für ausländische Kinder drei Mal so hoch ist wie für Deutsche?
Dieses System ist kaputt
Würde man die deutschen Kinder mit Migrationshintergrund noch mit in die Gleichung nehmen, wäre das Ganze - das zeigen bundesweite Studien - noch himmelschreiender. Drei Mal so hoch; dieses System hat nicht nur einen Knacks, es ist kaputt. Wie soll dieses Land ein erfolgreiches Zu- und Einwanderungsland werden, wenn die ehrliche Botschaft an die, die kommen wollen und sollen, wäre: Eure Arbeitskraft nehmen wir gerne, aber eure Kinder sind auf sich alleine gestellt.
Es wird zu wenig getan
Und das Schlimmste: Seit Jahren ist das Problem offensichtlich, zumindest für diejenigen, die einen einfachen Blick auf die Zahlen werfen. Seit Jahren wird es halbherzig beklagt und sonst größtenteils ignoriert. Es wird zu wenig dagegen getan, sonst wären die Zahlen ganz einfach andere. Wenn jetzt das Bildungsministerium bei der frühkindlichen Bildung auf die Träger verweist, ist das wohlfeil. Es braucht eine gemeinsame Anstrengung, kein Schwarze-Peter-Spiel.
Es braucht mehr Geld und Personal
Es geht auch, aber um mehr als nur Sprachförderung. Ja, das Problem wirklich wirksam anzugehen, kostet Geld - verdammt viel Geld und verdammt viel Personal. Und ja, es ist in der Schule längst nicht getan.
Aber wann, wenn nicht bei Kindern, soll Integration gelingen? Wird der Rückstand nicht früh genug aufgeholt, ist er fast nie wieder einzuholen. Nicht im deutschen Schulsystem, das so früh wie kaum ein anderes die vermeintliche Spreu vom vermeintlichen Weizen trennt.
Eine Frage der Moral und Gerechtigkeit
Wer da wegen fehlender Sprachkenntnisse durchs System fällt, wird kaum noch aufgefangen, nicht nur schulisch. Wer Integration verlangt, muss auch die Chance dazu geben. Und dabei muss noch nicht einmal die Nützlichkeitsfrage gestellt werden.
Wie es sich dieses Land erlauben kann, so viele auf der Strecke zu lassen und gleichzeitig über Fachkräftemangel und unbesetzte Ausbildungsstellen zu jammern! Es ist aber ganz simpel vor allem eine moralische Frage, eine der Gerechtigkeit.
Ob wir nicht wenigstens in der Schule allen Kindern möglichst dieselben Chancen ermöglichen sollten. Ja, wie gesagt, schon der Versuch ist viel Arbeit. Und kostet Geld. Aber nie wieder wird es günstiger sein, die Rückstände aufzuholen, die Ungleichheit auszugleichen, als in jungen Jahren. Wer das ignoriert, verschwendet wissentlich nicht nur Potenzial für dieses Land, sondern lässt hunderte Kinder jedes Jahr auf der Strecke.
Ein Kommentar von Janek Böffel.
Ein Thema in der Sendung "Region am Nachmittag" am 21.12.2022 auf SR 3 Saarlandwelle.