Pressefreiheit in Zeiten von Gewalt und Krieg
Interview mit Ulrike Gruska von "Reporter ohne Grenzen"
Die Pressefreiheit ist ein hohes Gut - und sie ist keine Selbstverständlichkeit. Alljährlich stellt die Organisation "Reporter ohne Grenzen" ein Länderranking zur Pressefreiheit vor. Deutschland liegt inzwischen nur noch auf Platz 16 - vor allem wegen der gewalttätigen Übergriffe auf Reporterinnen und Reporter. In Russland existiere inzwischen Pressefreiheit nicht mehr, sagt Ulrike Gruska von "Reporter ohne Grenzen".
Quer durch die Republik fanden am 3. Mai zum "Tag der Pressefreiheit" Veranstaltungen und Kundgebungen statt - auch in Saarbrücken. Im Mittelpunkt stand Osteuropa. Es geht um das Schicksal der Journalistinnen und Journalisten, die im Urkainekrieg ihr Leben verloren haben, aber auch um die Lage in Russland und Belarus.
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Pressefreiheit in Deutschland
Jedes Jahr legt die internationale Organisation "Reporter ohne Grenzen" ihre Rangliste zur Pressefreiheit in der Welt vor. Deutschland liege im europäischen Vergleich im "guten Mittelfeld", sagt Ulrike Gruska von "Reporter ohne Grenzen" im SR-Interview. Es gebe aber auch hier ganz gravierende Probleme.
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Deutschland rutscht ab
Die Pressefreiheit ist in Deutschland ein hohes Gut, doch auch hier verschlechtert sich die Situation seit Jahren. Im aktuellen Länderranking von "Reporter ohne Grenzen" liegt Deutschland nur noch auf Platz 16 - drei Plätze schlechter als vor einem Jahr.
Gewalttätige Übergriffe auf Reporterinnen und Reporter
Einer der Hauptgründe sind die wiederholten Angriffe auf Reporterinnen und Reporter. 80 gewalttätige Übergriffe seien gezählt worden - vor allem auf Demos der Querdenken-Bewegung gegen die Corona-Maßnahmen, so Ulrike Gruska. Es seien dabei nur die Fälle direkter Gewalt berücksichtigt worden. Eine Behinderung der Berichterstattung und Hetze in Netz "bis hin zu Morddrohungen" seien gar nicht mitgezählt worden.
Gesetze behindern die Arbeit
Auch durch neue Gesetze in Deutschland werde die Arbeit der Journalistinnen und Journalisten eingeschränkt, sagt Gruska. Dazu zählten beispielsweise die seit Herbst geltende Cybersicherheitsstrategie der Bundesregierung und das neue BND-Gesetz. Darin bekomme der Geheimdienst Überwachungsbefugnisse, die stark ausgeweitet wurden und in denen Medienschaffende nicht explizit ausgenommen worden seien. "Das ist ganz, ganz gefährlich - vor allem für Investigativ-Berichterstatter, die nicht mehr garantieren können, dass ihre Quellen gedeckt und geheim bleiben."
Rückgang der Medienvielfalt
Das dritte Problem sei der Rückgang der Vielfalt auf dem Medienmarkt in Deutschland aufgrund der wirtschaftlichen Situation, so Gruska. "Es schließen einfach in jedem Jahr Zeitungen - vor allem auf lokaler Ebene - und auch ganze Verlagshäuser."
Nicht-Zulassung von Berichterstattern
Und auch die Nicht-Zulassung von Berichterstattern behindere die Pressefreiheit. Das passiere bei Wirtschaftsunternehmen, aber auch bei Parteien. "Die AfD hat sich da einige Male unrühmlich hervor getan", so Gruska.
Pressefreiheit in Zeiten des Ukrainekrieges
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Pressefreiheit in Kriegszeiten
Die Urkaine ist Kriegsgebiet und die Arbeit für Berichterstatter dort sei zurzeit so schwierig wie in Syrien oder Afghanistan, als dort Krieg herrschte, sagt Ulrike Gruska von "Reporter ohne Grenzen". Berichterstattung aus einem Kriegsgebiet sei einfach lebensgefährlich.
"In Russland gibt es keine Pressefreiheit mehr"
Seit Beginn des Krieges sei die Lage in Russland für die freien Medien "einfach extrem und dramatisch", so Gruska. Im Grunde gebe es dort keine Pressefreiheit mehr. Wenige Tage nach dem Angriff seien entsprechende Gesetze verschärft worden. "Es drohen nun 15 Jahr Haft für alle Informationen, die denen zuwider laufen, was das Verteidigungsministerium sagt." Es sei in Russland ausdrücklich verboten, in den Medien von "Krieg, Invasion oder Angriff zu sprechen."
"Eine Situation, die wir seit Sowjet-Zeiten nicht mehr hatten."
Infolge dieser Gesetze hätten innerhalb weniger Wochen mehrere hundert Journalistinnen und Journalisten das Land verlassen. Und selbst die Medien, die versucht hätten, trotzdem noch weiter zu berichten, hätten inzwischen aufgegeben. "Damit gibt es auf überregionaler Ebene keine Medien mehr, die Kreml kritisch berichten können." Das könne momentan nur noch aus dem Ausland stattfinden und das sei eine Situation, "die wir seit Sowjet-Zeiten nicht mehr hatten."
Ein Thema in der Sendung "Guten Morgen" am 03.05.2022 auf SR 3 Saarlandwelle.