"Pflege im Laufschritt - das hält niemand lange durch"
Kommentar zum Pflegenotstand
Pflegekräfte sind Mangelware. Egal ob im Krankenhaus oder in Einrichtungen der Alten- oder der Behindertenpflege. Und das, obwohl schon seit Jahren Anstrengungen laufen, den Mangel zu beheben. Es gibt mehr Geld, Pflege kann man seit dem letzten Wintersemester an der HTW studieren, es gibt eine zusätzliche Ausbildung in zwei Jahren zum Pflege-Assistenten und ab September einen verbindlichen Flächen-Tarifvertrag Pflege. Und doch dauert der Pflege-Notstand an. Kein Wunder, sagt SR-Gesundheitsexpertin Steffani Balle.
Kaffee für die netten Krankenschwestern! Was als freundliche Abschiedsgeste von geheilten Patienten bei der Entlassung gedacht ist, hat für die Beschenkten einen bitteren Beigeschmack: Als ob wir immer rumsäßen und Kaffee trinken!
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Diese Situation, geschildert von einer Intensiv-Pflegerin an der Uniklinik zeigt: Es ist noch immer nicht in den Köpfen, dass Pflegepersonal kein Hilfspersonal ist, sondern meist hoch qualifizierte Mitarbeitende im medizinischen Bereich.
Pflegekräfte können eiternde Wunden versorgen, menschliche Ausscheidungen jeder Art mit einem Lächeln entfernen, füttern, waschen, wickeln und mit einem Blick erkennen, ob ein Patient oder Bewohner notfallmäßig versorgt werden muss. Und sie können zuhören, wenn Menschen verängstigt oder besorgt über sich und ihre Situation sprechen möchten. - wenn sie denn Zeit für all diese Tätigkeiten hätten!
Pflege im Laufschritt - das hält niemand lange durch
Denn da liegt die Krux: Krankenhäuser und Altenpflege-Einrichtungen sollen Gewinne erzielen. Wenn nicht das, wenigstens kostendeckend arbeiten. Einsparungen sind am schnellsten über Personalkosten zu regeln. Und das wurde gemacht bis zum Anschlag. Die Folgen: Überlastung der Pflegekräfte, weil sie auf einmal für doppelt so viele Patienten zuständig sind, im Pflegeheim die Haustür gleich mit betreuen sollen, Corona-Tests laufen ja nebenbei, während die alte Dame in der Wanne darauf wartet, geduscht zu werden. Pflege im Laufschritt - das hält niemand lange durch.
Flucht aus der Vollzeit oder gleich ganz raus aus dem Job
Wochen-Arbeitszeitverkürzung war für immer mehr Kräfte die Lösung. Andere, die durchhalten wollten, brannten aus – um für lange Zeit auszufallen. Jede dritte Pflegekraft will den Beruf verlassen. Nicht wegen der Bezahlung, sondern weil sie den Job anders gelernt hat, als sie ihn dann vor Ort ausüben kann.
Was sich die Pflegenden wünschen
Krankenschwestern und Altenpflegerinnen wünschen sich Augenhöhe mit den Ärzten und Pflegedienstleitungen, angemessene Bezahlung, Anerkennung, wenn sie sich zu Hygiene- Wund- oder Ausbildungsfachkräften weiterbilden, verbindliche Dienstpläne und Zeit für das, was sie am liebsten tun: Patienten oder Bewohner angemessen pflegen.
Der Kaffee kann warten. Die Wertschätzung nicht.
Ein Thema in der "Region am Nachmittag" am 12.05.2022 auf SR 3 Saarlandwelle