Oliver Buchholz (Foto: SR/Pasquale D'Angiolillo)

"Noch so viele offene Fragen"

Kommentar von Oliver Buchholz   15.04.2023 | 13:59 Uhr

Im Bistum Trier wurde am Donnerstag bekannt, dass ein Priester in Friedrichsthal offenbar Jahrzehnte lang Jungen und junge Männer sexuell missbraucht haben soll. Dokumentiert hat er das selbst mit unzähligen Fotos. Ein Kommentar von Oliver Buchholz.

1935 wird er geboren, mit 26 Jahren zum Priester geweiht, schon zehn Jahre später wird seine Neigung bekannt: Bei einer Wallfahrt nach Rom bemerkte ein anderer Geistlicher, dass der Priester Fotos von Schülern anfertigte. Die entwickelten Bilder gingen zum Bischof und der versetzte den Mann dann ausgerechnet in den Schuldienst. Schon das allein ist eine schreckliche Vorstellung, aber in den Siebziger Jahren leider kein Einzelfall.

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Kommentar zu Missbrauch durch friedrichsthaler Pfarrer
Audio [SR 3, Oliver Buchholz, 15.04.2023, Länge: 03:34 Min.]
Kommentar zu Missbrauch durch friedrichsthaler Pfarrer

Fast 30 Jahre wird er im Schuldienst belassen und bekommt fünf Jahre nach dem Romvorfall sogar das Bundesverdienstkreuz, denn parallel baute er eine Hilfsorganisation für Afrika auf. Er reiste regelmäßig dorthin, er machte Karriere in der Kirche, wurde in Kamerum zum Ehrendomherren ernannt.

Die andere Seite

Aber auch seine Karriere als „verdorbener Bruder“, wie er bei seiner Beerdigung 2022 betitelt wurde, nahm anscheinend an Fahrt auf. Das sollen Fotos belegen, die der Neffe des Priesters in dessen Haus in Friedrichsthal in Kisten gefunden hat. Mehr als 700 Aufnahmen vor allem von Knaben, häufig nackt.

Laut Neffe ist auch sein Onkel auf den Bildern zu erkennen. Erst 2012 wurde die Bistumsleitung wieder auf den Mann aufmerksam, nach einem anonymen Hinweis. Daraufhin wurde die Personalakte wieder zur Hand genommen. Aber: Wirklich erst dann liebes Bistum? Ich kann das nicht so recht glauben. Hätte man nicht viel eher viel mehr verhindern können?

Zur Staatsanwaltschaft gebracht wurden offensichtlich nur die Fälle von 1971. Auf der einen Seite wurden hier dank des Neffen die Karriere eines Kirchenmanns und mutmaßlichen Verbrechers ans Licht gebracht, eine Karriere, die so leider nicht selten ist. Ein Fall wie viele andere, von denen ich in zahlreichen Missbrauchsstudien schon gelesen habe.

Offene Fragen

Aber: Dieser Fall wirft für mich dann doch nochmal andere Fragen auf, die das Bistum bislang unbeantwortet ließ:  Warum wurde ein Priester mit derartigen Neigungen, für die es schon früh Beweise gab ausgerechnet in den Schuldienst versetzt und über Jahrzehnte dort belassen? Warum intervenierte das Bistum 1976 nicht, als der Priester das Bundesverdienstkreuz erhielt?

Warum wird die Personalakte zwischen 1971 und 2012 offensichtlich nie geöffnet, obwohl die Neigungen und die Strafversetzung bei Bistumsleitung und Klerus bekannt sein mussten. Wenigstens der andere Priester, der den Hobbyfotografen in Rom ertappte, musste doch was gewusst haben. Wer hat die Fotos gemacht, auf denen der Priester mit seinen mutmaßlichen Opfern zu sehen war?

Auch da muss es Zeugen geben… Warum hat das Bistum 2012 offensichtlich nur die Fälle von 71 der Staatsanwaltschaft übergeben und nicht den Verdacht geäußert, dass es weitere Fälle geben könnte. Bei einer Hausdurchsuchung wären der Staatsanwaltschaft die 700 Fotos sicher nicht entgangen.

Warum empfiehlt die Aufarbeitungskommission, so zumindest sagt das der Neffe, die Beweise zu verbrennen anstatt damit die Aufklärung weiter voran zu bringen? Warum haben die Bischöfe Stein, Spital, Marx und Ackermann nichts unternommen?

Ein Thema aus der Sendung "Region am Mittag" am 15.04.2023 auf Sr 3 Saarlandwelle

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