Volle Wartezimmer in saarländischen Kinderarztpraxen
Derzeit grassiert neben der Erkältungs- und Grippewelle unter Kindern das RS-Virus, das Bronchiolitis auslöst. Das ist ein Infekt der Bronchien, der vor allem bei kleinen Kindern auf die Lunge schlagen und lebensbedrohlich werden kann. Auch im Saarland häufen sich die Fälle und sorgen für volle Kinderarztpraxen.
Auch im Saarland häufen sich die Fälle von an Bronchiolitis erkrankten Kindern, bestätigen Kinderärzte im Regionalverband Saarbrücken - so wie Kinderarzt Bernhard Ulrich. Täglich sieht er in seiner Praxis in St. Arnual bis zu 50 Kinder mit Bronchiolitis - so viele wie seit Jahrzehnten nicht, sagt er.
Noch könne man zwar alle Patienten behandeln, im Ernstfall sei es aber schwierig, ein freies Bett in einer Klinik zu bekommen.
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Lage in Kliniken wieder entspannt
Demgegenüber sieht die Saarländische Krankenhausgesellschaft kein Problem: Anfang des Monats November hatten Kliniken kurzzeitig nur bis zu fünf freie Betten im Land gemeldet, mittlerweile seien aber wieder knapp 50 Betten für Kinder und Jugendliche frei, so SKG-Geschäftsführer Thomas Jakobs.
Hohe Belastung bei Kinderärzten
Anders sieht es in den Arztpraxen aus. Hier erscheinen beinahe ebenso viele kranke Kinder mit Influenza wie mit Bronchiolitis. Und auch viele davon sind richtig schwer krank. Dass so viele kleine Kinder gerade diesen Winter krank werden, sei nach den Coronajahren zu erwarten gewesen, sagt Ulrich: "Die Kinder haben keine Grundimmunität und jetzt ist das erste Jahr, in dem sie auf Infekte stoßen - und die sind deutlich heftiger, als wir das sonst kennen."
Hilfe von der Politik gefordert
Auf diese Welle an kranken Kindern ist die Kindermedizin im Saarland nicht gut vorbereitet, sagt der Arzt. Weil sie in der Corona-Pandemie noch am wenigsten zu tun hatten, weil selten Kinder schwer erkrankten, seien die Kinderärzte aus dem Fokus geraten.
Sparmaßnahmen bis hin zur Schließung ganzer Stationen hätten stattgefunden. Und das belaste jetzt, wo plötzlich alle Kleinen krank sind, das System ungemein. Von der Politik fühlen sich die Kinderärzte im Stich gelassen: Dies sei keine normale Situation, so Ulrich. Man brauche jetzt Hilfe.
Praxen schließen
Verschärft werde der Versorgungsengpass dadurch, dass eher Kinderarztpraxen schließen als dass neue dazu kommen, sagt Ulrich. Allein im Regionalverband Saarbrücken stünden zwei Praxen unmittelbar vor der Schließung, bei zwei weiteren sei die Zukunft ungewiss. Das macht bei insgesamt 20 Kinderarztpraxen zwischen 10 und 20 Prozent aller Versorger.
Zu viel Bürokratie
Auch deshalb fordert Ulrich, die Bürokratie, die rund um Corona entstanden sei, einzustellen. So käme ein Drittel aller Eltern wegen Schul- und Kita-Bescheinigungen über Krankheit oder Wiedergenesung ihrer Kinder in die Praxen. Das halte den Praxisbetrieb auf, so dass in den ohnehin vollen Praxen weniger Zeit für die Behandlung bleibe, moniert ein Arzt aus Saarbrücken.
Ein Thema in der "Rundschau" und der "Region am Mittag" am 01.12.2022 auf SR 3 Saarlandwelle.