Lüderitzstraße (Foto: SR)

Straßennamen von NS- und Kolonialverbrechern

Das Jahr - die Meinung

Patrick Wiermer   17.12.2021 | 10:45 Uhr

In vielen Gemeinden und Städten in Deutschland kommen Straßennamen auf den Prüfstand. Sind sie nach Verbrechern der Kolonial- oder der NS-Zeit benannt? Dürfen Sie auch heute noch so heißen? Auch in Saarbrücken und Völklingen gab es diese Debatte. Saarbrücken ließ Hunderte Straße in der Innenstadt untersuchen und hat schon begonnen, die ersten Namen aus dem Stadtbild zu entfernen. Nicht so in Völklingen: Dort hat sich der Ortsrat dagegen entschieden, fünf Straßen im sogenannten Kolonialviertel auf dem Heidstock umzubenennen. Vor allem in Völklingen wurde die Debatte sehr emotional geführt.

Betrügend, raubend, mordend zogen deutsche Kolonialisten durch die Welt. Selbsternannte Übermenschen, Ausbeuter, Rassisten. Sie schlugen, folterten, trieben Männer, Frauen, Kinder in den Tod.

Mittlerweile erkennt auch Deutschland offiziell seine Schuld an. Die Vergehen an den Herero und Nama, die zu Tausenden zum Verdursten in die Wüste getrieben wurden, taugt nicht mehr als Heja-Safari-Heldenkitsch - Sie sind Kriegsverbrechen.

Hänge-Peters darf in Völklingen bleiben

Doch der Ortsrat von Völklingen lehnt eine Umbenennung von fünf Straßen im sogenannten Kolonialviertel ab. Eine von ihnen trägt den Namen von Carl Peters, den kritischen Zeitgenossen beschrieben als „grimmigen Arier, der alle Juden vertilgen will und in Ermangelung von Juden drüben in Afrika Neger totschießt wie Spatzen und zum Vergnügen Negermädchen aufhängt, nachdem sie seinen Lüsten gedient.“

Der Hänge-Peters, wie er oft genannt wurde, hängt und lebt jetzt weiter im Straßenbild von Völklingen. Das Ergebnis auch eines sehr merkwürdigen Demokratieverständnisses.

"Populismus in Reinform"

Denn das Hauptargument der Gegner ist Populismus in Reinform: Man wolle nicht gegen den Willen der Bürger entscheiden. Es ist ein toxisches Argument: Denn einerseits gibt es den schnellen Applaus der, wenn überhaupt, 350 direkt Betroffenen, die man durch Wahlversprechen auch noch angestachelt hatte. Gleichzeitig entzieht man sich selbst der Verantwortung für die anderen 30 000 Einwohner Völklingens. Nach den Debatten um das Erbe der Röchlings, nach den ungeklärten Brandanschlägen auf türkischstämmige Mitbürger, droht Völklingen die nächste Delle in der Außendarstellung.

 Saarbrücken macht es anders

Dass es auch – trotz kontroverser Meinungen – anders laufen kann, zeigt die Landeshauptstadt. Mit Lust und Verantwortungsbewusstsein, diese zeit- und nervenaufreibende Mammutaufgabe zu bewältigen, hat der Bezirksrat Mitte Hunderte Straßen in Saarbrücken untersuchen lassen. Es war eine Diskussion, die vor allem von Sachlichkeit und dem gemeinsamen Willen zur Veränderung geprägt war. Die ersten Straßen wurden schon jetzt umbenannt, auch weil die Politik nicht vor den teils hanebüchenen Sorgen Einzelner einknickt – und zwar parteiübergreifend.

 Keine sachliche Debatte in Völklingen

Nicht so in Völklingen. Dort wollten die Gegner der Umbenennung keine sachliche Debatte. Sonst hätte man wohl den Argumenten des Zeithistorikers Rainer Möhler mehr Achtung geschenkt, der zum Schluss kommt, dass es im Jahr 2021 keine Argumente mehr gebe, die „vermeintlichen“ Kolonialhelden in ehrenhafter Erinnerung zu behalten.

Möhler bezieht sich da auch auf einen Brief, der in der Debatte um die Straßenumbenennung kursierte. Er stammt aus dem Jahr 1936. Darin bittet der Reichskolonialbund den Bürgermeister der Stadt Völklingen, Straßen nach Namen aus der Zitat – „ruhmreichen“- deutschen Kolonialgeschichte zu benennen. Gezeichnet ist das Ganze mit „Heil Hitler!“ 

Der Brief liegt im Stadtarchiv von Völklingen, also im kollektiven Gedächtnis der Stadt. Dort steht er also niederschrieben, der Wunsch der Nazis nach einer Verherrlichung von Kriegsverbrechen. Ein Wunsch, der in den kommenden Jahren in Völklingen weiter erfüllt wird. 

Die Meinung von Patrick Wiermer


Übersicht


Ein Thema in der "Region am Mittag" am 14.12.2021 auf SR 3 Saarlandwelle

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