Friemeleien: Parkhuddel

Parkhuddel

Michael Friemel   15.04.2024 | 09:40 Uhr

So dick sind meine Finger doch gar nicht. So dick, wie sie sich letzte Woche an der Ausfahrtsschranke vom Parkhaus plötzlich angefühlt haben. Es war dieser Moment, den wir alle fürchten.

Souverän war ich perfekt an die Schranke rangefahren. Die Distanz von meinem Seitenfenster bis zum Ticketschlitz betrug ideale 30 Zentimeter. Ich spürte die Frau am Steuer des Wagens hinter mir förmlich anerkennend stöhnen.

Ein sanfter Druck aufs Knöpfchen, die Scheibe senkte sich, ich schickte mich an, das Ticket, das ich natürlich professionell zwischen den Lippen parat hielt, durchs offene Fenster zu führen, als mir das blöde Ding plötzlich aus den Fingern glitt. Zielsicher landete es im Spalt zwischen Fahrersitz und Tür. Schlagartig spürte ich meinen Puls an den Schläfen.

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Friemeleien: Parkhuddel
Audio [SR 3, Michael Friemel, 15.04.2024, Länge: 02:43 Min.]
Friemeleien: Parkhuddel

Sofort tauchte die linke Hand ab, um nach dem Kärtchen zu suchen. Aber offenbar waren meine Finger zu dick. Jedenfalls scheuerten sie unangenehm zwischen Sitzpolster und dem rauen Plastik der Türverkleidung hin und her. Ich versuchte sie tiefer reinzupressen. Was mir auch gelang. Mit einem Flutschen überwanden meine Fingerknöchel mit spürbaren Abschürfungen eine erste Hürde und die Fingerspitzen konnten den Teppichboden erahnen. Aber nicht das Ticket. Offenbar war es durch mein Drängen weiter unter den Sitz gerutscht.

Zwei Autos hinter mir erbarmte sich der erste nette Saarbrücker und hupte. Jetzt sollte es doch schon gleich besser gehen. Ich tastete. Und fühlte. Und fand. Aber nicht das gesuchte Ticket. Sondern nichtgesuchte Münzen. Ich ließ sie links liegen. Und tastete weiter. Inzwischen hupte auch der nächste Fahrer in der Schlange hinter mir. Ich tastete weiter. Und fand: Etwas, das sich wie ein Haargummi anfühlte, meinen Personalausweis, den ich vor zwei Jahren als gestohlen gemeldet hatte und drei angetrocknete Pommes.

Was ich nicht fand – sie ahnen es, war natürlich mein Parkticket. Wenn man näher darüber nachdenkt, ist es fast nicht zu glauben, dass das Verlieren eines Parktickets zu den demütigendsten Momenten eines ganzen Lebens zählen kann. Wer mich aber dabei beobachtet hat, wie ich unter immer lauter werdendem Hupen auf, unter, und um den Fahrersitz drumrum Yogafiguren gemacht habe, die bis dahin noch nicht einmal existiert hatten, der wird erahnen können, wie sehr selbst ein sehr sehr starkes Selbstbewusstsein binnen weniger Sekunden schwinden kann.

Ach - vielleicht das noch der Vollständigkeit halber: Das Ticket lag neben dem Auto. Ich fand es beim Versuch, die Tür ein wenig zu öffnen, und mir damit ein wenig mehr Platz zu verschaffen. Als ich es in den Schlitz schob, leuchtete auf dem Display ein schlichtes: „Bitte Nachzahlen!“ auf. Meine Suchaktion hatte offenbar länger gedauert, als ich dachte.

Michael Friemel


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