Saarländisches Gartendesign der Nachkriegszeit  (Foto: SR/altes Postkartenmotiv)

Sprechende Gärten

Saarländisches Gartendesign der Nachkriegszeit

Katja Preißner   06.07.2020 | 06:00 Uhr

Eine Reise in drei öffentliche Gärten und eine Reise in die Zeit. Im Deutsch-Französischen Garten und im Bürgerpark in Saarbrücken ebenso wie im Blumengarten in Bexbach findet man heute noch Spuren von der Aufbruchstimmung der Nachkriegszeit.

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Tour de Kultur 2020: Sprechende Gärten der Nachkriegszeit
Audio [SR 3, Katja Preißner, 14.07.2020, Länge: 03:00 Min.]
Tour de Kultur 2020: Sprechende Gärten der Nachkriegszeit

"Wo wir jetzt stehen – das waren alles Rabatten. Es hätte in den 1960er-Jahren niemand gewagt, hier quer durch zu gehen. Und mit dieser Mentalität hat man natürlich auch bepflanzt.“ Carmen Dams, die Leiterin des Saarbrücker Amts für Stadtgrün und Friedhöfe, steht auf einer Wiese im Deutsch-Französischen Garten. Von den Rabatten der Anfangszeit sind nur noch Grüppchen von Stauden und Büschen übrig, links und rechts des kleinen Bachs. Heute würden sich durch die Schmuckbeete womöglich Trampelpfade ziehen. „Aber in den 1950er-Jahren war das egal. Da wurden die Leute gezwungen, in bestimmte Richtungen zu gehen. Und die sind sie dann auch gegangen.“

Die Blumenpracht von damals ist geschrumpft, die Pflege wurde zu teuer. „Aber die Teile, die geblieben sind, enthalten noch viele Gräser“, entschlüsselt Carmen Dams den Code der Zeit. „Gräser wiegen sich ja im Wind. Es war genau dieses Liebliche, das man zur damaligen Zeit haben wollte.“

Das Design sollte verspielt sein

Saarländisches Gartendesign der Nachkriegszeit  (Foto: SR/Katja Preißner)
Sandsteinplattenweg im DFG heute

Weiter oben, am Wald entlang Richtung Nordeingang, trägt eine eher unscheinbare Mauer ihren Teil zur Geschichte bei: „Dieses Mäuerchen schlängelt sich in verschiedenen Zacken am Weg entlang. Das würde man heute nicht mehr machen. Man würde eine gerade Mauer bauen!“ Aber als der Deutsch-Französische Garten 1960 eröffnet wurde – als Deutsch-Französische Gartenschau – sollte das Design verspielt, nicht geradlinig sein. „Hier haben wir diese typischen Sandsteinplatten“, deutet Carmen Dams auf die Wege der ersten Stunde. „Jede Platte ist anders.“ Nämlich polygonal, vieleckig. Bloß keine rechten Winkel! Denn die hatte man woanders schon reichlich...

Die neuen Gebäude der frühen Nachkriegszeit schlossen nicht nur stilistisch an die Moderne an, sondern nutzten auch neue Konstruktionsmethoden: große Fassaden aus Glas und Metall, die als Fertigteile aufgesetzt wurden. „Viele Menschen, die die Strukturen der Gründerzeit oder des Jugendstils kannten, sagten: ,Was ist denn DAS?! Das sind ja Kästen, die da entstehen!‘“, beschreibt Carmen Dams den Schock. „Die Landschafts- und Garten-Architektur reagierte darauf. Das Liebliche war die Antwort auf die strengere Hochbau-Architektur.“

Unter der Formensprache der 1950er verborgen liegt übrigens: der Krieg. Über das Gebiet des Deutsch-Französischen Gartens lief der Westwall mit der martialischen Höckerlinie und 18 Bunkern. Es war eine Sensation, dass nur 15 Jahre nach Kriegsende (und kurz, nachdem die Saarländer auf eigenen Wunsch Teil der Bundesrepublik geworden waren) ein deutsch-französisches Architektenteam die Parkanlage an der Grenze schuf. Was noch zu gebrauchen war, übernahm man. „Zum Beispiel wurden Restaurants an die Bunker geklebt“, verrät Carmen Dams, „und die Restaurants haben die Bunker als Weinkeller oder Kühlkeller für die Speisen genutzt.“

Bexbach erschuf den Blumengarten

Saarländisches Gartendesign der Nachkriegszeit  (Foto: SR/altes Postkartenmotiv)
Bexbacher Blumengarten mit dem Hindenburgturm in Hintergrund (Postkartenmotiv)

A propos „vorher“: Wer wissen will, wie der Design-Umbruch direkt nach dem Krieg aussah, wird in Bexbach fündig. Die Bexbacher waren sagenhaft früh dran. 1949, als noch Trümmer weggeräumt wurden, stemmte der Bexbacher Bürgermeister eine Bau-Ausstellung samt Musterhaussiedlung. Dort sollte es eigentlich auch Tipps geben, wie man mit eigener Ernte den Kochtopf füllt, aber die Landesausstellung ,Garten und Blumen im sozialen Wohnungsbau‘ wurde erst 1951 fertig. Auch die Bexbacher recycelten: Hoch aufragender Mittelpunkt der Ausstellung war der Hindenburgturm. Der schicke, neugestaltete Park wurde schlicht Blumengarten genannt.

„Das war ein Wasserturm mit einer kleinen Anlage drum herum. So hat sich’s immer weiter entwickelt bis 1951, bis zu dieser Größe“, erinnert sich Gärtnermeisterin Helga Eisel an den Ausflugsort ihrer Jugend und späteren Arbeitsplatz. „Ganz oben war ein richtiges Höhen-Café. Es war herrlich, wenn Sie da oben gesessen und die Aussicht genossen haben. Das war schon ’was. In der damaligen Zeit sowieso.“

„Die Bau-Ausstellung sollte Wohnungen für ,kleinere Einkommen‘ schaffen“, ergänzt Wolfgang Imbsweiler, der frühere erste Beigeordnete von Bexbach. „Es sollte aber auch ein Erholungsgebiet für Arbeiter, Bergleute und Familien ohne Auto sein.“ So kam es. Ein Teil des Blumengartens war ein weitläufiger Park nach englischem Vorbild, mit sanft modellierten Rasenflächen und markanten Bäumen. Der andere, untere Teil war formal gestaltet. Dort herrschte noch die alte Strenge. „Dieser Teil ist im französischen Stil angelegt“, erzählt Gärtner Harald Mootz, „architektonisch geradlinig mit gerader Wegeführung und geraden Beeten, die in ein großes Rondell mit Rosen münden.“

Rosen und Heide, die Lieblings-Beetpflanzen der Deutschen der frühen Nachkriegszeit, findet man auch heute noch sowohl im Bexbacher Blumengarten, als auch im Deutsch-Französischen Garten. Der Heidegarten ist allerdings keine deutsche Erfindung. Er wurde lediglich von der Blut-und-Boden-Propaganda als „deutsch“ etikettiert und mit Heideromanen und Kunstdrucken tief ins deutsche Gedächtnis gepflanzt. 

Auf dem Weg zum Rosen-Rondell kommt man im Blumengarten an einem Becken mit roter Sandstein-Fassung vorbei, ebenfalls im „alten“ Stil. „Gebrochene Sandsteinplatten“, erläutert Harald Mootz, „noch im Urzustand aus den 1940er-Jahren. Akkurat in gerader Linie, rechteckig und von Hand gehauen.“

Saarländisches Gartendesign der Nachkriegszeit  (Foto: SR/Katja Preißner)
Pavillon im Bexbacher Blumengarten heute

Die Zeit von Nierentisch und Tütenlampe zog 1951 erst langsam auf, und so zeigt sich im Bexbacher Blumengarten auch nur ganz zart die geschwungene Linie der Nachkriegsmoderne. Der abgerundete Gastro-Pavillon kann sich nämlich nicht ganz entscheiden zwischen Bauhaus und 1950er-Jahre-Leichtigkeit. Wie ein Ufo steht er mitten im Garten und kündet von neuen Zeiten.

Ein solches Ufo findet sich übrigens auch im Deutsch-Französischen Garten. Nahe der Bahnstation am Nordeingang liegt der Garten am Silberahorn. Der romantische Name täuscht, denn hier ist alles aus Waschbeton! Und strikt geometrisch: Sechsecke, wohin man schaut. Gigantische Kübel, Tischchen und Hocker in Sechseck-Form. Wie ein Op-Art-Kunstwerk schmiegt sich die terrassierte Anlage in den Hügel am Wegesrand. Mit der beschwingten Nachkriegsmoderne der 1950er hat das nichts zu tun. In Wahrheit bekamen die Saarländer hier 1960 – ohne es zu wissen – den Blick in eine Zukunft, die noch gar nicht angebrochen war.

Wolfgang Walter hieß der Architekt, der aus dem damals herrschenden Design ausbrach. „Der war seiner Zeit weit voraus“, erläutert Carmen Dams und verweist auf das Novum der Sechseck-Form, die sich sogar im Pflaster wiederfand. „In den 1970er-Jahren, also zwei Jahrzehnte später, gab’s das industriell zu kaufen. Aber was Wolfgang Walter hier gemacht hat, war nicht industriell zu kaufen gewesen. Das hat er einfach so entwickelt!“ Auch der Waschbeton war noch etwas für Insider. Als Deko-Material für Gärten war er erstmals 1957, also drei Jahre vorher, auf einer deutschen Bau-Ausstellung aufgetaucht. Und rasterförmige Muster – beliebig fortsetzbar, ohne Zentrum und Achsen, jeder Teil gleichwertig – waren eine dänische Spezialität. 

Vor allem aber war im Garten am Silberahorn Schluss mit Verspieltheit und Lieblichkeit. Die großen Kübel ließen sich als knallige, monochrome Flächen bepflanzen, wie es in den 1970ern Mode wurde. Deutschlandweit hatte der Umbruch Mitte der 1960er Fahrt aufgenommen, so Carmen Dams. „Dann ist auch die Landschaftsarchitektur nüchterner geworden, mit Waschbeton und geraden Strukturen.“ An Beton generell, auch unverputzt und mit sichtbaren Schalen-Abdrücken, wurde nicht mehr gespart. Es wurde massiv, viel und schnell gebaut, schließlich herrschte schon wieder Wohnungsnot. Und industrielle Fertigprodukte hatten Konjunktur, etwa das Verbundsteinpflaster, das sich palettenweise flott verlegen ließ. Ein Tipp am Rande: Das Gartendesign des „Space Age“ der 1970er ist noch gut im Mannheimer Luisenpark zu sehen, der Teil der Bundesgartenschau 1975 war.

Wilder Stilmix im Bürgerpark

Saarländisches Gartendesign der Nachkriegszeit  (Foto: SR/Katja Preißner)
Pflasterkollage im Bürgerpark

Aber das Grummeln über zu viel kühle Eleganz und ungeschminkte Beton-Statements wurde schließlich lauter, erinnert sich Carmen Dams. „Alles hat gleich ausgesehen. Stahlbeton mit Fensterraster. So haben wir auf der Folsterhöhe gebaut, auf dem Eschberg, und die ganze Berliner Promenade trägt diese internationale Stilmode.“ Das Unbehagen wuchs zur Gegenbewegung: „Und dann gab es Mitte der 1980er-Jahre den Trend zu Verspieltheit und Schnörkel.“ Wilder Stilmix war angesagt. Üppig, verwirrend und für viele schlicht eine Zumutung. Voilà: die Postmoderne! Als Gartendesign atemberaubend umgesetzt im Saarbrücker Bürgerpark. Die preisgekrönte Anlage wird unter Gartenfans geliebt und verehrt, weit übers Saarland hinaus!

Wasserfall im Saarbrücker Bürgerpark  (Foto: SR)
Wasserfall im Saarbrücker Bürgerpark

„Jetzt nähern wir uns der Wasserwand, die ein bisschen römisch anmutet“, führt Carmen Dams durch diesen magisch-verrückten Ort, der teilweise unter der mächtigen Westspangenbrücke liegt. „Ein kleines Colosseum ist das. Als Ruine gebaut. Man hat bewusst so gebaut, als ob man hier ein römisches Relikt hätte. Allerdings in der Industrie-Architektur um 1880! Die kleinen Verzierungen sind nicht römisch, sondern deutsch oder saarländisch.“

Die Industrie-Architektur spielt auf die Vorgeschichte des Bürgerparks an: den Saarbrücker Kohlehafen. Mitte der 1980er-Jahre, als Architekt Peter Latz mit der Arbeit begann, war der Hafen längst außer Betrieb und zu einem geschotterten Parkplatz verkommen. Wie ein Archäologe grub Latz die Überreste aus und bettete sie in die neue Anlage ein, als Teil eines neuen, aufregenden Puzzles.

„Man hat nachgemacht, aber so geschickt mit neuen Elementen verknüpft, dass jeder sieht, dass es nachgemacht ist“, fasst Carmen Dams zusammen. Es gab keine Klammer, die alles zusammenhielt und erklärte. Wie es Ende des 20. Jahrhunderts auch nicht mehr die eine große Wahrheit gab, die alles erklärte.

Die Natur durfte mitgestalten

Der Bürgerpark in Saarbrücken (Foto: Martin Breher/SR)
Der Bürgerpark in Saarbrücken

1989 wurde der Saarbrücker Bürgerpark eröffnet, als Gartenwohnung voll unterschiedlicher Zimmer. Damals schon als erster Clou erkennbar: die raffinierte Teichanlage unter der Autobrücke. Denn die Lichtreflexe auf dem Wasser erhellen die Brücke von unten. Der zweite Clou entfaltete sich erst mit der Zeit. Der zunächst steinige, graue Bürgerpark ergrünte mehr und mehr. Das war gewollt, die Natur durfte den Bürgerpark mitgestalten – wie sie es ohnehin in allen Parks tut.

Das Sandsteinbecken - heute ein Biotop

Saarländisches Gartendesign der Nachkriegszeit  (Foto: SR/Katja Preißner)
Wasserbecken im Bexbacher Blumengarten heute

Das Sandsteinbecken im Bexbacher Blumengarten ist heute ein Gräser-Biotop. Im Deutsch-Französischen Garten, der inzwischen unter Denkmalschutz steht, hat der Blauregen das Kräftemessen mit einer Pergola gewonnen. Und der ein oder andere morsche Baum musste gefällt werden. Aber es lohnt sich, die Codes dieser Gärten zu entschlüsseln, die Anlagen auf sich wirken zu lassen, zu vergleichen und sich im schönsten Fall ihre Geschichten von Kennerinnen und Kennern übersetzen zu lassen. Sandsteine und Waschbetonplatten, Heidegärten und Rosenbeete haben viel zu erzählen.


Auf einen Blick


Saarländisches Gartendesign der Nachkriegszeit  (Foto: SR/Katja Preißner/)
Bexbacher Blumengarten mit dem Hindenburgturm heute

Blumengarten Bexbach
Niederbexbacher Str. 62
66450 Bexbach
Der Park ist ganzjährig geöffnet
Der Eintritt ist frei
Tipp: Im Hindenburgturm Bexbacher Blumengarten befindet sich außerdem das Saarländische Bergbaumuseum. Und im Blumengarten hat auch die Gulliver Welt eine neue Heimat gefunden.


Saarländisches Gartendesign der Nachkriegszeit  (Foto: SR/Katja Preißner)
Die Wege im DFG - aus Sandsteinplatten

Deutsch-Französischer Garten Saarbrücken
Deutschmühlental
66117 Saarbrücken
Telefon: (0681) 905-21 59
Internet: www.saarbruecken.de/leben_in_saarbruecken/freizeit/deutsch_franzoesischer_garten
Montag - Sonntag ganztägig geöffnet
Der Eintritt ist – außer bei Sonderveranstaltungen – frei
Jeden ersten und dritten Sonntag im Monat findet um 14.30 Uhr eine offene Führung im DFG statt. Treffpunkt ist am Nordeingang des Gartens.
Gruppen können zudem bei Carmen Dams um Führungen anfragen unter: gruenanlagen_und_friedhoefe@saarbruecken.de.


 Bürgerpark in Saarbrücken (Foto: SR)
Bürgerpark in Saarbrücken

Bürgerpark Saarbrücken
Westspange
66111 Saarbrücken
Internet: www.saarbruecken.de/leben_in_saarbruecken/freizeit/im_gruenen/buergerpark_hafeninsel
Die Anlage ist ganzjährig geöffnet
Der Eintritt ist frei

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