Die Route der Abschaffung der Sklaverei in Ostfrankreich. (Foto: Philipp Lemmerich)

Im Namen der Menschenrechte

Die Route der Abschaffung der Sklaverei in Ostfrankreich

Stefanie Otto   14.06.2019 | 11:26 Uhr

Die Zeit der Sklaverei, als Menschen aus Afrika verschleppt, wie Ware gehandelt und unter widrigsten Bedingungen zur Arbeit gezwungen wurden – das alles scheint für uns heute weit weg. Wichtige Gegner der Sklaverei in Frankreich wirkten jedoch gleich hier um die Ecke, in Lothringen und im Elsass. Um ihren Einsatz für die Menschenrechte zu würdigen, gibt es heute die „Straße der Abschaffung der Sklaverei“. Stefanie Otto hat zwei der Orte auf der Strecke besucht. Ihre Entdeckungstour beginnt im lothringischen Emberménil, 50 Kilometer östlich von Nancy.



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Tour de Kultur 2019: Die Route der Abschaffung der Sklaverei in Ostfrankreich
Audio [SR 3, Stefanie Otto, 02.08.2019, Länge: 03:10 Min.]
Tour de Kultur 2019: Die Route der Abschaffung der Sklaverei in Ostfrankreich

Eine Landstraße, ein paar Höfe, Kirche, Rathaus, typisch lothringisch: Emberménil unterscheidet sich auf den ersten Blick kaum von anderen Dörfern der Gegend um Lunéville.

Doch in diesem beschaulichen Örtchen reiften revolutionäre Ideen heran, die die Geschichte Europas nachhaltig geprägt haben. Hier begann im 18. Jahrhundert die Karriere von Abbé Grégoire. Heute erinnert ein kleines Museum an den Geistlichen und seine Verdienste.

Henri Jean-Baptiste Grégoire (1750 – 1831), war nicht bei allen beliebt. Schon als junger Pfarrer eckte er mit seinen Ideen der Aufklärung an. Doch zu Beginn der Französischen Revolution im Jahr 1789 wurde er als Vertreter des Klerus in die Nationalversammlung gewählt.

Die Route der Abschaffung der Sklaverei in Ostfrankreich. (Foto: Philipp Lemmerich)
Abbé-Grégoire-Gedenkteller

Ideen der Aufklärung

In Paris war er schon bald ein Wortführer der reformorientierten Kirche und kämpfte unter anderem für die Abschaffung der Sklaverei in den Kolonien. In dem kleinen Museum gleich neben dem Rathaus von Emberménil erzählen 13 farbenfroh gestaltete Bleiglasfenster von den Stationen seines Lebens und seinen Errungenschaften.

Die Ausstellung zeigt einige Original-Handschriften und unzählige Veröffentlichungen von Grégoire, Gemälde aus der Zeit des Sklavenhandels und sogar echte Handfesseln. Die Seele des Museums ist François Bier. Der Fan Abbé Grégoires hat es mit aufgebaut und gibt gern Führungen durch seine kleine Welt.

Die Route der Abschaffung der Sklaverei in Ostfrankreich. (Foto: Philipp Lemmerich)
Farbenfroh gestaltete Bleiglasfenster erzählen von Abbé Grégoire.

Er war es auch, der die Idee zur Straße der Abschaffung der Sklaverei hatte und den Kontakt zu den anderen Gemeinden herstellte. Heute umfasst die Route bereits 25 Erinnerungsorte in den beiden Regionen Grand Est und „Bourgogne Franche-Comté und zieht jährlich etwa 75.000 Besucher an.

Verdienste erst spät anerkannt

Die Geschichte Abbé Grégoires hatte viele Höhen und Tiefen. Zunächst wurden seine Bemühungen belohnt. Mit der neuen französischen Verfassung von 1794 wurde auch die Sklaverei in den französischen Kolonien abgeschafft.

Erzmine bei Longwy war Produktionsstätte für die Geheimwaffe "V 1". (Foto: Jörg Welsch)
Eine Führung gibt es nur für den vorderen Bereich der Mine.

Napoleon führte sie jedoch wenig später wieder ein. Als politischer Gegner Napoleons verlor Grégoire sein Bischofsamt und starb verarmt. Erst mehr als 150 Jahre nach seinem Tod erkannte Frankreich seine Verdienste an.

Interaktive Ausstellung in Fessenheim

Einer seiner Zeitgenossen war Victor Schœlcher (1804 – 1893), ein Fabrikantensohn aus Fessenheim im Elsass. Untergebracht im ältesten Fachwerkhaus des Ortes, widmet ihm die Stadt seit 2015 eine modern aufbereitete Ausstellung.

Bereits am Eingang verdeutlicht eine interaktive Installation die Praktiken und Orte des Sklavenhandels. Auch im Ausstellungsraum laden Touchscreens und Videoinstallationen dazu ein, mit allen Sinnen in die Geschichte einzutauchen.

Schockiert von den Sklavenhaltern

Die Route der Abschaffung der Sklaverei in Ostfrankreich. (Foto: Philipp Lemmerich)
Schoelcher setzte sich bis ans Lebensende für die Abschaffung der Sklaverei ein.

Schœlchers Familie besaß eine weithin bekannte Porzellanmanufaktur. Nach seiner Ausbildung führten ihn Handelsreisen mit dem Vater unter anderem in die französischen und englischen Kolonien, wo er die Praktiken der Sklavenhalter erstmals mit eigenen Augen sah.

Das schockierte den jungen Mann so sehr, dass er sich bis an sein Lebensende für die Abschaffung der Sklaverei einsetzen sollte. Schon bald verkaufte Schœlcher die väterliche Porzellanmanufaktur, um sich nur noch dem politischen Engagement zu widmen.

1848 wurde die Sklaverei abgeschafft

Mit dem Geld unternahm er weitere Reisen in die Kolonien. Als Abgeordneter für Martinique gelang es ihm, eine Mehrheit im Parlament für sein Anliegen zu gewinnen. 1848 wurde die Sklaverei in Frankreich und seinen Kolonien endgültig per Gesetz abgeschafft.

Kampf für ein menschenwürdiges Leben

Die beiden Museen in Emberménil und Fessenheim erinnern jeweils auf ihre eigene Art an die Gräueltaten der Sklavenhändler und Plantagenbesitzer. Doch auch nach dem Ende der Kolonialzeit ist der Kampf um ein menschenwürdiges Leben nicht vorbei.

Die Straße der Abschaffung der Sklaverei zeigt, wie wichtig es auch heute noch ist, für die Menschenrechte zu kämpfen. Und dass auch in den kleinen Dörfern auf dem Land große Ideen entstehen können.


Auf einen Blick


Kontakt
Musée Abbé Grégoire

rue Abbé Grégoire
F-54370 Emberménil (Lothringen)
Tel.: (0033 3) 83 71 20 56
(Vereinsvorsitzender François Bier)
E-Mail:
contact@musee-abbe-gregoire.fr
www.musee-abbe-gregoire.fr oder
www.abolitions.org

Musée Victor Schœlcher
Espace muséographique
Victor Schœlcher
21, rue de la Libération
F-68740 Fessenheim (Elsass)
Tel.: (0033 3) 89 48 03 28
E-Mail:
musee.schoelcher@fessenheim.fr
www.fessenheim.fr oder
www.abolitions.org

Öffnungszeiten
Musée Abbé Grégoire:
Mitte März - 30. Okt.: So. und Feiertagen 14.30 - 18.00 Uhr, sowie auf Anfrage ganzjährig.

Musée Victor Schœlcher:
1. April - 30. Sept.: Di. - So.: 14.00 - 18.00 Uhr
1. Okt - 31. März: Di. - Sa.: 14.00 - 17.00 Uhr
Führungen nach Vereinbarung (max. 30 Personen).

Eintritt
Musée Abbé Grégoire:
3,- € (ermäßigt 1,- €),
Kinder bis 10 Jahre haben freien Eintritt, Gruppenermäßigungen.

Musée Victor Schœlcher:
4,- € (ermäßigt 2,- €),
Kinder bis 10 Jahre haben freien Eintritt,
Gruppenermäßigungen.

Anfahrt
Musée Abbé Grégoire:
Richtung Saargemünd auf die N 61, dann über die Landstraße Richtung Lunéville bis nach Emberménil. Das Museum befindet sich an der Hauptstraße neben dem Rathaus.

Musée Victor Schœlcher:
Über die A 4 nach Straßburg und weiter auf der A 35 nach Colmar, dann Landstraße bis nach Fessenheim. Das Museum befindet sich im Zentrum an der Hauptstraße.

Tipp:
Der Besuch im Musée Abbé Grégoire in Emberménil lässt sich gut mit einer Wanderung durch die umliegenden Wälder verbinden. Sogar eine Schutzhütte ist dem Vordenker seiner Zeit dort gewidmet worden.

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