Tour de Kultur 2018:  (Foto: Jochem Marmit/SR)

Steil, steiler, Calmont

Klettersteig durch Europas steilsten Weinberg

Jochen Marmit   06.07.2018 | 12:50 Uhr

Die Römer haben sie angelegt – die Weinberge an der Mosel. Und seit fast 2.000 Jahren reifen auch an den steilen Lagen mittelprächtige bis edle Rebsorten. An der Mittelmosel zwischen Bremm und Ediger-Eller südlich von Cochem macht der Fluss dabei eine enge 180-Grad-Kurve. Hangneigung: bis zu über 65 Grad. Steiler geht es nirgendwo in Europa. Seit 2002 führt an diesem sonnigen Südhang ein befestigter Klettersteig mitten durch die felsigen Kaulen. Über dreieinhalb Kilometer pures Abenteuer für die ganze Familie – inklusive Klettern, Kraxeln und sprachlos in die Ferne blicken.



Von unten nach oben erstrecken sich rund 280 Höhenmeter, von der Mosel bis zum Gipfel des Calmont. Mons calidus – der Heiße Berg, so hatten die Römer im dritten Jahrhundert die enge Steilwand genannt – wohl wissend, dass Weinstöcke hier immer gute Wärme im felsigen Boden bekommen. Einzig die Steilheit des Hanges stellt die Winzer seit jeher vor besondere Herausforderungen.

Längst haben dieselbetriebene Monorackbahnen der Steilheit ihren Schrecken abgetrotzt. Spektakulär sind diese einspurigen Stahlgleise aber noch immer, ermöglichen sie doch den kleinen Transportwägelchen einen tuckernden Auf- und Abstieg, nicht selten senkrecht durch die Weinstöcke.

Audio

Tour de Kultur: Der steilste Weinberg Europas
Audio [SR 3, Jochen Marmit, 06.07.2018, Länge: 03:17 Min.]
Tour de Kultur: Der steilste Weinberg Europas

Hinweg und Obenrum

Als Querverbindung verläuft entlang des zerklüfteten Berges der Klettersteig in gut 200 Metern Höhe, oberhalb, auf dem Bergrücken der meist flache Wanderweg. Wer diese beiden kombiniert, läuft circa sieben Kilometer Rundweg, gute vier Stunden sollten eingeplant werden. Ganz wichtig: ausreichend Wasser mitnehmen: Im Sommer gibt es an der Wand häufig über 40 Grad. Bei Regen sind einige Passagen rutschig.

Wir starten am Parkplatz unterhalb der Eisenbahnbrücke am östlichen Ende des Calmont. Direkt an der Bahn entlang geht es einen schmalen Trampelpfad nach oben, nach einer Kehre dann beginnt der Klettersteig linkerhand an der Schutzhütte Galgenlay. Hier soll einmal ein Galgen gestanden haben. Wir folgen dem Weg nach oben (halbrechts).

Ein Felsen Namens "Todesangst"

Tour de Kultur 2018: Steil, Steiler, Calmont - Klettersteig durch Europas steilsten Weinberg (Foto: Jochem Marmit/SR)
Steillage - gut für den Wein

Ein Stück weiter zweigt die Todesangst ab, ein Felsvorsprung. Gigantisch entfaltet sich schon hier der Ausblick über das Tal moselaufwärts: der prächtige Fluss, die Berghänge, der Hunsrück zur Linken. Vorsicht bei starkem Wind! Die große Fahne schwingt gerne mal im Bogen und haut einem dann in den Rücken oder ins Gesicht.

Wieder zurück auf den Hauptpfad nach oben geht es weiter durch einen lichten Wald, immer Richtung Höhenweg. Wir wollen zuerst den Anstieg meistern, die Ausblicke genießen. Und das ist an mehreren Stellen möglich; Bänke, Schutzhütten und schattige Bäume laden dazu ein.

Einst ein Hafen

Bald ist der weiß-rote Nachbau eines gallo-römischen Umgangstempels erreicht. Dieser steht auf den antiken Mauern des Bergheiligtums, das erst 2005 freigelegt wurde. Warum hier oben? Nun, der Blick nach unten geht auf die gegenüberliegende, von der Moselschleife eingeschlossene Landzunge, den Petersberg.

Tour de Kultur 2018: Steil, Steiler, Calmont - Klettersteig durch Europas steilsten Weinberg (Foto: Jochem Marmit/SR)
Fast wie an der Saarschleife, nur viel steiler

Zu römischen Zeiten war hier ein Stützpunkt samt Hafen. Da sollten die Götter gnädig gestimmt werden – in bester Lage. Nicht zu vergessen: Zur Eifelseite hin gab es wohl damals keinen Wald – der Tempel auf diesem fast 300 Meter hohen Punkt war im gesamten Umland weit sichtbar. Münzen, Glas, Keramik und Votivfiguren wurden hier oben gefunden, alles aus dem zweiten bis vierten Jahrhundert. Innen liegt die sogenannte Cella. Diese kann man im überdachten Säulengang umrunden.

Auch Konzerte gibt es hier oben

Bis zum Gipfelkreuz ist es nun schnell geschafft. Hier liegen der untere Petersberg und die Moselschleife genau im Scheitelpunkt zu unseren Füßen. Gut zu erkennen: das hohle Mauergerippe der Ruine Kloster Stuben. Das einstige Nonnenkloster entstand aus einer Kapelle nach 1136, die Regeln des heiligen Augustinus wurden hier befolgt.

1687 war dann die neunachsige Kirche im gotischen Stil fertiggestellt, doch schon Ende des 18. Jahrhunderts ging es bergab mit der Anlage. Französische Revolutionstruppen und der offizielle Verkauf des Klosters 1820 besiegelten den Verfall. Heute wird die restaurierte Ruine gerne im Sommer für Konzerte und Weinfeste genutzt.

Super auch für Gleitschirmflieger

Tour de Kultur 2018: Steil, Steiler, Calmont - Klettersteig durch Europas steilsten Weinberg (Foto: Jochem Marmit/SR)
Hier geht's ungebremst bergab

Von der kahlen Wiese am Gipfelkreuz stürzen sich bei Aufwind gerne auch mal Gleitschirmflieger, um über die Szenerie nach unten zu schweben. Die Aussicht inklusive Picknick ist aber auch beim Stillsitzen nicht zu überbieten. Samstags und sonntags wird hier oben auch ein Frühstück angeboten.

Zurück geht es nun vom Gipfelkreuz sehr steil bergab Richtung Bremm. Am Langenberg links halten, der Ausschilderung Klettersteig folgen. Spätestens hier wird nun klar: Gutes Schuhwerk, Trittsicherheit und Umsicht sind geboten. Denn mit Beginn des eigentlichen Klettersteigs wird auch anständig geklettert.

Stahlseile, Stahlleitern und Trittbügel

Für Kinder bis sechs Jahre ist „betreutes Klettern“ Pflicht, nicht selten geht es 200 Meter nach unten – wohlgemerkt ungebremst. 2002 hat der Deutsche Alpenverein im Auftrag der Gemeinden Bremm, Ediger-Eller und Neef diesen Klettersteig errichtet: Stahlseile, Stahlleitern, und Trittbügel wurden in dem Fels installiert.

Tour de Kultur 2018: Steil, Steiler, Calmont - Klettersteig durch Europas steilsten Weinberg (Foto: Jochem Marmit/SR)
Anstrengend und atemberaubend zugleich

Rauf und runter geht es nun über dreieinhalb Kilometer durch die verschiedenen Weinlagen zurück nach Ediger-Eller. „Kaulen“ heißen die Mulden am Berg, in denen die Rebstöcke gepflanzt wurden. Natürlich in Handarbeit, die auch zur Pflege der Kaulen unvermeidbar ist. In den Kaulen wiederum sind Trockenmauern angelegt, die die Steilterrassen abstützen.

Spektakuläre Aussichten

Über und durch die drei Klosterkaulen geht es, Leiring und Bremmer Todesangst sind weitere Anbauflächen. An Wochenenden und während der Ferien herrscht bei gutem Wetter übrigens Hochbetrieb, Schlange stehen an den Leitern und Kolonne laufen inklusive. Und doch: dieser Weg ist einfach spektakulär und sollte genossen werden. Wer auf dem Hinweg an der Todesangst war, kann nun unterhalb über Ellers Klettersteig zur Galgenlay-Hütte weiterlaufen.

Von dort dann zur Bahnlinie und zurück zum Ausgangspunkt. Wer den oberen Weg nicht laufen möchte, kann auch direkt an der Galgenlay-Hütte in den Klettersteig einbiegen und am Ende über Bremm und die Moseluferstraße zurücklaufen. Das ist der schnellste, aber wenig spektakuläre Weg.

Wein, Apollofalter und Hirschwurz

Der Riesling ist der König an diesem Klettersteig. Die Weinstöcke sind in der Regel durch Drahtzäune vom Klettersteig abgetrennt. Das schützt die Weinberge nicht nur vor zu neugierigen Wanderern, auch traubensuchende Wildschweine werden (meist) erfolgreich abgehalten.

1787 war es übrigens der Trierer Kurfürst Wenzelslaus, der den Startschuss für die ausgiebige Rieslingbepflanzung an der Mosel gab. Zuvor waren es oft minderwertige Massenweine, die hier kultiviert wurden. Die Rieslingrebe schätzt die gut durchlüfteten mineralischen Böden, in den Steillagen auch die Wärme der Sonne.

Beste Weine

Und dann ist da noch die Mosel: Frühe Fröste verhindert sie durch ihre Wasserwärme, Spätfröste dagegen durch herbstliche Talnebel. Seit 2007 sind die brachliegenden Flächen der Lage Geich wieder bepflanzt worden.

„Jungwinzer“ aus Bremm haben dadurch einen neuen Weinberg geschaffen, der auch beste Weine hervorbringt. Diese werden unter vinitorum quaterni vermarktet. Die „Jungwinzer“ sind übrigens alle über 60 und erzählen gerne von ihrem Wein und den Projekten am Calmont – achten Sie auf die Kaule, die Geich, vielleicht ist ja gerade jemand am Berg.

Pflanzen, wie man sie nur selten sieht

Je nach Jahreszeit sind am Berg zahlreiche Tiere und Pflanzenarten zu entdecken, die sich vor allem in den kleinen Biotopen am Wegesrand beobachten lassen: blaublühender Natternkopf, die üppige Hirschwurz in Weiß. Blutrot der Storchenschnabel, gelb das Sonnenröschen. Auch der Weinbergpfirsich ist im Frühjahr ein leuchtendes Gewächs, schmackhaft obendrein dann im Spätsommer.

Ach ja, und immergrün der Buchsbaum, wie der Wein ein Kulturgewächs, das aus dem Mittelmeerraum an die Mosel kam. Ganz römisch zeigt sich denn auch der Apollofalter mit seinen roten Punkten, Mauereidechsen schlüpfen über die warmen Steine, Schlingnattern auch, sind aber bei dem Getrampel am Klettersteig selten zu sehen.

Kontakt

Calmont Klettersteg
Endertplatz 1
56812 Cochem
Tel.: (02671) 60 040
www.ferienland-cochem.de
Auskünfte auch bei:
www.calmont-region.de

Öffnungszeiten

Der Klettersteg ist ganzjährig geöffnet. Festes Schuhwerk wird empfohlen.

Eintritt

Der Eintritt ist frei.

Anfahrt

Von Saarbrücken über A 1/A 48 nach Wittlich-Mitte, dann B 49 über Alf nach Bremm (circa 130 Kilometer, rund 1,5 Stunden). Alternative mit der Bahn ab Saarbrücken über Trier und Bullay, ab dort mit Bus oder Bahn bis Ediger-Eller (circa 2,5 Stunden).
Der Calmont Klettersteig beginnt am Parkplatz an der B 49 KM 91,5, Bahnbrücke bei Ediger-Eller.
Alternativ: Beginn in Bremm (Weg beginnt hinter der Kirche/Parkplatz).



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