Tour de Kultur - Bajasse (Foto: Simone Mir Haschemi)

Das Dorf voller "Bajasse"

Das Zirkusmuseum von Alsenborn

  27.07.2015 | 12:10 Uhr

Schon der Elefant im Kreisverkehr am Ortseingang von Alsenborn zeigt, dass der Ort eine Verbindung zu der Zirkuswelt hat. Warum dies so ist, und wieso man die Einwohner auch heute noch Bajasse nennt, erfährt man im Zirkusmuseum "Bajasseum".

Wer die Alsenborner heute als „Bajasse“ anspricht, der will sie wahrscheinlich necken und trifft doch ins Schwarze. Denn das rund 2.700 Einwohner große Alsenborn direkt hinter Kaiserslautern hat eine Zirkus- und Artistengeschichte.

Klein, aber ein echtes Schmuckstück

Heute wissen die Alsenborner diese besondere Historie zunehmend zu schätzen, deshalb würdigen sie ihre fahrenden Einwohner mit einem eigenen kleinen Museum: dem Bajasseum. Es ist so klein, dass man schnell daran vorbeifährt  –  dabei ist das frisch sanierte Zirkusmuseum im ehemaligen Feuerhaus von Alsenborn ein echtes Schmuckstück.

Schon vor dem Eingang zum Museum empfängt den Besucher ein echtes Hochseil in schwindelerregender Höhe. Innen ist die Zirkus-Geschichte von Alsenborn vor allem in Bildern und Erinnerungsstücken aufbereitet. Gästeführerin Anke Hub ist gebürtige Alsenbornerin mit Leib und Seele. Sie kann genau erzählen, wie alles angefangen hat.

Hörfunkbeitrag: Das Zirkusmuseum von Alsenborn

Tour de Kultur - Bajasse (Foto: Simone Mir Haschemi)

Aus der Not geboren

In Alsenborn haben früher nämlich viele als Tagelöhner von der Arbeit in den nahegelegenen Sandsteinbrüchen gelebt. Anfang des 19. Jahrhunderts gab es dort eine Flaute und die Menschen mussten sehen, wo sie ihr Geld verdienen: „Da haben sich einige der Leute, die das sowieso im Blut hatten und hier in den Gaststätten schon Musik gemacht haben, auf den Weg gemacht nach draußen – zunächst vor allem als Musikanten und Marionettenspieler.“

Der erste, der den Schritt gewagt hat, war Johann Justus Schramm. Er hatte eine Frau aus einem unbeliebten Nachbarort geheiratet – ein Grund mehr, Alsenborn zu verlassen. Mit Rucksack ging’s los – teilweise recht weit, bis Nordhessen oder Straßburg. Andere folgten.

Die Hochzeit war im 19. Jahrhundert

Die Glanzzeit der Alsenborner Artisten begann etwa 1870. Die Alsenborner Artisten hatten unterwegs auf den Jahrmärkten und in den Zirkussen Deutschlands inzwischen viele berühmte Zirkusfamilien wie die Trabers kennengelernt – teilweise auch eingeheiratet. Im Winter lebten so bald oft an die 100 Künstler im Dorf.

Wenn die Bajasse im Herbst zum Ende der Saison nach Alsenborn zurückkamen, warfen ihre Kinder erst mal ganz schön den Schulunterricht durcheinander, weil sie alle unterschiedlich viel gelernt hatten, meistens deutlich weniger als die Kinder der
sesshaften Alsenborner. Dafür waren, so hat es die Alsenbornerin Anke Hub noch von ihrem Vater gehört, die Alsenborner auch in Zeiten ohne Fernsehen und mit wenig Zeitungen immer auf dem neuesten Stand, was sich so tat in der Welt – die Artisten brachten viele Neuigkeiten mit.

Tour de Kultur - Bajasse (Foto: Simone Mir Haschemi)
Tour de Kultur - Bajasse (Foto: Simone Mir Haschemi)

Und wenn es eng wurde, gab es auch mal Kino

So kam es auch, dass es in Alsenborn sehr früh schon ein Kino gab. Anke Hub zeigt auf die ausgestellten Fotos: „Hier hinter dem Haus haben sie eine ganz große Halle gebaut. Da standen normalerweise die Zirkuswagen drin. Aber wenn ihnen das Geld ausging, haben sie Stühle hineingestellt, eine Kasse aufgebaut, und dann gab’s genau zwei Filme zur Auswahl: einen Westernfilm und eine Heimatschnulze.“

Außerdem durften die sesshaften Alsenborner immer die ersten Kritiker sein: Während des Winter haben die Zirkus-Künstler ihre neuen Stückchen geprobt und, bevor es hinaus ins Land ging, den Alsenbornern vorgeführt.

Mit dem Zweiten Weltkrieg endete die Tradition

Bis zum Zweiten Weltkrieg blieben viele Alsenborner Familien im Sommer auf Wanderschaft und kamen nur im Winter zurück. Inzwischen ist die Tradition eingeschlafen. Trotzdem: Die Alsenborner wurden und blieben „Bajasse“. „Das war lange ein Schimpfwort“, erklärt  Anke Hub, „ein  Uz-Name für die Alsenborner. Man nimmt an, dass es vom italienischen Bajazzo kommt“, einer Clownsfigur.

Begrüßt werden Besucher in Alsenborn übrigens von einem pflügenden Elefanten – der ziert den Kreisverkehr am Ortseingang. Und auch der steht natürlich für die Alsenborner Bajasse-Geschichte. Als der schönen Sophie der berühmten Zirkusfamilie Alt- hoff im Ersten Weltkrieg die Nutztiere zum Pflügen ausgingen, hat sie einfach einen ihrer Zirkus-Elefanten vor den Pflug gespannt– und das soll auch blendend funktioniert haben.

Simone Mir Haschemi


Kontakt:

Bajasseum
Rosenhofstraße
67677  Enkenbach-Alsenborn

Kontakt unter anderem für Führungen:
Verbandsgemeindeverwaltung Enkenbach-Alsenborn
Hauptstraße 18
67677  Enkenbach-Alsenborn
Tel.: (06303) 91 31 71

Öffnungszeiten:

Täglich 9.00  – 18.00 Uhr.

Eintritt:

Der Eintritt ist frei.

Anfahrt:

A 6 Richtung Mannheim, Ausfahrt Enkenbach-Alsenborn, der Beschilderung nach Enkenbach-Alsenborn folgen. Im Kreisverkehr rechts nach Alsenborn, im Kreisverkehr mit dem pflügenden Elefanten weiter geradeaus. Dann folgt nach einer Weile auf der linken Seite das Zirkusmuseum.



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