Tour de Kultur - KZ Hinzert (Foto: Albert Kaiser)

"Sich selbst ein Bild machen"

Beeindruckende Zeitzeugnisse in der Gedenkstätte KZ Hinzert

  27.07.2015 | 12:10 Uhr

Mit Dokumenten, Fotos, Filmen und zahlreichen Zeitzeugenberichten kann man sich selbst ein Bild über die Geschehnisse im Konzentrationslagers Hinzert machen, in dem an die 10.000 Männer von der SS schikaniert, gefoltert und viele auch ermordet wurden.

Ein Stück Teerpappe, ein Ehering, ein Kohlebrikett – Alltagsgegenstände. In der Gedenkstätte SS-Sonderlager/KZ Hinzert stehen sie symbolisch für das Grauen, das während der Kriegsjahre an diesem Ort stattfand. Mitten im Hunsrück, nur ein paar Kilometer vom Saarland entfernt, schikanierte die SS bis zum Frühjahr 1945 Tausende Männer. Darunter sehr viele Franzosen und Luxemburger. Oft waren sie Widerständler; die Erinnerung an das KZ Hinzert ist in Frankreich und Luxemburg deshalb besonders ausgeprägt. Insgesamt stammten die Häftlinge aber aus 20 europäischen Ländern. „Wir haben sehr viele Zeitzeugenberichte von Häftlingen aus unterschiedlichen Ländern, die auch zu unterschiedlichen Zeiten da waren“, erklärt Steffen Reinhard vom Gedenkstätten-Team.

Kunstwerke der Häftlinge, Porträts der Opfer und der Täter

Zeitzeugenberichte, die sich im Dokumentations- und Begegnungshaus der Gedenkstätte nachlesen lassen. Am Rand des früheren Lagergeländes liegt der riesige, rostige Kasten verstörend in der Landschaft. Die Dauerausstellung zeigt Linolschnitte über die Folter, Zeichnungen und andere Kunstwerke der Häftlinge. Porträt-Fotos der später Ermordeten. Auch Fotos der Täter. „Die Besucher sollen sich anhand der Dokumente selbst ein Bild machen“, erklärt Steffen Reinhard. Ihm ist der Gegenwartsbezug wichtig: „Es gibt heute immer noch Orte, an denen Menschenrechte missachtet werden.“

Hörfunkbeitrag: Beeindruckende Zeitzeugnisse in der Gedenkstätte KZ Hinzert

Tour de Kultur - KZ Hinzert (Foto: Albert Kaiser)

Ständige Kontrolle und Schikane

Ein rechtsfreier Raum sei das KZ gewesen: „Selbst bei der Nahrungsaufnahme, wenn man überhaupt von Nahrung sprechen kann, gab es Schikanen.“ Beispielsweise gaben die SS-Männer die Suppe so kochend heiß aus, dass die hungrigen Häftlinge sich daran verbrühen mussten. Ständig wurden die Häftlinge überwacht, es gab keine Möglichkeit sich zu verstecken. Sie durften sich nur im Laufschritt bewegen. Auch das dokumentiert ein Linolschnitt. Sehr gefürchtet war laut Reinhard das sogenannte „Kohlekommando“: Menschen wurden wie Vieh vor Karren voller Kohlebriketts gespannt und mussten diese kilometerweit ziehen. In sogenannten „Außenkommandos“ mussten Häftlinge zum Beispiel zum Straßenbau nach Trier. Unternehmen der Region forderten bei der Lagerleitung Gefangene für Arbeiten an.

Landstraße führte mitten durchs Lager

Die Existenz des Lagers blieb der Bevölkerung damals nicht verborgen: „Oftmals kamen die Häftlinge über den Bahnhof Reins- feld an“, sagt Steffen Reinhard. „Sie wurden dann zu Fuß zum Lager getrieben.“ Das kleine Dorf Pölert liegt in Sichtweite des Geländes. Und mitten durch das Lager führte die öffentliche Straße von Hinzert nach Reinsfeld. Laut Steffen Reinhard gab es unterschiedliche Reaktionen der Anwohner. Manche hätten auch zu helfen versucht: „Da haben Frauen den Häftlingen Socken zugesteckt, die Bauern haben denen Kartoffeln zugesteckt, Kinder haben Pausenbrote auf Pfosten gelegt.“

Stätten der Unmenschlichkeit

Nach neuesten Erkenntnissen der Gedenkstätte wurden in Hinzert insgesamt etwa 10.000 Männer gefangen gehalten und gequält. Wie viele von ihnen umgebracht wurden, ist unklar. Bisher nachweisbar sind laut Gedenkstätte 321 Männer in dem Lager zu Tode gekommen.

Tour de Kultur - KZ Hinzert (Foto: Albert Kaiser)
Tour de Kultur - KZ Hinzert (Foto: Albert Kaiser)

An die Toten und Gequälten von Hinzert erinnern heute unter anderem die schlichten Steinkreuze auf dem Ehrenfriedhof und die Sühnekapelle. In der näheren Umgebung finden Besucher die Stätten der Unmenschlichkeit. Das KZ selbst ist nach dem Krieg verschwunden – keine der Baracken steht mehr. Einen Eindruck, wie es hier vor gut 70 Jahren ausgesehen hat, verschafft der Blick durch die große Fensterfront im Ausstellungsraum der Gedenkstätte. In die Scheibe eingearbeitet ist ein altes Foto des Lagers. So schieben sich die Baracken von damals vor die Hunsrück-Idylle.

Isabelle Tentrup


Kontakt:

NS-Dokumentationszentrum Rheinland-Pfalz
Gedenkstätte SS-Sonderlager/KZ Hinzert An der Gedenkstätte
54421 Hinzert-Pölert
Tel.: (06586) 99 24 93
E-Mail: info@gedenkstaette-hinzert-rlp.de
www.gedenkstaette-hinzert-rlp.de

Öffnungszeiten:

Di. – Fr.: 9.00  – 13.00 Uhr und 14.00  – 17.00 Uhr.
Sa., So. und an Feiertagen: 14.00  – 17.00 Uhr.
Der Friedhof der Gedenkstätte und das Informationstafelsystem zu den „Stätten der Unmenschlichkeit“ im angrenzenden Wald je nach Wetter: täglich 9.00  – 17.00 Uhr zugänglich, April – Sept. bis 19.00 Uhr.
Führungen von Gruppen und Schulklassen nach Voranmeldung. Öffentliche Führungen April – Okt. jeden 1. und 3. So. ab 14.30 Uhr, Treffpunkt in der Dauerausstellung (ohne Voranmeldung).

Eintritt:

Der Eintritt und die Führungen durch die Gedenkstätte sind kostenlos.

Anfahrt:

Von Saarbrücken aus die A 1 Richtung Trier bis zur Ausfahrt Reinsfeld. Von dort ist die Gedenkstätte ausgeschildert.



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