Unterwegs mit der Südpfalz-Draisinenbahn (Foto: Patrick Wiermer)

Muskelkraft und Traubensaft

Unterwegs mit der Südpfalz-Draisinenbahn

  27.07.2015 | 12:10 Uhr

Mit der Draisinenbahn durch die Südpfalz, begleitet von Störchen, durch kleine Winzerstädte und viel Eisenbahnromantik - eine sportliche Betätigung, die sich lohnt.

Zugegeben: Die Fotos im Internet täuschen ein wenig. Man sieht Familien, Rentnergruppen, Kinder. Sie sitzen entspannt in den Fahrrad-Draisinen, die Füße lässig auf die Pedale gelegt. Sieht alles ganz locker aus. Am Ende erwartet mich aber Sport – vor allem, wenn man wie ich etwas aus der Form ist und die gesamte Strecke in die Pedale treten muss.

Die gesamte Strecke, das sind immerhin zwölf Kilometer von Bornheim zum Endhaltepunkt in Westheim – und wieder zurück. Spätestens am Terminus wird man allerdings für die Mühen kräftig belohnt.

Start unter dem Geklapper vieler Schnäbel

Los geht’s zwischen 10.00 und 11.30 Uhr in Bornheim, dem Start- und Zielpunkt der Draisinenfahrt. Vor oder nach der Fahrt bietet sich ein kleiner Zwischenstopp im Ortskern der kleinen Gemeinde an. Dort befindet sich die Storchenscheune. Im Freigehege der Scheune klappert’s gewaltig. Ein paar Dutzend Störche dösen hier in der Sonne. Die Scheune wird von der Aktion Pfalzstorch betrieben. Kranke und verletzte Störche und verlassene Jungtiere werden hier wieder aufgepäppelt, bis sie wieder in die Freiheit entlassen werden. Die Störche begleiten uns auch noch ein Stück auf dem Weg. Sie fliegen über die Rebstöcke und die weiten Felder rund um die Draisinenstation von Bornheim.

Hörfunkbeitrag: Unterwegs mit der Südpfalz-Draisinenbahn

Start der Draisinenfahrt in Bornheim (Foto: Patrick Wiermer)

Hochbetreib schon am Vormittag

In Bornheim ist um 10.00 Uhr bereits Hochbetrieb. Die Draisinenbahn ist beliebt, etwa bei Betriebsfeiern oder bei Junggesellenabschieden. Und so treten wir die Fahrt mit einer Gruppe junger Frauen an, die sich gleich die 7er-Draisinen schnappt und sie mit Prosecco belädt. Das Motto: drei treten, vier trinken. Damit aus dem Abschied aber kein Abschied mit Krankenhausaufenthalt wird, gibt es für die jungen Frauen und natürlich für uns eine umfangreiche Einführung in die Draisinen-Sicherheit. Die Bedienung der Fahrzeuge ist kinderleicht, schließlich braucht man nicht zu lenken. An das Bremsen muss man sich allerdings gewöhnen: Die Draisinen gleiten auch nach einer Vollbremsung noch etliche Meter weiter. Und bremsen muss man oft: Insgesamt gibt es elf Bahnübergänge, an denen man aussteigen und die Schranke hochklappen muss – da kommen Eisenbahnergefühle auf.

Kein Ausflug für Faulenzer

Neben den 7er-Draisinen gibt es Gefährte für fünf und vier Personen. Die 4er-Draisine lässt sich auch von zwei Personen bewegen. Dann wird es allerdings sportlich, wie man spätestens nach ein paar Kilometern merkt. Die Draisine nimmt zwar mit nur wenig Kraftaufwand eine Geschwindigkeit von etwa 20 km/h auf – um das Tempo zu halten, muss man aber schon ordentlich treten. Dafür hört man allerdings den Sound der Eisenbahnromantik:  Dieses typische, metallische Schnurren, das sich unter das rhythmische Schlagen der Getriebemechanik legt.

Zum Rasten geht es runter vom Gleis

Anfangs geht es durch dichten Wald. Es geht flott voran, bis man auf den ersten Übergang trifft. Mit einem Knopfdruck lässt sich die Ampel für die Autofahrer betätigen. Dann wird die Schranke nach unten gedrückt: Freie Fahrt! Es geht vorbei am Golfplatz Landgut Dreihof bis zum Bahnhof von Hochstadt. Hier gibt es die Möglichkeit zur Rast. Dafür wird die Draisine einfach aus dem Gleis gehoben. Für die 4er-Draisine gibt es dafür eine Art Hebelwerkzeug, mit dem sich das Fahrzeug bequem auf den Draisinen-Parkplatz ziehen lässt. Die 350 Kilogramm schweren 7-Sitzer haben dafür eine spezielle Hydraulik, mit der das Gefährt aus dem Gleis „gepumpt“ wird.

Eisenbahnromantik inklusive

Der Bahnhof von Hochstadt bietet wieder viel Eisenbahnromantik. Das kleine Gebäude zeugt von einer Zeit, als die Züge noch alle zwei bis drei Kilometer, auch in den kleineren Ortschaften, anhielten. Die Strecke Landau-Germersheim wurde 1984 für den Personenverkehr stillgelegt. Heute kommt man von Landau nur noch mit dem Bus direkt nach Germersheim, obwohl es immer mal wieder Bemühungen gab, die Strecke wiederzubeleben. 2005 kam ein privater Investor auf die Idee, die Strecke per Pedalkraft zu nutzen. 2006 ging dann die Südpfalz-Draisinenbahn in Betrieb.

Unterwegs mit der Draisinenbahn (Foto: Patrick Wiermer)
Unterwegs mit der Draisinenbahn (Patrick Wiermer)

Ein Päuschen im Winzerstädtchen oder beim Picknick

Wer etwas Zeit hat, kann sich im beschaulichen Winzerstädtchen Hochstadt noch ein wenig umschauen. Der Ortskern ist etwa 500 Meter entfernt. Wir schieben die Draisine aber wieder zurück aufs Gleis und setzen die Reise fort. Nach rund zwei Kilometern endet der Wald. Die Landschaft öffnet sich, Ackerland wechselt sich ab mit Pferdeweiden, auf denen die Tiere ihre Runden ziehen. Nach ein paar Metern erreichen wir den Bahnübergang von Zeiskam. Hier gibt es ein paar überdachte Sitzgruppen für ein zünftiges Picknick. Man kann aber auch in dem stillgelegten Bahnhof von Zeiskam einkehren oder einfach durch die gemütliche Gemeinde bummeln. Die Ortsmitte liegt direkt am Bahngleis.

Kraft tanken und entspannen im Biergarten

Wir ziehen aber durch – und erreichen nach gut zehn Minuten Lustadt. Hier gibt es direkt am Gleis zwei schöne Biergärten. Drei Viertel der Strecke sind geschafft – jetzt haben wir uns einen Schluck Schorle mit Traubensaft vom Winzer verdient. Das gibt Kraft für den Endspurt nach Westheim. Der Rest der Strecke führt über gut drei Kilometer durch die landwirtschaftlich geprägte Landschaft, vorbei an Salat- und Erdbeerfeldern. Die Kirschbäume spenden erfrischenden Schatten. Gegen 13.30 Uhr erreichen wir Westheim.

Endstation Westheim (Foto: Patrick Wiermer)
Endstation Westheim (Foto: Patrick Wiermer)

Endstation Westheim

Gegen 13.30 Uhr erreichen wir Westheim. Nach jahrelangem Streit mit einigen Anwohnern und einigen Fällen von Vandalismus in der ursprünglichen Endstation in Lingenfeld entlang der Draisinenbahnstrecke ist in Westheim seit 2015 Schluss. Wir parken unsere Draisine und begeben uns zum Kiosk der Familie Bauer. Der Kiosk hat einen großen Biergarten und einen neu angelegten Garten mit schönen Sitzgelegenheiten – die Waden und Oberschenkel dürfen entspannen. Magen und Herz freuen sich über regionale Spezialitäten von Saumagen bis Blutwurst – und die wahrscheinlich größten Kuchenstücke der Südpfalz. Bei der Gruppe der Heiratswilligen gibt es noch ein Pils obendrauf.

Der Zucker- und Launespiegel steigt, das Aufsitzen für die Rückkehr fällt allerdings schwer. Ab 14.00 Uhr geht es nur noch in eine Richtung. Die zwölf Kilometer zurück nach Bornheim, über exakt die gleiche Strecke. Wohl dem, der einen Ersatzfahrer dabei hat.

Wir lassen es hingegen gemütlich angehen und legen noch einen kurzen Zwischenstopp ein. Nach gut zwei Stunden erreichen wir wieder Bornheim. Der Junggesellenabschied zieht weiter ins Thermalbad, um die Muskeln zu entspannen. Wir lassen den Tag in Bornheim ausklingen, mit einem Glas Traubensaft.

Und wir schauen den Störchen hinterher, wie sie die Bahnstrecke entlang nach Westheim fliegen – lautlos und nur mit minimalem Einsatz von Muskelkraft.

Patrick Wiermer


Kontakt:

Südpfalz-Draisinenbahn
Hauptstraße 78a
67368 Westheim
Tel.: (06344) 94 42 670
Fax: (06344) 50 77 55
E-Mail: info@suedpfalz-draisine.de

Öffnungszeiten/Strecke:

April bis Oktober: 10.00 bis 17.30 Uhr

Kosten:

40,00 bis 80,00 Euro

Anfahrt:

Aus Richtung Saarbrücken: über die A 8/B 10 Richtung Landau oder über die A 6 Richtung Mannheim, dann über die A 61/A 65 Richtung Landau.

Startpunkt ist in der Hornbachstraße 11 in Bornheim bei Landau.



Push-Nachrichten von SR.de
Benachrichtungen können jederzeit in den Browser Einstellungen deaktiviert werden.

Datenschutz Nein Ja