1 Weltberühmte Fotografien im Wasserturm von Dudelange (Foto: CNA, Centre National de l’Autiovisuel)

„The bitter years“

Weltberühmte Fotografien im Wasserturm von Dudelange

 

Es waren "the bitter years" für die USA, die 1930 Jahre. Weltwirtschaftskrise und Dürreperioden hatten die Landbevölkerung ins Elend gestürzt. Eine beeindruckende Fotoausstellung im Wasserturm von Dudelange zeigt Schwarz-Weiß-Fotografien aus dieser Zeit, die das ganze Ausmaß der "Großen Depression" für den Betrachter spürbar machen.

(07.08.2014) „Die Sandstürme sind schuld. So hat’s jedenfalls angefangen. So blasen sie schon Jahr für Jahr, blasen das Land fort, blasen die Ernte fort, blasen jetzt uns fort.“

Die Früchte des Zorns von John Steinbeck

Ohne die Fotografien, die im Auftrag der farm security administration in den 1930er Jahren gemacht wurden, hätte es weder den berühmten Roman Die Früchte des Zorns von John Steinbeck noch den gleichnamigen Film von John Ford gegeben. Diese erschreckenden Portraits von ausgemergelten Männer und Frauen, von Elendsquartieren an den Straßenrändern und aufgegebenen Farmen während der Zeit der Großen Depression in den USA kann man sich nun in Luxemburg anschauen. Genauer gesagt in Dudelange. Im Wasserturm des ehemaligen Stahlwerks. The bitter years heißt diese Ausstellung, die der berühmte luxemburgische Fotograf und Kurator Edward Steichen 1962 für das Museum of Modern Art in New York zusammengestellt hat. Rund 200 Aufnahmen aus einem Fundus von mehr als 200.000 Negativen hat er damals für diese Ausstellungen ausgesucht.

2 Weltberühmte Fotografien im Wasserturm von Dudelange (Foto: CNA, Centre National de l’Autiovisuel)

Es sind klassische schwarz-weiß Reportagefotografien von den besten Fotografen der damaligen Zeit. Dorothea Lange, Arthur Rothstein oder Walker Evans. Ikonen der Schwarz-Weiß-Fotografie. Sie bereisten damals im Auftrag der farm security administration den mittleren Westen, um das Elend der Farmer und Landarbeiter zu dokumentieren. Ziel war es, die Politik des New Deal von Präsident Roosevelt zu unterstützen.

Zuvor hatten die Weltwirtschaftskrise und eine verheerende Dürre, die Sandstürme zu Folge hatte, die Landbevölkerung ins Elend gestürzt. Farmen wurden zwangsversteigert, die Bauern machten sich in langen Wagenkolonnen auf in Richtung Westen, um in Kalifornien Arbeit und eine neue Existenz zu finden. Viele von ihnen strandeten irgendwo auf dem Weg dorthin in Elendsquartieren oder schliefen obdachlos, unter freiem Himmel, hielten sich und ihre Familien mit schlecht bezahlten Jobs als Erntehelfer über Wasser.

„Unser Lohn reicht nur, um Bohnen zu kaufen. Müssen wir Kraftstoff kaufen, verzichten wir auf Bohnen.“

Ein Zitat eines Familienvaters hängt neben Fotografien von alten, klapprigen, vollgepackten Autos. Oftmals das Zuhause einer vielköpfigen Familie, die dort ihr Hab und Gut verstaut hat und auf der Straße immer weiterzieht in Richtung Westen. Edward Steichen schuf aus diesen erschütternden Zeitdokumenten rund 30 Jahre später den Ausstellungsklassiker The bitter years. In einer durchdachten Inszenierung präsentierte er diese Fotografien. Und diese Inszenierung wird originalgetreu im Wasserturm präsentiert.

3 Weltberühmte Fotografien im Wasserturm von Dudelange (Foto: CNA, Centre National de l’Autiovisuel)

Ein ungewöhnlicher Ort für eine ungewöhnliche Foto-Ausstellung. Im Erdgeschoss und im Dachgeschoss sind die runden Räume zu Galerien umgebaut worden. Entweder zu Fuß oder per Aufzug sind die beiden Galerien zu erreichen. Ein atemberaubender Blick auf das ehemalige Stahlwerk-Gelände und ins Luxemburger Land bis hin nach Junglinster sind inklusive. Besonders schön: die Klärbecken der Anlage sind inzwischen zu postindustriellen Wassergärten umgestaltet worden. Wenn man von der ersten Etage aus auf dieses Ensemble blickt, dann hat man einen Unterwasser-Wald vor Augen. Seelenmassage, nach den aufwühlenden Bildern von The bitter years. Direkt am Wasserturm ist das ehemalige Pumphaus. Eine kleine Backstein-Industrie-Kathedrale. Dort befindet sich der Eingang zur Ausstellung, und in der Halle selbst finden regelmäßig Ausstellungen mit zeitgenössischer Fotografie statt. Kunst trifft auf rohe, unverputzte Industrieromantik.

Zeitgenössische Fotografie gibt es auch im benachbarten CNA, im Centre national de l’audiovisuel, dem Zentrum für Fotografie in Luxemburg. Dieses Kulturzentrum beherbergt einen Konzertsaal, Kinos und Gastronomie und eine Galerie, die ebenfalls regelmäßig Fotografie-Ausstellungen anbietet. Das CNA ist nämlich für die Förderung und Bewahrung der Fotografie in Luxemburg zuständig. Jean Back, Leiter des CNA, war es auch, der sich dafür eingesetzt hat, dass die Foto-Ausstellung The bitter years wieder öffentlich gezeigt wird.

Bereits 1967 sorgte Edward Steichen nämlich dafür, dass neben der berühmten Family of man auch The bitter years dem Staat Luxemburg geschenkt wurde. Danach fielen die Bilder in einen Dornröschen-Schlaf auf Dachböden verschiedener Ministerien. 84 der 200 Aufnahmen werden nun in dieser Dauer-Ausstellung in Dudelange gezeigt. Eigens dafür wurde der Wasserturm, der hinter dem CNA liegt, aufwändig restauriert und umgebaut. Ein Ausflug nach Dudelange bietet also viele Facetten: einen Spaziergang durch eine postindustrielle Wasserlandschaft, eine Konfrontation mit Leid und Elend der fast schon vergessenen Depression der 1930er Jahre und eine Begegnung mit zeitgenössischer Fotografie. Alles an einem Tag und mit einem Ausflug zu erleben.

Barbara Grech


Kontakt

CNA, Centre national de l’audiovisuel
1b, rue du Centenaire
L-3475 Dudelange

Großherzogtum Luxemburg
Tel.: (00352) 52 24 241
E-Mail: visites@cna.etat.lu
www.steichencollections.lu
www.cna.lu

Öffnungszeiten

Wasserturm und Pumphaus:

1. März – 1. Jan. Mi., Fr., Sa. und So.: 12.00 – 18.00 Uhr

Do.: 12.00 – 22.00 Uhr, Mo. und Di. geschlossen

Centre national l’audiovisuel

Mo. – Fr.: 8.00 – 22.00 Uhr,

Wochenende: 9.00 – 22.00 Uhr

Eintritt

6 Euro für Erwachsene; Kinder und Jugend­liche bis 21 Jahre haben freien Eintritt.

Anfahrt

Von Saarbrücken aus über die A 620/A 8 nach Luxemburg. In Luxemburg dann weiter auf der A 13. Bis Ausfahrt Dudelange. Dann in Richtung Stadtmitte. Das CNA ist ab dort ausgeschildert. Parkplätze gibt es direkt beim CNA.



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